3. Familienbande

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„Papa!" die helle und freudige Stimme seiner kleinen Blume, ließ den Grafen aufschrecken. Er war tief in Gedanken gewesen, auch nachdem seine zwei Vertrauten und die ältesten Freunde seiner Familie, sein Arbeitszimmer verlassen hatten.

„Ja, meine Kleine?" antwortete er automatisch. Jahre der Übung mit Emma, erlaubten ihm auch schon mal ein wenig abweisend in Anwesenheit eines Kindes zu sein.

„Du wolltest mir eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen", behauptete die Braunhaarige. Alea hob rasch seinen Kopf um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Tatsächlich, er hatte während des Gesprächs mit dem Geistlichen und dem Hauptmann gar nicht gemerkt, wie die Zeit verflogen war. Der Abend war bereits angebrochen und für kleine Gräfinnen hieß das, schlafen zu gehen.

„Natürlich, wie konnte ich das nur vergessen." Er drückte sich von der Holzplatte ab und zauberte sein sanftestes Lächeln auf sein Gesicht, während er sich zu seiner bereits umgezogenen Tochter herumdrehte. Linda leistete wirklich ganze Arbeit.

Victoria breitete die Arme aus und hüpfte ein wenig auf der Stelle herum. Ein klares Zeichen. Also bückte sich der Graf, um seine kleine Gräfin auf den Arm zu nehmen und sie in ihr Bett zu bringen. Auf dem Weg überlegte er sich, was er ihr denn für eine Geschichte erzählen sollte. Emma hatte immer die Geschichten geliebt, in denen es die Prinzessin war, die den Drachen erlegte und die Ritter retten und befreien musste. Aber bei Victoria, war es komplett anders. Mal wollte sie dies hören, mal das.

„Was für eine Geschichte erzählst du mir heute, Papa?" fragte die Kleine, als er sie behutsam auf ihr weiches Bett legte und zudeckte. Er selbst nahm auf der Decke Platz und strich ihr durch ihr seidenes Haar, das ihr bis zur Brust ging, im ungeflochtenen Zustand.

„Welche möchtest du denn hören, Liebes?"

Die Braunhaarige brauchte gar nicht lange überlegen. „Die mit dem Spielmann und dem Grafen."

Alea lachte und dieses Mal, erreichte das Lachen sogar seine Augen. Nicht, dass Victoria der Unterschied aufgefallen wäre, sie war einfach noch zu jung dafür. „Wie du wünschst." Und so begann er seine Geschichte zu spinnen. Von einem tapferen, kleinen Spielmann, der stets einen Witz auf Kosten des Grafen machte. Und von einem rebellischen Grafen, dessen Familie doch mehr als ungewöhnlich war. Er erzählte, dass der kleine Spielmann den Grafen gerettet hatte, vor bösen Monstern und Mächten, die ihn zu verschlingen drohten und dass der Adlige es dem Musiker auf ewig dankte. So stark sogar, dass er sein eigenes Leben aufs Spiel setzte, um den Spielmann zu beschützen.

Das Ende der Geschichte, bekam seine Tochter jedoch nicht mehr mit, denn sie war bereits friedlich eingeschlafen. Zärtlich, strich Alea ihr die einzelne Strähne aus dem Gesicht und hauchte einen kleinen Kuss auf die Stirn seines Schützlings. „Süße Träume", flüsterte er und schlich dann aus der Kammer, wohl darauf bedacht, sein Kind nicht zu wecken.

Er streckte sich und beschloss, noch einmal in sein Arbeitszimmer zu treten und den Beschluss weiter zu verfassen. Sollte sich nämlich herausstellen, dass Gianna gelogen hatte, was definitiv der Fall war, drohte ihr und ihrem Abkömmling die Verbannung aus seiner Provinz. Solch ein Gesindel, sollte nicht SEINE Ländereien beschmutzen und in Verruf bringen.

Alea stockte, als er sein Arbeitszimmer betrat, denn es war nicht so, wie er es verlassen hatte. Denn anstelle eines leeren Raumes, beherbergte ein gewisser, rothaariger Spielmann seinen Stuhl und mümmelte abwesend an einer Karotte, während er in einem Buch las und blätterte. Es war eine mittelschwere Lektüre über die wichtigsten Wappen ihrer Zeit und ihrer Bedeutung, doch der Spielmann klappte das Buch rasch zu, als er bemerkte, dass Alea den Raum betreten hatte.

„Alea..." begann er, doch mit einer erhobenen Hand, brachte der angesprochene Edelmann ihm zum Schweigen.

„Wenn es um deine Schwester geht..."

Choix des DamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt