Danke

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Hi Gott, ich wollte Dir nur mal eben danke sagen.

Für mein Leben.
Hätten die Ärzte nicht entdeckt, dass sich die Nabelschnur mehrfach um meinen Hals gewickelt hatte, wäre ich bei einer regulären Geburt erstickt. Als ich zwei Jahre alt war, verlor mich meine Mutter am Strand aus den Augen. Sie fand meinen Hut, der dort auf den Wellen schwamm. Ich war unter Wasser, lang, aber ich ertrank nicht. Jahre später übersah mich ein rasant abbiegendes Motorrad und verfehlte mich nur um Millimeter.
Gott, ich danke Dir, dass ich lebe. Vielleicht hast Du einen Plan für mich und doch gabst du mir meinen freien Willen. Ich darf Umwege gehen, denn am Ende weiß ich, dass ich bei Dir angekommen bin.

Ich habe Freude an Bewegung, sogar der Schulsport hat mir Spaß gemacht. Ich tanze seit Jahren gerne und bin sogar richtig gut darin. Aber erst nach einer Verletzung wurde mir bewusst, wie viel mir das bedeutet.
Ich danke Dir, dass meine Wunden heilen, innere wie äußere. Ich danke Dir auch für meine Narben, denn sie erinnern mich daran, dass sich das Kämpfen lohnt.
Auch wenn es mir schlecht geht, bist Du an meiner Seite. Wenn ich falle, folgst Du mir nach unten. Wenn ich nichts als Dunkelheit erkenne, siehst Du in mir ein Licht.

Familie hört weder beim Blut auf noch fängt sie dort an. Und so hast Du mir große Brüder geschenkt, die ich nie hatte, und noch mehr kleine Geschwister, die ich nie wollte. Verrückte Tanten, mütterliche Kolleginnen und väterliche Mentoren.
Gott, ich danke Dir für die Menschen, die mich inspirieren. Für die, die an mich glauben, selbst dann und besonders dann, wenn ich es nicht tue. Und für die, die den Winter in mir vertreiben durch ihre Wärme. Ich danke Dir für meine Familie und meine Freunde und, dass manchmal beides das selbe ist. Und auch Du gehörst zu meiner Familie. Oder ich zu Deiner? Ich weiß, wenn ich einen Adoptionsantrag stelle, wirst Du ihn annehmen.

Manchmal da weiß ich nicht, was ich als nächstes tun soll, wohin mich meine Schritte führen. Als hätte ich jedwede Orientierung und jeden Halt verloren. Wie ein Papierschiffchen auf dem Ozean. Manchmal da habe ich Zweifel. Dann zweifle ich an allem, aber vor allem an mir selbst.
Umso mehr danke ich Dir für die Momente, die mir vor Augen führen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Für die Momente, in denen ich stolz sein kann auf das, was ich geleistet habe, und auf das, was ich bin.
Denn wenn ich nicht weiß wohin, bist Du meine Zuflucht. Wenn ich in meinen Fluten zu ertrinken drohe, streckst Du Deine Hand nach mir aus. Ich muss sie nur ergreifen.

Ich wurde in Deutschland geboren und nun lebe ich hier im 21. Jahrhundert. Ich musste in diesem Land nie einen Krieg miterleben. Ich musste nie Hunger oder Durst leiden. Ich habe Zugang zu öffentlicher Bildung und das Recht auf Mitbestimmung. Ich kann meine Religion, meine Liebe und meinen Lebensstil frei wählen. Ich fürchte mich nicht, wenn ich nachts allein durch die Straßen laufe.
Das ist nicht selbstverständlich. Die Wahrscheinlichkeit nicht in Deutschland geboren zu werden liegt bei 99 Prozent. Ich danke Dir, dass ich zu dem restlichen einen Prozent gehöre.

Wir haben die Möglichkeit weltweit zu reisen, unseren Horizont zu erweitern und zu sehen, dass das Leben nicht überall so ist wie hier.
Und so danke ich Dir für die Menschen, die die Ambitionen und die Kraft haben, unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen, die nicht die Augen verschließen vor Unrecht, die im Angesicht von Widrigkeiten nicht aufgeben, die nicht der Meinung der Masse folgen, nur weil das leichter ist. Ich danke Dir für die Menschen, die Frieden stiften und die, während das Schlechte doch so viel einfacher wäre, immer an das Gute in der Menschheit glauben.

Wir leben auf einem blauen Planeten, der sich um einen Feuerball dreht. Eine Ozonschicht umgibt uns wie ein schützender Mantel. Die Dinosaurier sind ausgestorben bevor die Menschheit existierte. Es gibt Oasen in den Wüsten dieser Welt und Glückshormone die unsere Gehirne fluten. Einen Mond, der die Meere bewegt. Musik und die Stille des Windes. Ozeane und Kontinente. Ein ausgeglichenes Ökosystem.
Das ist ein Wunder. Deine Schöpfung ist wunderschön.

Mit leeren Händen stehe ich vor Dir, doch Du empfängst mich mit offenen Armen. Ich habe nichts, was ich Dir im Austausch für Deine Liebe geben könnte, aber Du nimmst mich an so wie ich bin.
Du hörst mich, wenn ich schweige, verstehst mich, auch wenn ich nichts sage, und brauchst keine Worte, um mit mir zu sprechen. Hi Gott, danke, dass es Dich gibt.

Amen


Musik dazu:
Auch wenn es manchmal regnet – 23
Welt der Wunder – Marteria

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