2 ~ Bekannte aus den Schatten

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Ich weiß, dass meine Zeit heute in Beacon Hills begrenzt ist. Ich soll vor Sonnenaufgang Zuhause sein.

Als erstes schleiche ich zu meinem alten Zuhause, ich will sehen, wie es Mom geht. In meinem Abschiedsbrief habe ich gesagt, dass Scott ihr sicherlich alles erklären wird. Sollte er das getan haben, frage ich mich, was er unter 'alles' definiert. 

Doch als ich in unsere Straße einbiege, finde ich nicht irgendwelche Lichter vor, oder den schwarzen Kia. Nur eine eingetretene Haustür. Meine Augen weiten sich vor Schreck und mir wird heiß und kalt gleichzeitig.

"Mom...", hauche ich, dann laufe ich wie ein Zombie auf das Haus zu. Mit meinen schwarzen Turnschuhen trete ich über die mittlerweile kaputte, rote Tür und gleich funkeln mir Glasscherben entgegen. Der Spiegel im Flur wurde eingeschlagen, mit einer bloßen Faust, das erkenne ich an dem getrockneten Blut darin.

"Was ist hier nur passiert..."

Im Wohnzimmer bietet sich mir ein Bild von einem Schlachtfeld nach dem Kampf. Einer der so gemütlichen, roten Sessel ist nach hinten gekippt und man sieht seine staubige Unterseite. Der andere ist eingerissen, weißer Stoff drückt sich aus den feinen Öffnungen. Das hier ist das Werk einer Klaue.

Auch der riesige Flachbildschirm unseres Fernsehers ist zerstört, darin steckt das glänzende, große Messer aus der Küche, mit dem Mom immer das Gemüse geschnitten hat.

Kein Raum ist verschont geblieben. In der Küche finde ich Blutspuren, im Flur weitere, umgemietete Möbel und auf der Treppe lauter Papierstapel, zerfleddert, als hätten tausende Messer sie massakriert.

Ich habe mich geirrt. Ein Raum ist verschont geblieben. Mein ehemaliges Zimmer. Der Anblick raubt mir den Atem.

Meine fliederblauen Wände sind in dem Kerzenlicht deutlich zu erkennen. Mein Laptop steht auf meinem Schreibtisch, so, wie ich ihn vor über einem halben Jahr zurückgelassen habe. Mein Kleiderschrank ist geschlossen, auf den Schranktüren sind weder Kratzspuren, noch Blutspritzer zu Sehen. Mein Bett ist gemacht. Auf meinem Schreibtisch, auf meinem Bett, meiner Kommode und auf dem ganzen Boden liegen kleine Teelichter, die fröhlich vor sich hin flackern. Über meinem Bett hängen Fotos an der Wand, von den verschiedensten Personen. In der Mitte ein großes Plakat, mit der Aufschrift: Wir werden dich niemals vergessen.

Geschätzte 50 Leute haben ihr Foto um dieses Plakat herum geklebt, Scott, Stiles, Malia, Liam, Kira... Und ich habe sie wie den letzten Dreck behandelt und mit dem Teufel gekuschelt.

Ich kann nicht verhindern, dass eine einzelne Träne über meine Wange rennt.

"Man sagt, man hat nur ein Leben. Das stimmt." Ich setze mich auf mein Bett und stelle einige Teelichter auf meinen Nachtschränkchen.

"Das, was ich hier auslebe, ist die Zeit nach dem Leben. Der Ort, an dem man für die Sünden im Leben büßen muss. Das Fegefeuer. Ich sollte gar nicht mehr am Leben sein. Das hier ist mein Fegefeuer."

Ich betrachte die Fotos, sie stammen von dem Rudel, aber auch von Menschen, die ich aus der Schule flüchtig kannte. Aber ganz abseits, weit weg von allen anderen hängt noch ein Foto. Darauf ist Theos Gesicht abgebildet, er strahlt in die Kamera, doch hat er unter das Foto mit Edding Fake geschrieben.

"Ja, du bist hier der Fake." Ich schnaube und nehme es ab. Ich drehe es ein wenig zwischen den Fingern und bemerke, dass auf der Rückseite noch etwas steht.

I'm sorry.

The Truth 2 》Theo RaekenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt