"Du musst nicht darüber sprechen, Riven, aber deine Geschichte und die Informationen, die wir daraus gewinnen können, würden helfen abzuwägen, was wir als nächstes tun müssen, wohin wir als nächstes gehen sollen. Wir können nicht ewig zwischen dem Meer und dem Wald sitzen, wenn an beiden Orten tödliche Gefahren lauern. Hier am Strand, egal wie weit wir vom Meer entfernt sind, können wir keine Sekunde schlafen, aber es muss irgendeinen sicheren Ort geben.", sprach Jaxon schliesslich und legte sanft seine Hand auf Rivens Schulter. Es hatte eine Weile gebraucht, bis all seine Schrei verstummt waren, aber sie alle hatten diese Zeit benötigt. Jaxon, um seine Wut und seine Trauer bis zu einem gewissen Grad zu bändigen, Riven, um ihre letzten Tränen zu vergiessen und Silas, um seine Gedanken so zu ordnen, dass er nicht dem tiefen Wahnsinn verfiel. "Sollte es dir so einfacher gehen, könnten wir zuerst erzählen, was uns passiert ist."
Langsam schüttelte sie ihren Kopf.
"Ich will es nicht hören. Das, was euch passiert ist. Ich will nicht hören, was mit Rae passiert ist und auch nicht, was du und Silas erleben musstet. Mir reicht bereits, was mir passiert ist. Die Toleranz, die ich gegenüber Schmerzen habe, ist schon längst überschritten worden. Aber ich kann erzählen. Wenn ich die Geschehnisse selbst überlebt habe, wäre es lächerlich, wenn ich es nicht überleben würde, darüber zu sprechen."
Silas rutschte näher an sie heran, um ihre Worte zu hören und Jaxon setzte sich neben sie, sodass sie sich mit ihrem Kopf auf seinen Schoss legen konnte.
"Es ist einfacher, dabei niemanden anzusehen.", flüsterte sie und starrte auf das Feuer vor ihr. Seine Hände fuhren über ihre Haare, welche beinahe wieder trocken waren und er beobachtete, wie das Licht des Feuers in ihrem Gesicht spielte, Schatten und Licht abwechselnd auf ihr Gesicht warf. Sie hasste das Feuer. Es beruhigte sie nicht, stattdessen setzte es sie einige Stunden in der Zeit zurück, zu dem Zeitpunkt als die Zwillinge ausgebrochen waren. Flammen, Zerstörung, Hitze.
"Es gibt ein berühmtes Gedicht. Ein altes Gedicht, geschrieben von Robert Frost. Darin geht es um die Frage, ob die Welt im Feuer oder doch im Eis untergeht. Ich habe mir oft die Frage gestellt, was ich mir lieber wünschen würde und konnte mir die Frage nie beantworten. Aber jetzt weiss ich es. Ich hätte mir um einiges lieber das Eis gewünscht. Eis lässt alles verlangsamen, Kälte lässt dich langsam einschlafen, bis du die Schwelle vom Tod überschritten hast. Alles stirbt still und friedlich. Feuer hingegen löst nur Chaos aus.", wisperte sie leise, ihre Augen starr auf die roten Flammen vor ihr gerichtet. "Wir haben vielleicht hundert Meter des Hanges vom Obsidian Rock hinter uns gebracht, als der Erste der Zwillinge ausbrach..."
"Langsam!", schrie Riven laut, doch Yena, Robbie und Katharina hörten sie nicht durch das Donnern des Vulkanes, welcher näher war, als sie es sich alle gewünscht hätte. Mit Sorge beobachtete sie, wie ihre drei Freunde den Hang hinunterrannten, viel zu schnell, als dass es nicht gefährlich wäre, gerade weil neben den normalen Gefahren wie die spitzen Felsen, noch das starke Beben des Bodens dazukam und die Dunkelheit. In ihren Gedanken sah sie bereits, wie jemand der Drei stürzte, was entweder den Tod zur Folge hatte oder, wenn sie Glück hatten, bloss eine Verletzung. Aber eine Verletzung konnten sie genauso wenig gebrauchen.
DU LIEST GERADE
Coppery
Fantasy"Man kann von jedem Ort auf der Erde entfliehen, wenn man es wirklich will." "Vielleicht stimmt das für jeden Ort auf der Erde, aber nicht für das Reich der Toten. Jeder Einzelne, den du hier siehst, ist tot, Riven. Eingeschlossen du selbst."