8. Der frühe Vogel fängt den Grafen

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Luzi gähnte herzhaft und ausgiebig. Er streckte sich, sodass seine Wirbelsäule knackste und erhielt dafür augenblicklich einen missbilligenden Blick des Mannes, der ihn als Berater einweisen sollte. Gustav von Urft erinnerte sich freilich noch an das Aufeinandertreffen vor all der Zeit und auch heute war er nicht gut auf ihn zu sprechen. Doch Luzi, der ja die Gunst des Grafen genoss, scherte sich nicht sonderlich um die Meinung dieses Mannes. Er musste ihn ohnehin nicht mehr allzu lange ertragen. Und bis dahin, würde er auf Wunsch Aleas einfach gute Miene zum bösen Spiel machen und aufmerksam zuhören. Jedenfalls wollte er es versuchen, aber wenn Gustav nochmal eine Stunde lang über ein und dasselbe Thema reden würde, nur um das Gesagte in fünf verschiedenen Varianten zu wiederholen, würde der Spielmann ausrasten. Er hatte es schon beim ersten Mal verstanden. Na gut, das stimmte so nicht ganz. Aber beim zweiten Mal hatte er sehr wohl verstanden, was Alles in seinen Aufgabenbereich fallen würde und was für Kompetenzen er denn bräuchte. Und allein die Anzahl eben dieser benötigten Kompetenzen, ließen ihn mal wieder große Zweifel hegen. Jedoch ließ er sich davon nichts anmerken, allein schon sein Stolz verbat es ihm, der aufgetakelten Puderquaste noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Eben jener erinnerte ihn nämlich auch so ständig daran, wie ungeeignet er für diesen Beruf doch eigentlich war.

Das Luzi das selber am besten wusste, schien der Puderquaste aber egal zu sein.

„Ich hoffe Ihr erinnert Euch noch daran, was ich gestern sagte", er klang schnöselig und warf dem Spielmann neben sich einen weiteren, verachtenden Blick zu.

„Ihr habt so viel gesagt... auf was genau bezieht Ihr Euch denn?" fragte Luzi. Tatsächlich war diese Frage ernst gemeint. Er konnte ja schließlich nicht in den Kopf des jetzigen Beraters gucken.

„Ich rede natürlich von Euren Aufgaben an diesem Morgen", er klang entrüstet, als wäre das das Natürlichste von der Welt.

„Ah..." Warum tat er sich das hier nochmal an? Ach ja, weil er es seinem baldigen Schwager versprochen hatte. „Ehm... wir müssen zunächst... den Grafen wecken?"

„Er besitzt also doch ein Hirn, sehr schön. Nun, wahrscheinlich wird sich der Graf nicht mehr in seinem Bett befinden, aber ein Blick zur Sicherheit kann nicht schaden. Kommt!"

Luzi ignorierte die mehr als offensichtliche Beleidigung – es war noch zu früh am Morgen um sich zu rächen, er würde es einfach auf später verschieben – und schlurfte lustlos hinter dem Berater her.

Gustav von Urft klopfte hart gegen die schwere Tür, bevor er dann ungebeten eintrat. Entgegen ihrer Erwartungen, war das Bett jedoch nicht leer. Eine Gestalt hatte sich unter der Decke zusammengerollt.

„Mein Graf, es ist Zeit aufzustehen", selbst der Berater konnte seine Verwunderung nicht gänzlich aus seiner Stimme verbannen. „Mein Graf!"

„Er ist nicht hier", motzte eine weibliche Stimme. Maria war müde, dass konnte Luzi an ihrer Stimme deutlich vernehmen. Und wenn das der Fall war und man sie unsinnig weckte oder ansprach, dann konnte sie auch schon mal eine kleine Hexe sein. Er wusste das aus eigener Erfahrung.

„Herrin? Was macht Ihr denn im Gemach des Grafen? Es schickt sich nicht für eine Dame Eurer Position-"

„Wenn der Graf mich in sein Gemach bittet, dann habe ich das Recht darauf hier zu sein und nun verschwindet und lasst mich schlafen." Luzi war mehr als überrascht, über die herrische Art seiner Schwester, konnte aber nicht umhin, sich ein Grinsen zu verkneifen.

Während Gustav also nach einer Antwort suchte, betrat der rothaarige Spielmann das Zimmer und stellte sich ans Bett. Die Decke war ein Stück ihren Körper hinuntergerutscht und entblößte so das Nachthemd, welches Maria trug. Liebevoll richtete er die Decke. Sie öffnete daraufhin die Augen und starrte zu ihm hinauf. Als sie merkte, wenn sie da vor sich hatte, wurde ihr Blick sanft und er traute sich, ihr einen kurzen Kuss auf die Schläfe zu drücken. Danach wandte er sich wieder ab und schubste den Berater aus dem Gemach.

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