14. Um Mitternacht das Siegel bricht

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Irgendetwas hatte sich verändert. Luzi wusste zwar nicht was genau was, aber er wusste, dass es eine große Veränderung war. Deswegen lag er nun auch wach in seinem Bett. Salome schnarchte ganz leise neben seinem Ohr, aber auch das beruhigte seine schnell kreisenden Gedanken in keinster Weise. Er war wach und aktiv und sein Geist arbeitete auf Hochtouren. Und obendrein fühlte er sich, als würde ihm Etwas fehlen. Eine gewisse Wärme, oder vielleicht eine Präsenz, die sonst immer in seine Nähe war.

Es dauerte auch noch eine ganze Weile, bis kurz vor Mitternacht um genau zu sein, bis er endlich herausgefunden hatte, was ihm denn fehlte. Und im Nachhinein hätte ihm das vorher schon einfallen müssen.

Mit Mühe hielt er sich davon ab, mit der flachen Hand gegen seine Stirn zu hauen. Stattdessen setzte er sich auf und schob die Decke beiseite. Salome wurde durch das Rascheln und die Bewegung wach und sah ihn missmutig aus dunklen Augen an. Sie schien ihn fragen zu wollen, was das denn sollte und warum er nicht schlief. Aber Luzi achtete nicht darauf, sondern schwang seine Beine aus dem Bett und stand schließlich auf. Für einen Moment hielt er inne und genoss das leichte Kitzeln an seinen nackten Füßen, das der Teppich verursachte. Es war sehr angenehm.

Dann schlich er auch schon aus dem Zimmer, den Flur entlang zum Gästezimmer. Dort zögerte er jedoch. Alea war wahrscheinlich schon längst am Schlafen und er wollte ihn nicht aufwecken. Andererseits würde er wahrscheinlich kein Auge zu tun, ohne den Anderen in seiner Nähe. Jedenfalls wenn seine Vermutung stimmte.

Luzi presste die Lippen aufeinander. Schon seltsam was ein paar harmlos wirkende Erinnerungen nur auslösen konnten. Er nahm einen tiefen Atemzug und blickte dann zu seinem haarigen Gefährten hinunter, Salome schlief schon fast im Sitzen ein. Wenn Alea schon schlief, dann würde er sich leise dazulegen. Sicherlich hätte der Blonde nichts dagegen.

Also nahm das L all seinen Mut zusammen und öffnete vorsichtig und langsam die Tür.

Alea lag schon die ganze Zeit wach. Er hatte seinen Kopf auf seine Arme gebettet und starrte unentwegt die Decke an. Er musste über die vergangenen Tage nachdenken. Immer mal wieder hatte Luzi sich – laut seiner Aussagen – an Etwas erinnert. Meistens nur Bruchstücke und kleinere Details. Es war ein Fortschritt, wenn es auch langsam voran ging. Aber wenigstens war der kleinere Spielmann offener ihm gegenüber geworden, das war auch schon mal einiges wert. So war er nämlich am Anfang auf totale Abneigung gestoßen und jetzt konnte er den Kleineren wenigstens ab und an mal in eine kurze Umarmung ziehen, ohne dass er angefaucht oder weggedrückt wurde. Das war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn es immer noch ein langer Weg war, den sie überwinden mussten.

Alea biss sich auf die Unterlippe. Wenn er ehrlich zu sich selber war, dann wusste er nicht, wie lange er das noch so aushalten konnte. Er war jetzt schon mit sich am Kämpfen. Denn entweder hatte er das Bedürfnis in Tränen auszubrechen oder aber er wollte das Kleine L in eine Umarmung ziehen und ihn am liebsten küssen und nie wieder loslassen. Aber das konnte er Beides nicht. Nicht, wenn Luzi ihn brauchte und auf ihn zählte. Aber wie lange hielt er das noch aus?

Der mitleidige Blick den der Schwarzhaarige ihm letztens zugeworfen hatte, war schon zu viel gewesen. Daraufhin hatte er das L tatsächlich an seine Brust gezogen, aber nur damit dieser die Tränen nicht sah, die daraufhin seine Wangen hinuntergerollt waren. Und zu seiner Überraschung hatte Luzi ihn nicht weggedrückt, sondern die Umarmung erwidert. Das hatte dann nur dazu geführt, dass noch mehr Tränen ihm entwicht waren.

Er wurde je aus den Gedanken gerissen, als sich die Tür zu seinem vorübergehenden Zimmer öffnete und ein gewisser Dudelsackspieler leise und vorsichtig hineintrat.

„Luzi?" fragte er verwundert und richtete sich auf. „Was ist los?"

„Ich..." er trat erst einmal weiter in den Raum, wartete bis sein Haustier ihm gefolgt war und schloss dann die Tür. „Ich... kann nicht schlafen. Darf... darf ich bei dir bleiben?" Er konnte es selbst kaum fassen, dass er das gerade tatsächlich gefragt hatte.

Auch Alea war baff und konnte erst einmal den Anderen nur mit großen Augen und offenem Mund anstarren. Dann schüttelte er rasch seinen Kopf und antwortete schnell: „Natürlich. Gerne." Sofort robbte er ein wenig zur Seite, sodass der Kleinere auch genug Platz hatte.

Luzi, der mehr als peinlich berührt war und die Reaktion des Anderen gesehen hatte, kam zögerlich auf das Bett zu. Warum nur, war er so nervös? Er biss die Zähne zusammen und schlüpfte unter die schon vorgeheizte Decke und legte seinen Kopf auf das weiche Kissen. Es roch stark nach dem Sänger und irgendwie wirkte das beruhigend auf den Tätowierten, der noch einen raschen Blick auf den Blonden warf. Salome war inzwischen bei der Tür wieder eingeschlafen.

Und Alea sah zu dem Jüngeren hinunter, bevor er sich auch langsam wieder hinlegte. Das war eine seltsame Situation. So gewohnt, aber eben auch ungewohnt, paradox halt. „Alles gut?" fragte er deshalb. Luzi hatte sich mit dem Gesicht zu ihm gewandt und so machte Alea es ihm dann auch nach.

„Ja", er wirkte verloren, schien aber selbst nicht genau zu wissen, was ihn denn plagte. Also beschloss der Größere es für den Moment einfach gut sein zulassen. Stattdessen schloss er die Augen, in der Hoffnung dass die Anspannung des Anderen nachlassen würde, wenn er so tat als würde er schlafen. Und tatsächlich. Es dauerte gar nicht mal so lange, zwanzig Minuten etwa, bis sein kleines L dann ins Reich der Träume abgedriftet war.

Der Blonde nutzte auch prompt die Gelegenheit. Er stützte sich auf einem Arm ab und blickte auf die entspannten Gesichtszüge seines Liebsten. Und obwohl er es eigentlich besser wusste, streckte er seine freie Hand aus und strich zärtlich über die Wange seines Lieblingsmenschen. Er vermisste die Nähe, das Kuscheln, die Küsse und natürlich auch den Sex. Wobei Letzteres einen nicht so hohen Stellenwert wie die anderen Dinge hatte. Es war zwar ein sehr netter Zeitvertreib, aber im Grunde wollte er doch nur seinen Ehemann wieder haben, um seine Nähe und Liebe wieder spüren und erleben zu können. Danach sehnte er ich. Aber wenn Luzi nur dazu bereit war, sich mit einem gewissen Abstand neben ihn zu legen, dann musste Alea sich fürs Erste wohl damit zufrieden geben. Ändern konnte er es vorerst sowieso nicht, jedenfalls nicht auf die Schnelle.

Der Sänger seufzte und legte sich wieder ordentlich hin. Es würde auch Nichts bringen den Rest der Nacht wach zu verbringen und seinen Geliebten anzuschmachten, wohlwissend, dass Nichts laufen würde. Er brauchte schließlich genauso seinen Schlaf wie jeder andere Mensch. Also schloss er die dunklen Augen und versuchte ebenfalls einzuschlafen. Aber mit Luzi neben ihm, klappte das auch wieder viel besser.

Wenn Schicksalsschläge uns ereilenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt