Klopf, klopf, klopf!
„Mhhhh.", brummte ich und schlug meine tonnenschweren Augen auf. Ich richtete mich auf und blickte auf die Uhr. Es war gerade einmal halb sieben in der Früh! Und ich hatte heute – glücklicherweise – meinen freien Tag. Jemand anderes konnte sich am Tag der Eröffnung den Arsch aufreißen. Also wenn es nicht wichtig war, konnte dieser Jemand etwas erleben!
An meiner Wange klebte etwas, es knisterte als ich mich aufrichtete. Verwirrt zog ich das zerknitterte Blatt Papier von meiner linken Gesichtshälfte und realisierte, dass ich auf Jensens Brief geschlafen hatte. Plötzlich klopfte es erneut. Nun noch lauter und noch eindringlicher. Völlig genervt quälte ich mich aus meinem weichen, gemütlichen Bett und schlufte Richtung Wohnungstür. Dabei glitt mein Blick kurz in den Spiegel.
Ich sah schrecklich aus! Meine Haare waren total zerzaust und unter meinen Augen waren tiefe Schatten zu sehen. Doch das schlimmste war, dass der Brief, auf dem ich geschlafen hatte, Spuren hinterlassen hatte. Nun klebte "Jensen" spiegelverkehrt auf meiner linken Wange.
Erneut klopfte es.
„Ja, ich komme! Moment!", rief ich total schlaftrunken und rubbelte mit den Fingern über meine Wange. Nur minimal wurde die Schrift blasser. Wenn ich Zeit habe muss ich das wohl mit Seife abwaschen, dachte ich und versuchte hektisch meine strubbeligen Haare zu bändigen, während ich zu Tür tapste. Dann zupfte ich einmal an Jensens T-Shirt herum, das mehr von meinen Oberschenkeln freigegeben hatte, als ich wollte.
Ohne durch den Türspion zu blicken, machte ich auf und erstarrte. Hätte ich mal vorher nachgesehen, wer sich vor der Tür verbarg. Gerne hätte ich die letzten Sekunden noch einmal durchlebt. Aber es war zu spät.
„J-Jensen?", quiekte ich und machte große Augen.
Der Schauspieler sah etwas gehetzt aus. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, sein Atem ging stoßweise. Sein hellgrauer Pullover und die helle Jeanshose waren total zerknittert, als hätte er sie aus den Tiefen seines Kleiderschrankes hervorgezogen. Er machte große Augen und öffnete seinen Mund ein Stückchen. Scheinbar war er nicht darauf gefasst gewesen, dass man ihm öffnete. Und das hätte ich auch ganz sicherlich nicht getan, wenn ich vorher gewusst hätte, wer vor meiner Tür stand!
„Was machst du hier?", fragte ich im Flüsterton, da er nichts sagte.
Der Schauspieler stand einfach nur da. Sein flehender, sehnsuchtsvoller Blick war auf mich gerichtet. Nach einer halben Ewigkeit hielt er etwas hoch, was er scheinbar schon eine lange Zeit in den Händen gehalten hatte. Es war das Foto, das Tommy am Silvesterabend von uns gemacht hatte. Allerdings war es ziemlich zerknickt, beinahe als hätte der Schauspieler es voller Wut zusammengeknüllt, in irgendeine Ecke geworfen und es versucht, nach seinem Wutanfall, die Schäden wieder zu reparieren, indem er es tausendmal glattgestrichen hatte. Sogleich schoss mir das Bild in den Kopf, wie er völlig aufgelöst in die Küche kam, das Foto ansah und es mit einem Ruck vom Kühlschrank entfernte. Wie er voller Wut, Trauer und Enttäuschung das Bild in seinen Händen zerknüllte und es einfach von sich schmiss. Wie er auf eine der Küchenstühle fiel und jämmerlich weinte, als wäre seine Welt in Scherben zerfallen. Und wie er schluchzend das Foto wieder aufhob und bereute, was er getan hatte.
„Ich-.", setzte der Schauspieler an und schluckte. Er hatte sich wohl nicht überlegt, was er sagen wollte. Verzweifelt schien er nach Worten zu suchen, die ihm einfach nicht einfallen wollten. Kurz spiegelte sich in seinem Gesicht Verwirrung wider. Dann schüttelte er den Kopf. Ein Tränenfilm schimmerte in seinen Augen. „Bitte.", hauchte er bloß. Es war das jämmerlichste, verzweifelste "Bitte", was ich je in meinem Leben gehört hatte. Es jagte mir eine Gänsehaut über den Körper, da seine Stimme so brüchig und heiser klang.
Ich seufzte. Ich durfte mich durch sein Auftreten nicht einschüchtern lassen! „Jensen, was willst d-?".
„Das Foto.", unterbrach er mich ohne seinen starren Blick von meinen Augen zu nehmen. „Ich... ich will, dass du es nimmst.".
„Was?", fragte ich verwirrt.
Jensen schluckte und leckte sich einmal flink über die Lippen. „Vielleicht hilft es dir.", versuchte er es zu erklären, aber man sah an seinem Gesicht, dass er scheinbar nicht wirklich wusste, weshalb er genau hier war. Wahrscheinlich hatte er es als Ausrede genutzt, um mich zu sehen und hatte sich deshalb irgendetwas eingeredet.
„Helfen bei was?", fragte ich ihn immer noch verwirrt und versuchte unauffällig die Spuren des Briefes auf meiner Wange zu beseitigen, indem ich mit den Fingern darüberwischte. Natürlich war ich mal wieder auffällig unauffällig.
Der Schauspieler ließ seinen Arm sinken und drehte das Foto in seinen Fingern herum. Dann deutete er mit der anderen Hand kurz auf mein Gesicht und sagte dann tonlos: „Du hast meinen Brief also bekommen.".
Nun schrubbte ich etwas fester. Keine Ahnung, ob es etwas brachte. Ich spürte nur die brennende Hitze auf meiner Haut, die durch die Reibung entstanden war. Es würde nichts bringen es zu leugnen, weshalb ich einfach nur nickte.
„Und?", fragte Jensen und hielt angespannt die Luft an.
„Was und?", stellte ich die Gegenfrage. Mir war wohl anzusehen, dass ich noch ziemlich verschlafen war. Ich brauchte erst mal eine Tasse Kaffee, vorher würde mein Gehirn nicht richtig arbeiten können.
„Wie lautet deine Entscheidung?", fügte er hinzu.
Nicht ganz wusste ich, was ich antworten sollte. Alles worum er in dem Brief gebeten hatte, war ein Gespräch. Natürlich unter dem Vorsatz, dass ich mir überlegte, ob ich mit ihm zusammen sein wollte... Und ja, ich hatte eine Antwort gefunden. Es geschah nicht in meinen Träumen. Oder als ich den Brief gelesen hatte. Es geschah in dem Moment, als ich Tür geöffnet hatte und den aufgelösten Schauspieler vor mir sah.
Ich seufzte. Dann schüttelte ich mit dem Kopf. „Ich kann nicht.", hauchte ich.
Man hörte förmlich Jensens Herz, das abermals in tausend Scherben zersprang. Scheinbar hatte er sich meine Antwort etwas anders vorgestellt. Tieftraurig senkte er den Blick. Dann schüttelte er ungläubig den Kopf. „Nein.", wisperte er. „Nein, das glaube ich nicht.".
Ich knabberte auf meiner Unterlippe herum. Verdammt, was wollte dieser Mann hören, damit er begriff, dass es vorbei war?!
„Ich will es nicht glauben.", fuhr der Schauspieler ungehindert fort. „Ich liebe dich, ich kann dich nicht verlieren... Bitte. Unsere Zeit kann dir doch nicht vollkommen egal gewesen sein!".
„Pscht.", machte ich, da er zum Ende hin lauter geworden war. Er würde noch die Nachbarn aufwecken! Daraufhin seufzte ich genervt auf. „Sieh' es ein, Jensen.", zischte ich. „Es ist vorbei. Bitte, geh jetzt.". Indem wollte ich meine Wohnungstür schließen, doch der Schauspieler stellte blitzschnell einen Fuß dazwischen. Wütend öffnete ich die Tür wieder und wollte mich lauthals aufregen, als Jensen einen Schritt auf mich zumachte und blitzschnell seine Lippen auf meine legte.
Ein Kuss war noch nie so voller Verzweiflung gewesen. Er legte all seine Trauer, all seinen Schmerz in seine Lippen hinein, die meine so leidenschaftlich küssten, dass mir für einen Augenblick die Luft wegblieb. Als er seine Hand an meine Wange legte und er so nahe an mich herantrat, dass sich unsere Oberkörper berührten, vernahm ich das erste Mal in meinem Leben meine innere Stimme. Sie war so laut, dass ich mich sogar etwas erschrocken hatte. Sie schrie: "Nein!", von den Tiefen meines Herzens.
Ich verzog das Gesicht und stemmte meine Hände gegen Jensens Brust. Dann schob ich ihn mit einem Ruck von mir weg und sah ihn wütend an. Der Schauspieler war so erschrocken, dass er zwei Schritte zurücktaumelte und mich entsetzt ansah, als hätte ich ihn gerade geohrfeigt. Sein Mund war leicht geöffnet, in seinen grünen Augen sah ich Trauer, Enttäuschung, aber hauptsächlich Angst. Angst davor, was ich als nächstes sagen und tun würde.
Als alles seinen Anfang genommen hatte, hätte ich nie gedacht, dass ich Jensen Ackles einmal abweisen würde. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich nicht mit ihm zusammen sein wollte. Doch ich musste es tun. Einfach aus dem Grund, weil ich ihn liebte.
„Ich kann das nicht, Jensen. Es tut mit leid.", versuchte ich mich zu erklären. Erstaunlich fest klang meine Stimme. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein.".
„A-aber-.", haspelte der Schauspieler, doch ich unterbrach ihn.
„Du wirst jemand anderes finden.", versprach ich. „Du wirst eine Frau finden, die deine Eltern mögen und die in deine Welt passt. Aber ich tu es nicht, verstehst du?... Ich muss dich gehen lassen. Einfach, weil ich dich liebe und weil ich das Beste für dich will. Und das Beste bin ich nicht... Ich gehöre hierher, nach Dallas, in diese winzige Wohnung und einem mageren Gehalt mit dem ich jeden Monat gerade so über die Runden komme... Und du hast dein Leben. Dein Leben mit dem ganzen Reichtum und dem Ruhm. Ich würde es nicht aushalten in deiner Welt zu leben und du würdest es nicht in meiner Welt aushalten... Also machen wir uns nichts vor, wir gehören nicht zusammen... Ich werde diese Zeit niemals vergessen. Aber sie ist Vergangenheit.". Ich seufzte. Mir waren die Tränen gekommen. Bevor meine Stimme entgültig brach, sagte ich den entscheidenen Satz. „Und jetzt geh' bitte aus meinem Leben und komm' nie wieder zurück.".
In Zeitlupe schloss ich die Wohnungstür und lehnte mich mit dem Rücken an sie. Hinter mir, im Hausflur, hörte ich ein leises Schluchzen. Keinen Wimpernschlag später vernahm ich die langsamen Schritte, die der Schauspieler machte und sich immer weiter aus meinem Leben entfernte – für immer. Es dauerte eine Weile bis die Haustür ins Schloss fiel. Dann weinte ich – das letztes Mal in meinem gesamten Leben – über den Schauspieler. Es war wohl das Schicksal, das mich in diesem Moment an die Zeilen eines Liedes erinnerte: „If you love me, let me go!".THE END
DU LIEST GERADE
Wie Rome und Julia
Fanfiction„Weißt du.", sagte er mit zitternder Stimme, die verriet, dass er jeden Augenblick in Tränen hätte ausbrechen können. „Ich dachte, das mit uns wäre etwas besonderes. Ich dachte wirklich, wir hätten eine Zukunft... Wir zwei, in Dustins Haus... mit ei...