Choix des Dames

4. Ein dummes Huhn mit einem Löwenherzen

Maria kniete summend auf der Wiesenfläche und pflückte zusammen mit Victoria, die heute Morgen keinen Unterricht hatte, schöne Blumen. Die Kleine wollte ihr beibringen, wie man daraus eine Blumenkrone machen konnte. Eine, wie der Graf sie damals getragen hatte, als sie sich kennengelernt hatten.

„Schwester, so froh und munter habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen... und nach gestern..." er beendete den Satz nicht.

Die Rothaarige musste ein wenig gegen das Licht der Sonne anblinzeln, ehe sie das Gesicht ihres Bruders erkennen konnte. Es wunderte sie, dass er zu so früher Stunde schon wach und auf den Beinen war. Normalerweise schlief er, wenn er die Möglichkeit dazu hatte, gerne bis zum Mittag.

„Es hat sich viel getan, seit gestern."

„Oh?" er hob eine Augenbraue. Augenscheinlich glaubte er ihren Worten nicht so ganz. „Und was?"

Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Lippen, doch sie wandte sich zu der halbfertigen Blumenkrone in ihrer Hand. Auch Victoria prüfte, was sie bisher geschaffen hatte und nickte zufrieden. „Ich habe mit Alea geredet", antwortete sie einfach nur.

„Geredet also..." er klang ungläubig. „Denk ja nicht, dass ich es nicht bemerkt habe. Du lagst die letzte Nacht nicht in deinem Bett. Jean hat gesehen, wie du in der Früh aus dem Gemach des Grafen gekommen bist."

Maria lief prompt rot an. Ihr war nicht klar, was er über die Aussage des Halbfranzosen dachte. Luzi klang zwar nicht enttäuscht oder abgeneigt, doch fröhlich klang er auch nicht. „Es ist nicht so, wie du denkst."

„Was denke ich denn?" er blickte herausfordernd drein, auch wenn die jüngere Frau dies nicht sehen konnte.

Kurz huschten grüne Augen zu dem kleinen Mädchen, die jedoch völlig in ihrer eigenen Handarbeit vertieft war und ihnen eigentlich keinerlei Beachtung schenkte. „Du denkst, der Graf hat mich zu einer richtigen Frau gemacht."

Ein undefinierbares Geräusch entwich Luzis Kehle. „Hat er?" fragte er jedoch und in seiner Stimme lag etwas Bedrohliches.

„In gewisser Weise", sie legte die Blumenkrone auf ihrem Schoß ab, „Oh Luzi, er hat mir einen Antrag gemacht, er will mich heiraten."

„Was?" strahlenblaue Augen waren rund und weit aufgerissen. „Hat er das auch wirklich?"

„Oh ja", sie lächelte und schon wieder drohten Tränen des Glücks ihre Wangen hinab zu kullern. Sie war auch einfach zu glücklich. „Aber dies muss zunächst ein Geheimnis bleiben. Alea meinte, diese Gianna dürfe Nichts davon erfahren. Er fürchtet sich um mein Wohlergehen."

„Und das zurecht", ertönte eine weitere Stimme hinter den Geschwistern.

„Papa!" rief Victoria entzückt. Sie sprang auf und lief auf den Ziegenbärtigen zu, der sie ungeachtet der Grasflecken in ihrem ehemalig weißen Kleid, hochnahm. Sie setzte ihm eine Blumenkrone auf, wie damals bei dem Totentanzfest, Saltatio Mortis, und auch dieses Mal, ließ er es einfach über sich ergehen.

„Mit welcher Begründung?" wollte Luzi wissen. Im Grunde, hatte er die Antwort schon von seiner Halbschwester bekommen, doch er wollte sie auch nochmal aus dem Munde des Mannes hören, der vielleicht sein zukünftiger Schwager werden würde.

„Mit der Begründung, dass die Gianna Jones, die ich damals kennenlernte, vor rein gar nichts zurückschreckt um das zu erhalten, was sie will. Ich bezweifle, dass sie sich großartig geändert hat in den viel zu wenigen Jahren, in denen wir uns aus den Augen verloren haben." Er setzte seine quirlige Tochter wieder auf den Boden. Sie wurde langsam zu schwer, um sie über einen längeren Zeitraum auf dem Arm zu halten. Aber einen Kuss pflanzte er dennoch auf ihr Wange.