Warrior

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Der Ballsaal war erfüllt vom Klirren der Gläser und dem fröhlichen Geplapper der Leute. Vorsichtig schwang Candela die Beine über den Rand des Vorsprungs. Entdeckung hatte sie nicht zu befürchten, ihre schwarze Kleidung verschmolz geradezu mit den Schatten.
Vorsichtig tastet sie nach den Wurfsternen an der Innenseite ihres kurzen schwarzen Mantels. Als ihre Fingerkuppen die scharfen Kanten striffen, atmete sie noch einmal bewusst aus.

Hier oben war es kühl, sie war ein gutes Stück über den Lichtern des normalen Lebens.Für den Moment war sie damit zufrieden einen seltenen Augenblick des Friedens zu genießen und die nichtsahnende Menge zu beobachten.
Frauen in edlen Kleidern,die ihr Korsett bis aufs Äußerste zusammengezogen hatten. Daneben der männliche Adel, der damit beschäftigt war sich gegenseitig zu versichern, dass sie für ihre Majestät unabdingbar wären.
Unbekümmert.
Frei von jeglicher Verantwortung . Und natürlich reich, dass es bis zum Himmel stank.

Candela verzog das Gesicht. Schon bald würde hier die Hölle ausbrechen. Sie würde hier die Hölle lostreten. Nur noch nicht jetzt.
Gleich.
Gerade konnte sie es sich leisten ihren Auftrag für kurze Zeit zu vergessen.
Einen kurzen Moment der Ruhe zu genießen.

Das Flackern der Kerzen in den Kronleuchtern tanzte über den polierten Marmor und spiegelte sich in den purpur-schwarzen Bannern.

Sie lehnte ihren Hinterkopf an den hölzernen Pfosten in ihrem Rücken und betrachtete die Menge hinter halb geschlossenen Lidern.
Den Takt der Musik hatte sie schon auf der verstaubten vergessenen Treppe hier herauf gehört.
Fast wie von selbst waren ihre Füße in die halb in ihrem Gedächtnis vergrabenen Tanzschritte geschlüpft.
Doch sie war nicht zum Vergnügen hier.

Leider!

Natürlich hätte sie auch die Möglichkeit gehabt sich unter die tanzende Gesellschaft zu mischen und von dort mit ihrem Blick zu arbeiten.
Doch angesichts der Tatsache, dass Timea aufgetragen wurde, dass die zweite Zielperson erst ein wenig nach der Ersten sterben soll würde dies meinen Arsch ins Gefängnis schaffen.

Doch wenn du hier noch länger herumlungerst und deine Hintern nicht hoch bekommst wird er auch bald in einer staubigen Zelle sitzen.

Candela richtete sich mit einem Schnaufer wieder auf und schickte ihre Augen auf Suche über das Menschenmeer.

Oh,heißer Typ auf 10 Uhr!

Langsam sollte sie echt wieder in den Arbeitsmodus umschalten.
Außerdem war der Typ sowieso nur von hinten zu sehen. Nichts außer zurückfrisierten schwarzen Locken und einer herrlich tiefblauen Weste.
Ich glaube, ich hab ein Kleid in der Farbe....
So genug jetzt!

Wenn sie unkonzentriert war würde das schlecht enden.
Für sie.
Tot.
Oder im königlichen Kerker.
Also Tod auf Raten.
Denn niemand würde sie retten.
Niemand würde es versuchen.

Endlich erspähte sie den gesuchten Blondschopf. Wie akkurat beschrieben in dem sommergrünen Kleid.
Da die Lady gefunden war fehlte nur noch ihr Herr. Rasch rief sich Candela noch einmal die vorgelegte Beschreibung ins Gedächtnis.

Sie kannte nicht einmal ihre Namen - wollte sie nicht einmal wissen.
Wollte nicht wissen ob sie Kinder zurücklassen würden - Geschwister, selbst Haustiere.

Das war die einzige Art wie sie damit durchkam.Vor sich selbst.
Sich ein kleines Stück ihrer Seele bewahrte.

Es dauerte nicht lange bis Candela ihn im Blick hatte. Er war nicht schwer zu finden gewesen, nachdem er mit der weiblichen Zielperson im Walzerschritt durch den Raum geschwebt war.

Seufzend taste Candela nach dem ersten Wurfstern, bevor sie sich im Schutz der Schatten auf den Platz neben den Pfosten manövrierte.

Inzwischen hatten sich die Tanzpartner zu den Erfrischungen begeben und selbst von hier konnte sie genug sehen, um sich das beglückte Strahlen auf dem Antlitz der Dame in aller Breite auszumalen.

Nicht zum ersten Mal verfluchte Candela ihre nicht im Durchschnitt verbliebene Größe, die dafür sorgte, dass sie leicht in die Knie gehen musste, wenn sie nicht wollte, dass ihr Kopf Bekanntschaft mit dem massiven Dach machte.

Sie fasste ihr Ziel noch ein letztes Mal ins Auge, bevor sie sich in Position brachte, ihrem Handgelenk befahl sich zu lockern, leicht ausholte und einen silbernen Blitz durch den Raum schickte.

Ihre Augen krampfhaft auf die Kehle des Mannes gerichtet versuchte sie den sich ausbreitenden roten Fleck am Rande ihres Blickfeldes zu ignorieren.
Die einsetzenden Schreie.
Die Menge die sich wie ein Fischschwarm teilte.
Die ersten Augenpaare die in ihre Richtung blickten - verzweifelt versuchten zu ergründen, wo das Monster unter ihnen lauerte.
Den erstickten Schrei des Mannes, der nichts als ungefilterte Pein enthielt.

Einen Herzschlag nach dem anderen versuchte sie all das auszublenden.

Doch lange konnte sie es nicht.

Und als sie sicher war, sich beim nächsten Ausruf der Qual auf der Stelle übergeben zu müssen, beendete sie das Martyrium der männliche Zielperson auf die gleiche rasche Weise, wie sie auch dem Leben seiner Begleitung ein Ende gesetzt hatte.

Das war alles was Candela an dieser Stelle tun konnte.

Auch wenn es nicht genug war.
Nicht einmal annähernd.

Das Klirren von Waffen gegen Metall und das Geräusch von Klingen die gezogen wurden, als die anwesenden Wachen sich endlich einen Weg durch die Menge gebahnt hatten, konnte das Blut das in ihren Ohren dröhnte nicht übertönen.
Ihre Schritte waren fast lautlos, als sie die enge Wendeltreppe hinunterstürzte, ihr Weg nur beleuchtet von den wenigen Strahlen des Mondlichts, die durch das Dach drangen.

Auf der Straße strich die kühle Luft angenehm über ihre verschwitzte Haut,als sie kurz stehen blieb, um zu lauschen ob sie bemerkt worden war.

Doch das einzige Geräusch in der dunklen Gasse war ihr rascher Atem.
Candela sog noch einmal die frische Luft tief in ihre Lungen, bevor sie sich die Kapuze ihres Umhangs ins Gesichts zog und noch weiter in die Schatten abtauchte.

Ein weiterer Auftrag erledigt.
Eine weitere Nacht, die sie sich um die Ohren geschlagen hatte.
Ein weiteres Mal würde sie sich in der Dunkelheit auf den Heimweg machen.

Between Death and FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt