Noch eine gefühlte Ewigkeit, nachdem die mintfarbene Doppeltür mit kleinem Fenster zum OP-Saal zugefallen ist, starre ich darauf, als würde ich erwarten, dass sie mir Antworten auf die vielen Fragen in meinem Kopf geben könnte. Ich ignoriere Scott, der neben mir steht, einfach komplett, ihn und seinen geschockten Blick. Eine Weile scheint sogar er, der so redegewandte Leitwolf, nicht zu wissen, welche Worte er wählen soll.
„Chloe...", beginnt er dann stotternd. Ich hebe vorsichtig meinen Blick und sehe in seine braunen Augen, die schon immer so beruhigend und trostspendend waren. Auch, wenn ich Scott nie abkonnte, habe ich immer für seine Augen geschwärmt. „Du lebst..."
„Sieht so aus, hm...?", bringe ich mit fast heiserer Stimme hervor. Für ein paar Sekunden herrscht Stille. Dann stellt Scott die elementare Frage, vor der ich die ganze Zeit über Angst hatte.
„Was ist passiert?"
Drei Tage, nachdem Jiwon mich fand, stellte er mir exakt die gleiche Frage. Ich hatte in einem charmanten, kleinen Zimmer gelegen, die Wände waren in einem zarten rosa gestrichen, Parkettboden, Möbel aus Holz, ein Bett mit der weichsten Matratze, auf der ich in meinem ganzen Leben je gelegen hatte. Das Frühstück, dass mir jeden Morgen um Punkt 8 Uhr gebracht wurde, lag auf einem Tablett auf meinem Schoß und Jiwon war hereingekommen, als ich mich gerade über das Rührei hermachte. Nachdem er das gefragt hatte, folgten viele Minuten, ich weiß nicht wie viele, in denen wir uns einfach in die Augen schauten, in denen jeder seinen nächsten Schritt genau abwog. Ich entschied, ob ich ihm so weit vertraute, dass ich ihm meine Geschichte erzählte und er überlegte, ob er dieses wildfremde Mädchen weiter bei sich beherbergen sollte.
Ich wusste, dass ich reden musste und das war das Letzte mal, dass ich einem Fremden mein Vertrauen schenkte. Ich erzählte Jiwon alles. Er nickte nur, nahm jedes Wort auf und als ich dann schließlich endete, sagte er mit seiner tiefen, rauen Stimme „Okay" und verließ den Raum.
Noch Stunden danach dachte ich nach, fragte mich, was er wohl denkt, zu welcher Entscheidung er wohl kommen würde.
Wir sprachen in den darauf folgenden Monaten, in denen er mich wieder aufbaute, nie wieder über meine Vergangenheit. Höchstwahrscheinlich deswegen, weil Jiwon mir immer predigte, ich solle die Vergangenheit ruhen lassen, doch die Gier nach Rache konnte er nicht abwürgen oder gar Ersticken. Ich wollte mich immer an Theo rächen. Dafür, dass er mich umgebracht hat.Und jetzt stehe ich hier und bange um sein Leben. Dabei sollte ich in diesen blöden Saal hineinstürmen und ihm die Kehle herausreißen.
„Ich möchte nicht darüber sprechen", sage ich unsicher und blicke zu Scott auf. Wenn einer dafür Verständnis hat, dann er.
„Chloe..." Er seufzt. „Wir dachten, du bist tot. Du bist uns allen eine Erklärung schuldig. Auch, wenn du die Details nicht erläutern willst. Ich will wissen, wie du überlebt hast."
Nun bin ich diejenige, die seufzt. „Theo hat einen alten Feind von mir beauftragt, mich zu töten. Sie haben mich bis in den Wald verfolgt und-" Ich stocke und schüttle den Kopf. Mein Mund wehrt sich, dieses Szenario weiter zu beschreiben. „Ich wurde gefunden und in eine Art Internat oder Heim aufgenommen, wo ich wieder auf die Beine gebracht wurde. Ja, ich wäre fast gestorben, aber... ich stehe hier. Und lebe ja anscheinend." Und in diesem Moment fällt mir nichts besseres ein, als Scott matt anzulächeln, auch wenn jetzt eher eine ausdruckslose Miene passend wäre.
Scott jedenfalls scheinen die Worte zu fehlen. Er fährt sich durch die dichten, dunklen Haare und atmet hörbar aus. „Scheiße."
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The Truth 2 》Theo Raeken
Fanfiction[Fortsetzung zu "The Truth"] Ihre Beine waren rot, so sehr floss das Blut. Sie sah vom Waldboden auf die dreckigen Sohlen seiner Sneaker, darunter klebte sogar ein Kaugummi. Doch in diesem Moment konnte und wollte sie nicht aufgeben. Sie kämpfte.