Entschuldigung

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"Jasmine, was machst du denn hier?", fragte Nayra und starrte ihre Freundin entgeistert an, die rot angelaufen und bei ihrem Anblick rückwärts getaumelt war. Blässe breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie begann zu stammeln: " Oh .. Sorry ... Tut ... tut ... mir wirklich leid, ich wollte das nicht ...! Ich wusste ja nicht ...! " Sie glaubte fast, Tränen in Jasmines grünen Augen aufblitzen zu sehen. "Ich sollte gehen" Damit drehte sie sich hastig um und stürmte aus dem Vierbettzimmer. "Was sie wohl gewollt hat?", überlegte Nayra laut, kurz nachdem die Tür zugeknallt war. "Keine Ahnung, aber ist das wirklich wichtig", meinte Calvin und versuchte sie zu küssen. 

Doch Nayras Stimmung war von einer Sekunde auf die andere herabgesunken und ihr war die Lust vergangen, irgendetwas mit Calvin zu machen. Außerdem machte sie sich Sorgen um Jasmine. Warum war sie einfach so hereingeplatzt, ohne zu klopfen, so wie sie es immer machten, wenn das "Bitte nicht stören"-Schild aufgehängt worden war, und warum war sie so aufgewühlt gewesen? Schließlich wusste sie ja, dass Calvin und Nayra zusammen waren. "Ich habe jetzt keine Lust mehr", sagte sie ein wenig muffelig, "tut mir leid, aber ich mache mir wirklich Sorgen um Jasmine. Sie ist so komisch in letzter Zeit. Das hat mir jetzt die ganze Stimmung verdorben." "Hey." Calvin streichelte zärtlich ihre Wange. "Es ist okay. Ich verstehe es. Ihr solltet euch mal aussprechen. Und ich  freue mich schon, wenn wir Runde zwei antreten" Er gab ihr einen kurzen Kuss auf den Mund. "Ich bin dann mal weg. Schick mir einfach eine Eule, wenn du noch etwas brauchen solltest." "Mach ich", nickte sie.  Langsam erhob er sich vom Bett und verließ den Schlafsaal, um Nayra mit ihren eigenen Gedanken zu hinterlassen. 

Sie war gerade dabei, in ihrem Bett einzuschlafen, die verwirrenden Gedanken über Jasmine noch immer im Kopf, als sie bemerkte, wie jemand in den Schlafsaal kam. Mit einem Schwung ihres Zauberstabes ließ sie das Licht angehen und sprang aus dem Bett. Es war ein Mann, der selbst mit gezücktem Zauberstab im Raum stand und verwirrt hin und her blickte. Seine Haare leuchteten feuerrot, genauso wie ihre. Und als sie auch noch in seine dunkelblauen Augen sah, die den ihren so ähnlich waren, wusste sie es. Bei dem Mann handelte es sich um ihren Vater, von dessen Existenz sie jahrelang nichts gewusst hatte. 

"Hallo." Vorsichtig wie ein Wildjäger, der sich an ein junges Reh heranpirschte, hob er die Hand. " Mein Name ist Ron Weasley, und ich bin gekommen, um mit dir zu reden." Das war zu viel für sie. Auch wenn sie es schon längst geahnt hatte. Langsam ließ sie sich zurück aufs Bett sinken und sah ihm dabei unentwegt in die Augen. Es waren eindeutig die ihren. Der Mann meinte es ernst. 

Eine Stunde später saßen sie zusammen im drei Besen, beide eine Tasse heißen Butterbieres vor sich. Eigentlich war es Schülern um diese Uhrzeit nicht mehr gestattet, das Schulhaus zu verlassen, aber Professor McGonegall hatte eine Ausnahme gemacht, als sie gesehen hatte, wen Nayra mitgebracht hatte. "Mr Weasley. Welch eine Überraschung", hatte sie gesagt und ihn unter ihrem Brillenrand streng gemustert. "Immer wieder eine Ehre, Professor McGonegall", hatte er liebenswürdig und mit einem schiefen Grinsen geantwortet. "Sie können mich Minerva nennen, Ronald" Diese gesamte Konversation war so äußerst seltsam gewesen, dass Nayra das Gefühl hatte, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein.

"Was machen Sie  hier? In Hogwarts? Bei mir", waren die ersten Fragen, die aus ihr heraussprudelten. Mr Weasley lachte. Doch sie sah auch die Falten in seinen Zügen, die die Zeit und eine Menge Arbeit und Ärger hineingegraben hatten. Das Leben war auch für ihn nicht immer einfach gewesen. "Du bist deiner Mutter so ähnlich, Nayra. Immer so viele Fragen, die ich in den seltensten Fällen beantworten konnte. Ich wette, du bist auch genauso klug wie sie. Und übrigens kannst du gerne Ron und du zu mir sagen. So komme ich mir ja vor, als lebten wir noch in den sechziger Jahren." Wieder lachte er. "Ok, Mr, ähm, sorry, Ron, warum sind Sie ... bist du hier?" 

"Weil ich dich kennen lernen wollte, Tochter." Bei dem Wort "Tochter" sah er ihr tief in die Augen, sodass Nayra eine leichte Gänsehaut bekam, weil es sich irgendwie gruselig anhörte. " Was ist, wenn ich dich nicht kennenlernen möchte?", fragte sie provokant, auch wenn es nicht stimmte. Sie wollte sehr gerne mehr über ihren Vater erfahren. Und vor allem etwas über die Umstände, warum er sich all die Jahre nicht ein einziges Mal bei ihr gemeldet hatte. Ihre Worte trafen ihn ins Mark, sie konnte sehen, wie seine Augen sich vor Schmerz verdunkelten." "Ich weiß, in all den Jahren war ich kein guter Vater ...", begann er, doch sie unterbrach ihn scharf, " Du warst überhaupt kein Vater. Ich habe überhaupt nichts von deiner Existenz gewusst. Kein Brief, kein Geburtstagsgeschenk, was normale Väter eben machen, um ihren Töchtern eine Freude zu machen." Ihre Stimme klang harsch, und sie wusste, dass er nur eine Teilschuld an der ganzen Misere hatte, doch trotzdem war sie wahnsinnig genervt von ihm. 

"Ich weiß. Und genau das möchte ich gerne wieder gut machen. Frag mich alles, was du willst" Da gab es einiges für sie zu fragen. "Ok. Wo lebst du?" "In London. Zusammen mit meiner Frau Justine und meinem Sohn Sebastian" Sie war nicht überrascht. Natürlich hatte Ron weitergemacht, auch nach allem, was passiert war. "Wenn du möchtest, könnt ihr euch gerne kennenlernen. Er ist sieben und sehr neugierig." "Ich glaube, dafür ist es noch zu früh", entgegnete sie. "Das akzeptiere ich. Aber meine Tür steht dir immer offen."  " Das ist gut zu wissen, Vater." Ein kleines Lächeln entfloh ihr. Er lächelte ebenso klein zurück. Er sah so verletzlich aus in diesem Augenblick. "Möchtest du noch etwas anderes wissen?" "Wusstest du, dass meine Mutter schwanger mit mir war? Wie hat sich das angefühlt? Wusstest du, dass sie mich damals behalten und zur Adoption freigeben wollte?" "Ja, ich wusste davon. Deine Mutter hat mir damals eine Eule geschickt und es mir geschrieben. Es war ihr erstes Mal, und meines auch, was ich ihr in all den Jahren nie erzählt habe. Es war wie ein Gefühl der Ohnmacht. Du kanntest den Umstand der Situation, in der du dich befandest, wusstest aber nicht, wie du dagegen vorgehen kannst. Es hat mich hart getroffen , und ich habe mich wie ein Idiot verhalten. Ich habe ihr gesagt , dass es mich nicht interessiert, was sie damit macht, es sei nicht mein Problem. Heute weiß ich, dass das falsch war. Ich hätte es niemals sagen dürfen. Ich wusste nichts davon, bis vor ein paar Jahren plötzlich Hermine vor meiner Tür stand und reden wollte" 

" Was hat sie gesagt?" "Sie hat mir erzählt, dass Harry und sie heiraten wollten und sie mich gerne dabei hätten. Sie hat mir erzählt, dass ich eine kleine Tochter habe, die bei einer normalen Familie aufwächst. Außerdem hat sie mir im Geheimen erzählt, dass sie wieder schwanger ist und dass es wahrscheinlich ein Junge wird. Sie war so glücklich. Und ich  ... Ich habe mich schrecklich gefühlt. Für das, was ich ihr damals angetan habe. Sie hat so etwas nicht verdient." 

Sie seufzte. "Ich weiß. Und du warst anscheinend wirklich ein echtes Arschloch." Sie lächelte ihn zaghaft an. " Aber ich verzeihe dir trotzdem. Du hast nicht die alleinige Schuld an dieser Misere"

Ron, der gerade noch ohne etwas zu sagen auf sein Butterbier gestarrt hatte, sah auf und sie bemerkte, dass Tränen in seinen blauen Augen schimmerten. "Nayra, dass du das sagst ... Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet. Ich weiß, dass ich viele  Jahre, in denen du mich so dringend gebraucht hast, nicht da war, und es tut mir Leid. Merlin, du kannst dir nicht im Ansatz vorstellen, wie sehr  mir das heute leidtut. Wenn ich dich so ansehe, und mich in dir sehe, dein Gesicht, deine Augen, meine Augen, dann realisiere ich erst, was ich verpasst habe. Ich weiß, dass ich die Zeit nicht zurückdrehen kann, niemand kann das, selbst nicht mit einem Zeitumdreher, aber ich möchte jetzt, jeden Tag, für dich da sein, wann immer du mich brauchst." 

Er sah sie hoffnungsvoll an. Nayra rang mit sich. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er Recht hatte. Und sie wollte ihren Vater unbedingt kennenlernen. Plötzlich hatte sie den Drang, einfach sitzen zu bleiben und zu weinen. Aber da ihr Vater ihr direkt gegenübersaß und sicherlich verwirrt und sogar ängstlich reagieren würde, beließ sie es lieber bei einem Lächeln und gab ihm statt einer Antwort einfach nur ein Nicken. 

Das Strahlen ihres Vaters bei dieser einfachen Kopfbewegung war nicht in Worte zu fassen und man konnte deutlich sehen, dass er sich unbändig über ihre Zustimmung freute. 


A/N: 

So, Leute! Es ist lange her, aber endlich habe ich es geschafft, diesen Teil wieder zu updaten. Der Nächste wird länger, versprochen :)! 

Hoffe, es hat euch gefallen und ich würde mich sehr über Kommentare und natürlich Votes freuen! 

Alina Sommer


Nayra ( Harmione 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt