Weihnachten
Nachdem Leon seine Sprache wieder gefunden hatte, führte Tom ihn herum. Die unteren Räume waren schnell erkundet, dann gingen sie in den ersten Stock, wo sich die Familienzimmer befanden. Tom brachte Leon zu einem Zimmer am Ende eines langen Ganges. Er öffnete die Tür und ließ Leon eintreten. Dieser begutachtete sein Zimmer.
Ein Himmelbett stand an der rechten Seite, ein riesiger Kleiderschrank links. Eine Wand bestand fast ausschließlich aus Fenstern. In der Mitte der Fensterfront war eine Flügeltür, die auf einen großen Balkon führte. An der Türseite standen Regale, auf denen die Spielsachen standen, die Tom, Nath und Leon in den Sommerferien gekauft hatten. „Dort drüben kommst du ins Badezimmer.“ sagte Tom und zeigte auf eine Tür neben dem Kleiderschrank. „Du kannst nachher auspacken. ich möchte dir noch zeigen, wo wir schlafen.“ meinte Tom nach ein paar Minuten, in denen Leon sich umsah.
Sie gingen den Gang zurück. Kurz vor der Treppe bog Tom nach links ab. Nach ein paar Schritten endete der Gang vor zwei Türen. Vor der linken Tür blieben sie stehen. „Hier schlafen Nath und ich.“ erklärte Tom. „Und wer schläft da?“ fragte Leon und zeigte auf die rechte Tür. Ein dunkler Schatten huschte über Toms Gesicht. Er strahlte eine plötzliche Traurigkeit aus, so dass Leon sich an ihn kuschelte.
„Das ist dein Babyzimmer.“ flüsterte Tom. Leon schluckte, dann fragte er kaum hörbar: „Darf ich es sehen?“ Ein kalter Schauer lief Tom über den Rücken, er hatte diesen Raum seit zehn Jahren nicht mehr betreten. Dann spürte er die warme Hand seines Sohnes und gab sich einen Ruck. „Geh ruhig rein. Ist ja dein Zimmer gewesen.“ sagte er mit leicht zitternder Stimme. Leon ließ Tom los und öffnete vorsichtig die Tür.
Er stand in einem gemütlichen Zimmer mit himmelblauen Wänden. Ein Babybettchen stand an der einen Wand und über dem Bett war ein großer Teddy gemalt. Eine Wickelkommode stand unter einem Fenster, gegenüber von einem Schrank, in dem Leon seine Babykleidung vermutete. Ein Schaukelstuhl, ein Sessel und ein gemütliches Fell zum krabbeln rundeten das Bild ab. In dem ganzen Zimmer sah man, dass es lange nicht benutzt wurde. Eine zentimeterdicke Staubschicht lag auf allen Möbeln.
„Es ist wunderschön.“ sagte Leon leise. Hier fühlte er sich sofort geborgen. Ein Gefühl, dass sein jetziges Zimmer ihm nicht vermittelt hatte. Leon drehte sich zu seinem Vater um und bemerkte, dass Nath neben diesem stand. Beide hatten Tränen in den Augen. „Daddy?“ „Ja, Schatz?“ Leon zögerte kurz. „Was hast du auf dem Herzen?“ fragte nun Nath. „Ach, nichts.“ sagte Leon schnell.
Tom kam ins Zimmer und ging vor dem Kleinen in die Hocke. „Was wolltest du fragen, mein Kleiner?“ fragte er liebevoll, doch Leon schüttelte den Kopf. Tom beschloss ihn nicht zu drängen, was bei dessen Sturkopf auch gar nicht klappen würde. „Wenn du es dir anders überlegst, dann rede mit uns.“ sagte er daher nur. Er stand auf, nahm Leon an der Hand und ging mit ihm aus dem Zimmer.
„Ich hab hier noch was für dich.“ sagte Nath und holte eine kleine Kugel aus der Tasche. „Hiermit findest du den Weg im Manor. Du brauchst nur zu sagen, wo du hin willst und bekommst dann eine Wegbeschreibung.“ erklärte er. „So, wenn du willst, dann kannst du jetzt das Haus erkunden.“ meinte Tom lächelnd. „In zwei Stunden treffen wir uns im kleinen Kaminzimmer im ersten Stock. Tu mir aber den Gefallen und geh noch nicht in den Garten, den möchte ich dir zeigen.“ „Versprochen Daddy.“ Leon gab Tom eine Kuss auf die Wange, umarmte kurz Nath und war verschwunden.
„Wie geht´s dir?“ fragte Nath seinen Mann. Er war erstaunt gewesen ihn hier zu sehen. „Traurig und glücklich zugleich. Einerseits haben wir so viel bei Leon verpasst, aber jetzt haben wir unseren Engel wieder und können alles nachholen.“ sagte Tom mit Tränen in den Augen, aber trotzdem lächelnd. Nath umarmte Tom. „Jetzt wird alles besser, hoffe ich.“ sagte er leise.
