3 Tage später
„Woah! Ganz ruhig!", fluchte Jensen, als ich mit einem Schwung in die Parklücke fuhr und mit einem Satz den Wagen anhielt.
Es war etwa viertel vor drei. Um drei Uhr würden uns Alec und Heather auf der Babyparty erwarten. Wir hatten also gerade einmal fünfzehn Minuten Zeit, um in dem Babygeschäft nach einem passenden Willkommensgeschenk zu suchen, es zu kaufen und anschließend zu Heathers und Alecs Ranch zu fahren.
Ich hatte völlig vergessen ein Geschenk zu kaufen. Es war mir erst eingefallen, als ich mein Outfit für die Party zusammengestellt hatte – und schon da waren wir viel zu spät dran gewesen! Nun mussten Jensen und ich notdürftig ein Geschenk im Laden finden, es einpacken und blitzschnell zu der Party kommen.
Ich riss die Autotür auf und knallte sie zu. Jensen tat es mir gleich. Er war definitiv entspannter als ich. Trotzdem joggte er hinter mir her, als ich in meinen hohen, schwarzen Pumps über den Parkplatz eilte. Dafür hätte ich einen Orden verdient gehabt! Wir stürmten so schnell in den Laden hinein, dass uns Verkäufer und Käufer verwirrt anstarrten. Doch mir war das egal. Sollten sie denken, was sie wollten.
„Wonach suchen wir eigentlich?", fragte Jensen. Er war etwas außer Atem. Wahrscheinlich weil er meinem schnellen Schritt standhalten musste, obwohl er längere Beine hatte als ich.
Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht wohin ich blicken sollte. Überall waren bunte Spielsachen, Kleidung und Accessories. Hunderte Regale! Man wusste gar nicht, wohin man als erstes gucken sollte! Hektisch versuchte ich mir einen Überblick zu verschaffen. An einem Regal voller Stofftiere blieb ich hängen und hechtete darauf zu. Jensen folgte mir. Wir quetschten uns durch eine kleine Menge Frauen mittleren Altern, die gerade einen Haufen mehrerer Strampler durchwühlten, die im Sonderangebot waren.
Meine Augen sahen sich hektisch in dem Meer von Stofftieren um. Wieso war auch so viel Auswahl vorhanden? Wie hätte man sich da entscheiden können?
„Wie wär's mit dem hier?", hörte ich Jensen hinter mir fragen und wirbelte herum.
Er hielt einen kleinen Teddybären hoch, der um seinen Hals eine rote Schleife gebunden hatte.
Ich verzog das Gesicht und schüttelte mit dem Kopf. Nein, so etwas einfaches sollte es nicht sein. Also wandte ich mich wieder von ihm ab suchte weiter. Wäre jetzt eine Verkäuferin gekommen und hätte gefragt, ob sie uns helfen könnte, wäre ich ihr wahrscheinlich an die Kehle gesprungen. Glücklicherweise geschah es nicht.
Ein kleiner Stoffhund fiel mir ins Auge. Er war personifiziert worden, hatte zwei Beine und zwei Arme und eine Art Schlafanzug an. Ich wusste nicht wieso, doch diese schwarzen Knopfaugen schienen das Richtige für meinen kleinen Neffen zu sein. Lächelnd griff ich danach und hielt ihm Jensen unter die Nase.
„Der is' es?", fragte er lächelnd und hob fragend eine Augenbraue.
Ich nickte einmal. „Der is' es.", erwiderte ich.
„Dann auf zur Kasse.", nuschelte Jensen und folgte mir, während er aus seiner Gesäßtasche sein Portemonnaie hervorholte. Schon während der Fahrt hatten wir darüber diskutiert, wer das Geschenk bezahlen wollte. Ich hatte darauf bestanden, dass ich es bezahlte, doch Jensen hatte es mir ausgeredet. Er hatte gemeint, das wäre das Mindeste, was er für mich tun konnte, da er ja bei mir schlafen durfte, während er hier in Dallas war.
Glücklicherweise stand niemand an der Kasse schlange, sodass wir flink bezahlen konnten.
„Sie können das nicht zufällig als Geschenk einpacken?", fragte ich die Verkäuferin voller Hoffnung. Doch sie schüttelte den Kopf. „Wissen Sie dann, wo ich hier in der Nähe Geschenkpapier kaufen kann?".
Die Frau blickte raus auf den Parkplatz und deutete auf einen Drogeriemarkt auf der anderen Seite der Straße. „Da drüben.", meinte sie. „Die Auswahl ist nicht gerade groß, aber es ist besser als nichts.".
„Danke.", hauchten Jensen und ich gleichzeitig. Während ich schon Richtung Ausgang hechtete, reichte der Schauspieler der Frau zehn Dollar, schnappte sich das Stofftier und rief ihr während des hinauseilens über die Schulter zu, dass sie den Rest behalten konnte.
Blitzartig stürmten wir erneut in einen Laden und rissen förmlich die benötigten Sachen an uns. Geschenkpapier und Klebeband. Mit den Sachen bepackt sprinteten wir zurück zum Parkplatz und sprangen in das Auto hinein. Da wir weniger als zehn Minuten zur Verfügung hatten, musste Jensen auf dem Beifahrersitz das Geschenk einpacken, während ich uns zur Ranch brachte.
Während ich blitzschnell den Wagen aus der Parklücke fuhr und ihn wenige Augenblicke später in den Verkehr einfädelte, riss Jensen vorsichtig das Geschenkpapier auf und trennte ein großes Stück ab. Als ich um die Ecke sauste, fluchte er, da er das Papier eingerissen hatte.
„Scheiße!", schimpfte er.
„Egal.", meinte ich. „Kleb' das einfach gleich mit Klebeband zusammen.". Indem wurde die Ampel rot und ich trat mit einem Ruck die Bremse durch, da das Auto vor mir, nicht wie erwartet noch herüber fuhr, sondern stehen blieb. Dabei flog das Kuscheltier von Jensens Schoß und knallte gegen die Windschutzscheibe, ehe es auf dem Armaturenbrett liegen blieb.
„Fahr doch vorsichtig!", fluchte Jensen und nahm das Kuscheltier wieder an sich, um es in dem Geschenkpapier einzurollen.
„Wenn der Typ einfach stehen bleibt." schnauzte ich und deutete mit der flachen Hand auf das Auto vor uns.
Jensen rollte mit den Augen. Dann seufzte er und fummelte an dem Klebeband herum. Er hatte den Anfang erst gefunden, als die Ampel auf grün schlug und wir uns wieder in Bewegung setzten.
Notdürftig riss er ein Stück mit seinen Zähnen ab und klebte den ersten Streifen auf das Papier. Als ich um eine scharfe Kurve bog, zuckte er neben mir zusammen.
„Autsch!", fluchte er und blickte auf seinen Finger hinab. Bloß aus dem Augenwinkel sah ich, dass er eine längliche Schnittwunde an seinem Zeigefinger hatte, aus der etwas Blut quoll. Scheinbar hatte er sich am Papier geschnitten. „Aua.", machte er und steckte sich den Finger kurz in den Mund.
Ich rollte mit den Augen. Männer! „Stell' dich nicht so an.", meinte ich. „Ich blute jeden Monat eine Woche lang. Siehst du mich etwa heulen?".
Jensen verzog das Gesicht und äffte mich nach: „Ich blute jeden Monat eine Woche lang. Siehst du mich etwa heulen? Mimimimimi.".
Ich lachte stumm und schlug ihm spielerisch einmal auf seinen Oberarm. „Jetzt mach' weiter.", sagte ich. „Gleich sind wir da.".
Inzwischen war die Umgebung schon ländlicher geworden. Die Gebäude und Häuser wurde immer weniger. Die Landstraße wurde breiter. Und schon bald kamen uns keine Auto mehr entgegen. Links und rechts waren bloß große, gelbliche Getreidefelder. In der Ferne sah man einen Wald, der sich scheinbar ins Unendliche erstreckte. Über uns schien die Sonne an einem wolkenlosen Himmel. Es war wirklich ein schöner Tag, um draußen zu grillen, auch wenn es mit fünfzehn Grad ein wenig frisch war. Doch ich war mir sicher, dass Alec und Heather ihre drei Heizpilze in den Garten gestellt hatten, damit keiner sich verkühlte.
In der Ferne erkannte man schon das Hauptgebäude der Ranch – das Wohnhaus. Dahinter befanden sich die Ställe und ein Schuppen, in dem alles gelagert wurde. Davor war eine riesige Weide, auf der einige Pferde grasten und sich die Sonnenstrahlen auf das Fell scheinen ließen. Einige kamen sogar neugierig an den weißen Zaun getrabt.
Als ich das Fahrzeug nach links steuerte, um auf den Kiesweg zu kommen, der zum Innenhof der Ranch führte, hatte Jensen das Geschenk endlich eingepackt und warf Papier und Klebeband einfach auf den Rücksitz. Durch den unebenen Weg wurden wir ganz schon durchgeschüttelt, doch es würde sich lohnen. Der Kies knarrten unter den Reifen und das Wiehern der Pferde drang in unser Ohr.
Auf dem Innenhof angekommen sahen wir, dass scheinbar schon einige Gäste eingetroffen waren. Überall standen Autos, qreuz und quer. Neben den Ställen, vor dem Wohnhaus. Überall.
„Scheint ja ganz schön was los zu sein.", murmelte Jensen, als er die vielen Autos betrachtete.
„Ja.", entgegnete ich und parkte den Wagen neben einem silbernen Van.
Schon von draußen hörte man viele Stimmen, die durcheinander redeten, gemischt mit Kinderlachen. Der weiße Kies knackte bei jedem unserer Schritte, als wir Richtung Wohnhaus gingen, an dessen Tür drei bunte Luftballons hingen. Ich roch bereits das gegrillte Fleisch, auch wenn der typische Ranch-Geruch – nach Stroh und Pferdeäpfeln – ziemlich dominant war. Gleich wusste ich, dass ich mich an diesen Geruch wohl nie gewöhnen würde.
Jensen und ich klingelten an und warteten. Mein Blick fiel auf das Geschenk, das Jensen von der einen in die andere Hand hin und her legte. Man merkte, dass das Geschenk mit viel Liebe, aber vorallem hauptsächlich mit Gewalt, verpackt worden war.
Ich deutete mit dem Kinn auf das bunte Päckchen. „Das sieht aus, als wären wir mit einem LKW drüber gefahren.", meinte ich.
Jensen seufzte etwas genervt, auch wenn ich nicht wusste, ob es bloß gespielt war. „Probier' du doch mal ein Geschenk einzupacken, während jemand mit deinem Fahrstil um die Ecken brettert.", erwiderte er und sah mich ernst an.
„Oh, jetzt schiebst du deine Unfähigkeit ein Geschenk einzupacken also auf meinen Fahrstil, interessant.".
„Ich bin nicht unfähig ein Geschenk einzupacken! Du bist unfähig ein Auto zu fahren!".
„Sagt derjenige, der-.".
Indem wurde die Haustür aufgemacht und Jensen und ich setzten blitzartig ein perfektes Lächeln auf.
„Hey.", hauchte Heather. „Schön, dass ihr da seid. Kommt doch rein.". Die junge Mutter trug Bran auf ihrem Arm. Der Kleine sah uns mit großen, blauen Augen an.
„Na, Großer.", hauchte Jensen und grinste meinen Neffen an. Dann hob er das bunte Packet hoch. „Guck mal, was wir dir mitgebracht haben.".
Heather grinste, ebenso wie ich. Wahrscheinlich war es die Schwäche jeder Frau, wenn Männer gut mit Kindern umgehen konnten. Doch ich riss mich von so viel Niedlichkeit los und schritt als erstes in das gemütliche Wohnhaus. Jensen folgte und drückte Heather das Geschenk in die Hand.
„Geht doch schon mal in den Garten. Ich muss noch nach der Milch von dem kleinen Kerl sehen.", meinte Heather und verschwand im nächsten Augenblick auch schon in der offenen Küche.
Ich liebte dieses Haus. Es hatte viele dunkle Holzverkleidungen und war in dem geräumigen Wohnzimmer, mit dem Kamin, ein schönes Plätzchen zum Entspannen. Direkt vom Wohnzimmer konnte man in den riesigen Garten gehen. Schon von drinnen sah man, dass der Garten mit scheinbar hunderten, bunten Ballons geschmückt worden war. Buntes Konfetti und Luftschlangen lagen auf dem Boden verteilt. Der große Tisch, der auf der gefliesten Terrasse stand, war schon voll und ganz besetzt. Frauen im mittleren Alter saßen in der Runde und unterhielten sich, während sie ab und zu von ihrem Teller aßen. Im hinteren Bereich des Gartens, auf dem grünen Rasen, hatten sich die Männer versteckt. Sie tranken Bier und standen um den Grill herum, der schon voll und ganz in Betrieb war. Ich erkannte meinen Bruder, der am Grill stand und die Bratwürstchen wendete. Neben ihm stand Rolf mit seinem Bier und redete mit einem Lächeln auf ihn ein.
Als Jensen und ich auf die Terrasse traten, bemerkte ich zum ersten Mal die Horde Kinder, die freudig und quiekend im Garten fangen spielten. Es waren wahrscheinlich sechs oder sieben Stück, kaum älter als zehn Jahre. Schon deren Gelächter klingelte in meinen Ohren, sodass ich mir sie am liebsten zugehalten hätte. Zualledem begann auch noch ein Baby zu schreien, das auf dem Schoß einer dicklichen Frau saß – wahrscheinlich die Mutter. Alles zusammen ließ mich förmlich verrückt werden! Das Geschrei, das Gelächter, die Unterhaltungen, das Zischen des Grills, alles dröhnte in meinem Kopf! Und ich blickte nur auf dieses laute, bunte Chaos und dachte: "Oh mein Gott.... ich bin in der Hölle".
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Wie Rome und Julia
Fiksi Penggemar„Weißt du.", sagte er mit zitternder Stimme, die verriet, dass er jeden Augenblick in Tränen hätte ausbrechen können. „Ich dachte, das mit uns wäre etwas besonderes. Ich dachte wirklich, wir hätten eine Zukunft... Wir zwei, in Dustins Haus... mit ei...