12. Wie Sand in meiner Hand

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Auch mehrere Tage später, war die Benennung der Katze die einzige „Erinnerung" gewesen, die Luzi gehabt hatte. Ansonsten war immer noch Alles beim Alten. Wobei nicht ganz, er war jetzt ein klein wenig offener zu Alea. Letzerer freute sich natürlich darüber, auch wenn es noch weit von ihrem eigentlichen Eheleben entfernt war. Es waren kleine Schritte, aber stetige. Und wenn er Luzi noch einmal komplett neu verführen musste, dann würde er das eben machen. Das war der ehemalige Rotschopf ihm allemal wert. Und jetzt hatte er ja auch schon ein bisschen Übung darin. Er würde sich jedenfalls nicht wieder so dümmlich anstellen.

Besagter Mann betrat gerade die Küche, in der Alea schon am Tisch saß und genüsslich einen Kaffee trank.

„Guten Morgen", grüßte der Ziegenbärtige gutgelaunt.

„Morgen", nuschelte der Dudelsackspieler verschlafen. Er stoppte nicht in seiner Bewegung, ehe er beim Schrank war, wo er eine Dose mit Kittenfutter herausholte um sie seinem kleinen Schatten zu geben. Salome folgte ihm auf Schritt und Tritt. Selbst wenn Luzi auf Toilette ging, ging der kleine Stubentiger mit, ganz zur Aleas Belustigung und Luzis Leidwesen. Aber sie war ja auch noch klein, sie würde noch lernen selbstständiger zu werden. Meinte jedenfalls der Schwarzhaarige, beziehungsweise er hoffte es.

„Gut geschlafen?" wollte der Ziegenbärtige wissen, nachdem die Kitte fröhlich den Napf am Leerschlecken war. Luzi füllte noch das Wasser nach und setzte sich dann ebenfalls an den abgerundeten Küchentisch.

„Nee", antwortete er. Ein Blick in sein Gesicht zeugte von einer schlaflosen und langen Nacht. Tiefe Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet und allgemein sah er auch echt blass aus.

„Alles gut?" besorgt setzte er seine Tasse auf den Tisch.

„Mir ist schlecht", gab der Kleinere kleinlaut von sich. „Und ich bin müde."

„Mhm", fieberhaft suchte er nach einer Lösung. Die üblichen Hausmittel würden wohl nicht helfen, da die Übelkeit mit großer Wahrscheinlichkeit ein Überbleibsel seiner Gehirn-Erschütterung war. Da half leider nicht viel. „Willst du was nehmen? Also gegen die Übelkeit?"

Luzi schüttelte langsam den Kopf. „Nee, geht noch."

„Ok. Aber wenn es schlimmer wird, sagst du Bescheid, ja?"

„Mach ich", versprach er auch sofort. Er hatte sich damit abgefunden, dass der blonde Mann sich um ihn und seine Gesundheit sorgte. Und insgeheim, fand er es auch ganz nett.

„Willst du dich nicht nochmal hinlegen? Du kannst später eine Kleinigkeit frühstücken... ich mach dir gerne Etwas?" sagte er zaghaft. Je nach Stimmung wurde er von Luzi angemacht, wenn er sich ZU sehr kümmerte. Lag vermutlich an der gesteigerten Reizbarkeit, die ebenfalls eine Folge der Gehirn-Erschütterung war.

Luzi legte den Kopf schief und überlegte. Seine blauen Augen wanderten dann zu der schmatzenden Katze und er meinte: „Wenn Salome fertig ist." Der Katzenjammer war immer groß, wenn Luzi aus dem Raum verschwunden war und klein Salome es nicht mitbekommen hatte. Die Kleine hatte wohl Verlustängste.

„Ist gut." Erleichtert atmete er auf. Heute war die Stimmung des Ls ganz gut, auch wenn ihm schlecht war.

Wenig später war die Kitte dann fertig und stiefelte gesättigt und zufrieden – sie hatte einen dicken Bauch – zu dem Schwarzhaarigen, der sie liebevoll streichelte, bevor er sich langsam erhob. Natürlich folgte Salome ihm ins Schlafzimmer, aber auch Alea war mitgegangen. Er wartete noch bis das Kleine L wieder unter der Decke lag, dann fragte er: „Kann ich dir noch was bringen?"

„Ich denke nicht, nein." Er sah wirklich nicht gut aus heute. Alea machte sich schon ein wenig Sorgen. Wenn es nicht besser würde, würde er die Ärzte kontaktieren. Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig. Jedenfalls in diesem Fall.

Er hob noch Salome aufs Bett, sie schlief immer in der Nähe von Luzis Gesicht, da kam ihm spontan eine Idee. Er bedeutete seinem Ehemann zu warten und eilte dann aus dem Zimmer, bevor er mit jemand ganz Bestimmten wieder hineintrat.

„Was zum..." begann Luzi verwirrt.

„Der wird dir auch Gesellschaft leisten", grinste Alea. Er hatte den Entschuldigungsteddy mitgebracht. Einfach aus einer Laune raus. Und von Salome bestand auch keine Gefahr. Das hatten sie mit einem anderen Stofftier ausprobiert. Sie stand eher auf rumliegende Socken oder verkroch sich auch schon mal gerne in einer Hose, beziehungsweise in einem Pulli, der unachtsam auf den Boden geworfen worden war. Der einzige Vorteil daran war, dass Alea jetzt um Einiges ordentlicher war. Jedenfalls wenn es um seine Kleidung ging.

Und die kleine SaMo-Ratte musste heute Abend dann wohl ihm Gesellschaft leisten. Sie sollte ja nicht einsam sein.

Der Dudelsackspieler legte seine Stirn in Falten und setzte sich nochmal auf, um das Kuscheltier entgegenzunehmen. Sein Blick wurde abwesend, doch blieb starr auf den Teddy gerichtet. „Den..." begann er zögerlich, „den hast du mir geschenkt. Aber... warum?" Mit einem fragenden Ausdruck in seinen blauen Augen, wandte er sich zu dem Größeren.

Aleas Herz machte derweil einen Aussetzer und er musste sich bemühen, ruhig und gelassen zu wirken und zu bleiben. Das war doch eine Erinnerung gewesen, ganz sicher. Wie sonst hätte Luzi wissen sollen, dass das Kuscheltier ein Geschenk gewesen war?

„Ich hab mich damals für ein großes Missverständnis entschuldigt. Die Geschichte ist aber ziemlich lang und wir sollten sie vielleicht fürs Erste auf Später verschieben."

„Ja", stimme Luzi zu. Den Teddy setzte er behutsam auf den Nachttisch, sein Blick blieb aber immer noch an ihm Kleben.

„Ich lasse dich dann jetzt mal schlafen", murmelte der Sänger. Er bekam ein Nicken und verschwand dann eine Spur ZU rasch aus dem Zimmer, nicht, dass Luzi das mitbekam. Er war viel zu abgelenkt von dem Bären und seinen eigenen Gedanken.

Es war ein schreckliches Gefühl. Der Gedankengang, die Erinnerung schien zum Greifen nahe, aber egal wie sehr er sich auch bemühte und sich nach ihr ausstreckte, sie floss wie Sand durch seine ausgestreckten Finger. Es war schrecklich, frustrierend und aus irgendeinem Grund hatte Luzi obendrein auch noch das Gefühl, dass er jeden Moment in Tränen ausbrechen müsste. Er hatte keine Ahnung warum, vermutete aber, dass es Etwas mit der Erinnerung zu tun haben musste.

Nachdenklich drehte er den Kopf, sodass er auf die geschlossene Tür schauen konnte. Alea hatte gesagt, er hatte sich für ein großes Missverständnis entschuldigt. Vielleicht war er damals einfach zu Tränen gerührt gewesen, oder aber sehr verletzt. Er schürzte die Lippen. So bald würde er die Antwort wohl nicht bekommen. So ein Mist aber auch, immerhin war er eine sehr neugierige Person.

Ein Schnauben entwich dem Dudelsackspieler, der seinen Kopf wieder auf das Kissen legte. Salome war schon friedlich am Schlafen. Kein Wunder, sie war ja auch noch sehr jung und musste jetzt einen Verdauungsschlaf halten. An ihr sollte er sich mal ein Beispiel nehmen. Also legte Luzi eine Hand auf den Körper der kleinen Katze und schloss die Augen. Und zu seiner großen Überraschung, dauerte er gar nicht so lange, bis er dann friedlich eingeschlafen war.

Wenn Schicksalsschläge uns ereilenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt