Home Sweet Home

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Ich parkte am Rand der kleinen Nebenstraße, die in eine Sackgasse führte. Meine Wohnung lag im zweiten Stock eines Hauses, in dem bloß vier Familien wohnten – ich galt als eine. Somit kannte man sich und unterhielt sich oft, wenn man im Hausflur aufeinander traf. Das Haus selbst stand inmitten einer Siedlung. Um es herum standen bloß Einfamilien-Häuser in denen immer Ehepaare mit mindestens einem Kind wohnten. Ansonsten war es schön grün. Blumenreiche Vorgärten, gepflegte Rasen. Es war der perfekte Ort um Kinder großzuziehen.
Jensen und ich stiegen aus. Wie ein Gentleman holte er unser Gepäck aus dem Kofferraum und trug sie bis in den zweiten Stock, in meine kleine, aber feine Wohnung hinein. Als er es mitten im Flur abstellte und vorsichtig in das Wohnzimmer schielte, nickte er zufrieden.
„Ich denke, hier kann ich es aushalten.", meinte er und streifte im Alleingang durch meine vier Wände. Für mich war es okay. Er konnte hier herumschnüffeln, wie er wollte. Immerhin hatte ich es in irgendeiner Art und Weise auch in seinem Haus getan.
Während er sich noch umsah, setzte ich mich als erstes auf meine weiche Couch. Man, hatte ich sie vermisst! Zwar war Jensens Couch super gemütlich, aber was sagte man so schön: "Home sweet home"? Bei Jensen fühlte ich mich wohl, aber hier war ich zu Hause. Alles war vertraut. Jede Kleinigkeit. Ob das schiefe Wandtattoo oder der kleine Riss in der Wand, den ich notdürftig mit einem Familienfoto abgedeckt hatte. Ich wollte dieses Gefühl um keinen Preis missen.
„Deine Wohnung ist wirklich schön.", schwärmte Jensen. Er trat aus der Küche, von der man aus zwei Zimmern hineinkonnte, in das Wohnzimmer hinein. Sein Blick ging zu dem kleinen Balkon, dann zu der haselnussfarbenen Wohnwand und dann auf meine Couch, die ebenfalls die gleiche Farbe hatte.
Mir fiel auf, das meine Wohnung viele Erdtöne hatte. Nicht zu viele. Vielleicht höchstens drei unterschiedliche Varianten. Ansonsten war das kleine Badezimmer in einem Violettton gestrichen und die Küche war in einem schlichten Grau gehalten. Alles in einem bot sich hier eine warme Atmosphäre. Pflanzen hatte ich keine. Egal was ich auch tat, sie wuchsen bei mir immer sehr... "knusprig".
Der Schauspieler ließ sich neben mich auf die Couch fallen. „Also-.", begann er. In seiner Stimme lag etwas Unsicherheit. „wegen gerade.".
Ich sah ihn verwirrt an.
„Heathers Frage, ob wir-. Du weißt schon.", erklärte er, als er meinen Blick bemerkte.
„Oh.", machte ich nur und nickte. Unweigerlich klopfte mein Herz etwas schneller. Was er wohl sagen würde?
Jensen kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ähm.", machte er nur. „Also... was denkst du darüber?... Also ob wir beide... na ja... zusammen sind, meine ich.". Der Schauspieler schluckte. Auf sein schauspielerisches Talent konnte er nicht zugreifen. Dafür war er zu nervös. Auf seinem Gesicht spielte sich also Verunsicherung ab. Ich wusste nicht wieso, aber das beruhigte mich etwas. Es zeigte mir, dass er genauso unsicher darüber war wie ich.
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter. „Ich weiß nicht.", gestand ich. „Nur weil wir uns geküsst und miteinander geschlafen haben heißt das ja nicht automatisch, dass wir zusammen sind.".
Jensen presste die Lippen aufeinander und nickte, sah aber auf den niedrigen Wohnzimmertisch vor uns. „Richtig.", meinte er und seufzte dann lautlos. Indem wandte er sich wieder mir zu und blickte mir prüfend in die Augen. „Würdest du denn gerne mit mir zusammen sein?", kam seine Frage stoßweise, als würde hinter jedem Wort ein Punkt stehen.
Wollte ich das?... Oh, was war das für eine Frage? Was für eine Frau wäre ich gewesen, wenn ich seine Frage verneint hätte? Also nickte ich und lächelte. Natürlich wollte ich mit diesem Gott von einem Mann zusammen sein!
Jensen schien ein Stein vom Herzen zu fallen. „Also macht es dir nichts aus, wenn ich dich jetzt küsse?", fragte er leise, woraufhin sein Blick kurz zu meinen Lippen huschte und dann wieder in meine Augen fiel.
Ich schüttelte mit dem Kopf. Daraufhin rückte der Schauspieler näher an mich heran, platzierte seine Hände an meinen Wangen und drückte seine samtweichen Lippen auf meine. Förmlich schmolz ich dahin. Ich genoss den Kontrast seiner weichen Lippen und den kratzigen Bartstoppeln. Sein Geschmack war atemberaubend und machte süchtig. Viel zu schnell löste er sich wieder von mir und strich mir mit einem sanften Blick eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Dabei streiften seine Fingerspitzen federleicht meine Haut, sodass ich erschauderte.
„Hast du Hunger?", fragte ich. Immerhin war es bereits Zeit um zu Abend zu essen.
„Nicht auf essbares.", erwiderte er und grinste dreckig. Ich wusste nicht ganz, ob er aus dem Hausfrauenroman "Shades of Grey" zitierte, oder ob ihm diese freche Antwort selber eingefallen war. Egal was es war, es war definitiv eine schwache Antwort. So rollte ich mit den Augen, konnte mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Dann erhob ich mich und schlenderte ich die Küche hinein.
Ich hörte, wie Jensen mir folgte, doch ich beachtete ihn nicht. Stattdessen öffnete ich den Kühlschrank und spähte hinein. Wirklich viel Auswahl war nicht vorhanden, denn ich hatte so gut wie alle Sachen entweder gegessen oder weggeschmissen, bevor ich zu Jensen nach North Bay geflogen war. Somit mussten wir uns wohl zwischen einem Glas saurer Gurken, Ketchup und Toastbrot, das sich im kleinen Kühlfach befand, entscheiden. Es würde also darauf hinauslaufen, dass wir Pizza bestellen würden.
Auf einmal umschlangen mich zwei starke Arme und drückten mich an einen warmen Körper. Da Jensen bloß ein graues, dünnes T-Shirt an hatte, spürte ich jeden seiner Muskeln an meinem Rücken. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und spähte ebenfalls in den Kühlschrank.
„Was eine schlechte Auswahl.", murmelte er, sodass ich das Vibrieren seiner Kehle auf meiner Schulter fühlen konnte. Dann nahm er sein Kinn von meiner Schulter und begann sanft meinen schutzlosen Hals mit federleichten Küssen zu bedecken.
Ich liebte es am Hals geküsst zu werden. Meinetwegen hätte er es stundenlang machen können.
Es war beinahe mit den Händen greifbar, wie Jensens Lust sich steigerte. Seine Küsse wurden härter und seine Hände fuhren meine Kurven nach. Mit einem Mal packte er mich und drehte mich in seinen Armen um, sodass ich direkt vor ihm stand. Er ließ mir keine Zeit, um mich mental darauf vorzubereiten. Blitzartig bückte er sich und hievte mich mit Leichtigkeit auf seine Schulter. Vor Schreck quiekte ich einmal auf, doch kicherte dann.
„Ey!", lachte ich und schlug einmal mit der Hand auf seinen Rücken, doch das störte den Schauspieler nicht.
Mit der freien Hand schloss er die Kühlschranktür und trat dann hinaus in den Flur. Dann ging er nach rechts.
„Falsche Richtung.", kommentierte ich. Wäre er durch die Tür gegangen, wären wir im Badezimmer, statt im Schlafzimmer gelandet.
Abrupt wendete Jensen. „Weiß ich doch.", nuschelte er und steuerte schließlich die Schlafzimmertür an, die er mit einem Ruck aufzog und mich in einem Bruchteil einer Sekunde einfach auf das Bett warf. Der Aufprall war noch nicht ganz abgefedert, da stürzte sich der gierige Schauspieler auch schon auf mich und lag halb auf mir. Er küsste meine Lippen, biss zärtlich in sie hinein. Seine Hände schienen überall zu sein. Sie erforschten jeden noch so kleinen Zentimeter meines Körpers – jedenfalls kam es mir so vor.
Jensen stöhnte leise, als ich meine Finger in seine Haare grub und leicht daran zog. Er erwiderte meine Geste, indem er seine Hand an meine Kniekehle legte und er mein Bein über seine Schulter schob, während er von meinen Lippen abließ und sanft in meinen Bauch biss.
Ich kicherte etwas. Dies kommentierte er mit einem schelmischen Grinsen und streifte sich in einer flüssigen Bewegung das T-Shirt vom Leib. Lange blieb mir nicht, um mich an diesen atemberaubenden Anblick zu gewöhnen, denn schon begann er meinen Hals zu küssen. Ich wandte mich unter ihm, schloss die Augen und biss mir ab und zu selbst in die Unterlippe, während ich meinen Kopf in den Nacken legte.
Ich wusste gar nicht, was mit mir geschah. Irgendwie und irgendwann fand ich mich dann nackt unter ihm wieder. Dann ging alles so schnell. Er streifte sich ein Kondom über, drang ich mich ein und trieb mich in wenigen Minuten zu einem überragenden Orgasmus.
Völlig erschöpft rollte sich Jensen von mir herunter und rang nach Luft. Blind tasteten seine Hände nach der Bettdecke, die er halb über unsere verschwitzten Körper legte. Ich blickte an die Decke und musste erst einmal herunterkommen. Nur halb bekam ich mit, wie Jensen mir einen federleichten Kuss auf meine nackte Schulter hauchte und mich dann in seine Arme zog. Er hielt mich und drückte mir noch einen Kuss aufs Haar, nachdem ich meinen Kopf auf seiner Schulter gebettet hatte. Wie in Trance malte ich mit meinem Zeigefinger kleine Kreise auf seine Brust oder malte die länglichen Hügel seiner Schlüsselbeine nach.
Für eine kleine Ewigkeit sagte keiner etwas. Es gab nur ihn und mich in diesem warmen, gemütlichen Bett. Die Welt da draußen schien nicht mehr zu existieren, als wären wir in einer Blase gefangen. Doch jede noch so wunderschöne Situation findet einmal ihr Ende.
„Wie soll es eigentlich weitergehen?", fragte ich schließlich.
Jensen runzelte fragend die Stirn. „Was meinst du?".
„Na, das mit uns.", meinte ich. „Irgendwann bist du wieder in North Bay und ich bin hier.".
„Hm.", machte Jensen und schien zu überlegen. „Wir könnten eine Fernbeziehung führen.".
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Du weißt genauso gut wie ich, dass das schief gehen wird.".
„Hm... ja.", meinte er der Schauspieler und kratzte sich einmal an seiner Schläfe. „Aber ansonsten wüsste ich nichts.".
„Eben.", erwiderte ich.
Dann war es still. Aber nur für ein paar Augenblicke.
„Du könntest bei mir einziehen.", schlug Jensen vor und drückte mich noch enger an sich. Ein weiterer Kuss landete auf meinem Haar.
Ich seufzte. „Jensen.", hauchte ich. „Ich habe mir hier was aufgebaut. Hier wohnt mein Bruder mit seiner Frau, ich habe hier meinen Job, mit dem ich zufrieden bin und ich habe hier all meine Freunde.".
„In North Bay wirst du neue Freunde finden. Und einen Job, wenn du das willst.".
„Was meinst du mit 'wenn du das willst'?".
Jensen schnaufte belustigt die Luft aus. „Na ja, du brauchst nicht zu arbeiten.", erklärte er. „Ich habe genug Geld.".
Ich wusste nicht ganz, was ich sagen sollte. Mir gefiel die Idee nicht. Ich war unabhängig und brauchte sein Geld nicht, immerhin konnte und wollte ich arbeiten! „Hm.", machte ich nur. Dann herrschte wieder kurzes Schweigen.
Jensen seufzte. Er drückte seine Nase und seinen Mund in mein Haar und murmelte: „Aber lass uns erst darüber reden, wenn es so weit ist, okay?".
Ich schluckte. „Okay.".

Wie Rome und JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt