Anspiel und Predigt zu einem Jugendgottesdienst mit dem Thema "Well Done" und der Lesung der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1)
Anspiel
A: Boah, krass man. Deine Augen sind so blau. So blau wie der Horizont am Abend, die blaue Stunde, wenn man bei Sonnenuntergang in die andere Richtung sieht.
B: *sarkastisch* Das Problem dabei ist nur, niemand sieht bei einem Sonnenuntergang in die andere Richtung.C: *erzählt von etwas auf das er/sie stolz ist*
D: *gratuliert*
C: Und worauf bist du stolz?
D: Keine Ahnung...
C: Wurdest du nicht für dein Abitur als Jahrgangsbeste/r geehrt?
D: Ja, aber ich musste nichts dafür tun. Ich habe nie gelernt, nie Hausaufgaben gemacht. Als ob ein Fisch darauf stolz wäre, dass er schwimmen kann.
Predigt
Tja, das ist schon so eine Sache mit dem Komplimente-Annehmen und dem Stolz. Nein, das sind keine Selbstzweifel, man will ja bloß nicht arrogant wirken. Ich denke, das Problem mit dem Stolz-Sein sind nicht die anderen, sondern wir selbst.
Müssen wir perfekt sein, um stolz auf uns sein zu dürfen?
Ich bin ganz sicher nicht perfekt.
Ich bin unpünktlich, denn meine Zeit gehört dir nicht. Ich habe ständig Streit mit dem Wecker, er tickt ganz anders als ich.
Ich bin unordentlich. Meine Wohnung ist ein Fraktal mit hoher Selbstähnlichkeit, das geordnete Chaos. Ich weiß nie was mir fehlt, bevor ich es finde.
Ich bin stets bemüht niemandem auf den Schlips zu treten, aber entschuldige mich nie.
Manchmal da blendet mich das Licht am Ende des Tunnels viel zu sehr.
Ich bin ein törichter Narr, und ein weltfremder Träumer, und ein unvollkommener Mensch.Aber ich tue gerne so als wäre ich unantastbar, unnahbar, stets bemüht nur ein Gastauftritt zu sein, der nicht im Abspann auftaucht. Dabei muss man bloß auf die Menschen zielen, die mir wichtig sind, um mich zu treffen. Und doch sind Menschen für mich wie offene Bücher, bei denen ich ständig die wichtigen Seiten überblätterte. Ich sehe, was die Menschen brauchen, nur leider ist es meistens nicht das, was sie wollen. Das, was sie wollen, erkenne ich nie. Also habe ich vielleicht gar keine Ahnung.
Man sagt, ich handle überlegt, sei besonnen.
Ich bin keine Dopaminverschwenderin, zu feige für ganz, zu sentimental für gar nicht. Man sagt, dass kluge Menschen aus ihren Fehlern lernen. Aber in Wahrheit ist es doch so, dass klügere Menschen aus den Fehlern anderer lernen. Manchmal wünschte ich, ich wäre ein bisschen dümmer. Denn so werde ich, wenn ich mal alt bin, an all die Geschichten denken, die ich hätte erzählen können (vgl. Julia Engelmann).Alle wachsen über sich hinaus, doch wer davon blüht auf?
Man sagt, „jeder ist seines Glückes Schmied. Diese Metapher muss man nicht mal mit der Realität konfrontieren bevor sie sinnlos wird. Jeder ist seines Glückes Schmied. Das Glück ist also eine so schwere und starre Masse, dass ich es auf mehrerer Tausend Grad erhitzen muss, um es dann glühend mit einem riesen Hammer in meine gewünschte Form zu hauen." (Till Reiners)
Tja, aber dummer Weise bin ich kein Schmied. Also habe ich vielleicht gar keine Ahnung.Man sagt, ich habe ein gutes Gedächtnis.
Ich kenne 37 Nachkommerstellen von Pi, aber nicht meine eigene Handynummer. Während andere sich an zu wenig erinnern, erinnere ich mich an zu viel. Ich verliere mich in Details und bin ständig mit den Gedanken woanders. Für meinen ach so flexiblen Geist ist die Realität bloß eine Ausrede. Ich stehe mit beiden Füßen fest in meinem Wolkenschloss.Man sagt, ich sei eine Denkerin, eine Frau der Vernunft.
Ich denke vernünftig und handle unlogisch. Ich fühle mit dem Kopf und denke mit dem Herzen. Was dann gelegentlich zu Denkrhythmusstörungen und Gefühlsblockaden führt. Ich neige nicht zu emotionalen Ausbrüchen. Ich wähle meine Worte mit höchster Sorgfalt und setze sie so berechnend wie ein Seiltänzer seine Füße. Dabei sind meine Worte stets lauter als ich, denn Worte sind alles, was ich habe. Und wenn ich hier oben stehen und predige, führe ich eigentlich nur Selbstgespräche. So gern würde ich behaupten, ich hätte nie Zweifel, aber das kann ich nicht.
Also habe ich vielleicht gar keine Ahnung.
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Gefunden
Spiritual"Wenn du sagst, an Gott glaube ich nicht, sage ich dir, Gott glaubt an dich." Poetry-Slam-Texte, Predigten, Gebete uvm