Alive

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Die Zeit stoppte.

Sie konnte Jordan schreien hören. Aber der Laut war gedämpft - weit weg.

Abrupt explodierte Rot in ihrem Sichtfeld. In einem Moment konnte sie den Pfeil sehen der auf Azars Brustkorb zuschoss,im nächsten konnte sie es nicht - konnte nicht über das Brüllen in ihrem Kopf hinweghören.

Ausnahmslos vereinnahmte der Laut ihre Sinne,grub sich tief und tiefer in ihre Gehirnwindungen. Eine alte grausame Stimme die ihr zubrüllte, dass alles an diesem Szenario falsch war. Das hier durfte nicht passieren. Jemand stand mit einer Schere vor dem Faden der Welt und sie musste.... sie musste....

Genauso ruckartig wie sie gekommen war verschwand die rote Wand wieder. Nur ein schwacher Nachhall bliebt,ein Hauch,der die Berührung ihrer Mutter mit sich trug und ein längst vergessenes Versprechen.

Einen Wimpernschlag lang konnte sie die Welt wieder klar sehen. Den Pfeil. Den Gardisten dem der Triumph schon in den Augen glänzte.

Plötzlich bebte der Boden. Es schüttelte sie regelrecht.

Blau. Von einer Sekunde auf die andere war alles Blau.
Nicht ruhig und friedlich wie der Ozean.
Nein, ein rasendes, wütendes blau.
Eine zornige Naturgewalt, die...

Die von Vergeltung und Schmerz sprach. Von Verzweiflung und endloser Stille. Die zu ihr - von ihr - sie konnte keine klaren Gedanken mehr fassen. Sie trieben auf einer unsichtbaren Strömung von ihr weg.
Eine ungeheime Erschöpfung ergriff sie.

~~

Auf und Ab. Auf und Ab.
Ein und Aus.
Ihr Atem ging ruhig und beständig - eine Seltenheit.
Auf und Ab bewegte sich ihre Welt.

Es war dunkel und still. Friedlich. So friedlich.

Mit einem Ruck kehrte Candela an die Oberfläche zurück. Ihr Kopf fuhr hoch - und kollidierte mit etwas.

"Aua",erklang es hinter ihr dumpf.
Gehetzt scannte sie ihre Umgebung. Wo war sie? Was - wie?

Die Huftritte des Pferdes unter ihr waren ein beruhigender Rhythmus. Die Sonne beschien eine Landschaft voller sanfter Hügel mit einer massiven Bergkette die in der Ferne aufragte. Die dunkle Masse hatte eine bedrohliche Präsenz - als würde sie mit düsteren Fingern nach ihnen greifen.

Schaudernd wandte Candela sich ab und drehte den Kopf - zu der Person die offensichtlich hinter ihr im Sattel saß.

Graue Augen begrüßten sie.
Azar hielt sich mit schmerzverzogener Miene die Nase.

So nahe konnte sie die grünen Sprenkel in seinen Augen erkennen - die Wärme seines Körpers spüren.

Plötzlich verlegen rückte sie ein Stück von ihm weg und drehte sich halb im Sattel.

"Was",wollte sie fragen, nur um ihre Kehle zu trocken zum Sprechen vorzufinden. Sie räusperte sich. Versuchte es erneut.
"Was ist passiert?"

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen krachte die Erinnerung in sie hinein als wäre sie gegen eine Wand gerannt.

Mit fieberhaftem Blick nahm sie ihn genauer in Augenschein.

Der Pfeil! Ist er?

"Ich bin unverletzt."Azars Stimme war ruhig,fast als wollte er sie besänftigen.

Ungläubig runzelte Candela die Stirn.
"Aber wie?"

"Das sollte ich wohl dich fragen." Jetzt klang er wütend.
Ein trügerisches Blitzen stand in seinen Augen."Wann hattest du vor uns davon zu erzählen? Valencia sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen."
Mehr zu sich selbst murmelte er:"Uns allen."

Jetzt erst traten die fünf Reiter vor ihnen in ihr Aufmerksamkeitsfeld.

Unwillkürlich suchte sie Finn zuerst heraus - sein rotes Haar leuchtete wie Feuerschein.
Er sagte gerade etwas zu Valencia die daraufhin in lautes Gelächter ausbrach.
Sie konnte sein zufriedenes Lächeln bildlich vor sich sehen.
Candela seufzte.
Sie würde ziemlich bald mit Valencia sprechen müssen - über Finns Bekanntschaften.

Jordan ritt dicht neben ihnen,Mhysa und Levy hielten sich eine Pferdelänge hinter ihnen.

"Ich rede mit dir!", sagte Azar gereizt.
Candela drehte sich augenrollend zu ihm um. "Und ich dachte schon ich hätte mich aus Versehen unsichtbar gemacht."

Es dauerte einen Moment bis er ihren Scherz begriff.
"Seit wann weißt du von dem Eisfeuer?"

"Von was?"
Schlagartig war Candela hellwach. Adrenalin raste durch ihre Venen, wie... Feuer!
Wie - woher? Und warum jetzt? Ich müsste doch eigentlich wissen wenn ich so eine seltene Gabe hätte?

Neben ihr klang Azar endgültig angepisst. "Bist du etwa auf den Kopf gekracht als ich nicht aufgepasst habe?"

Sofort zuckten ihre Finger zu der pochenden Stelle an ihrem Hinterkopf,die ihr bis jetzt nicht aufgefallen war,sich aber in dieser Sekunde mit voller Vehemenz bemerkbar machte.

"Warst wohl nicht vorsichtig genug", zischte sie.

"Tut mir leid, Prinzessin !",konterte er ebenso giftig.

Eine Weile musterten sie sich feindselig - keiner dazu gewillt klein beizugeben.

Schließlich kam ein genervter Laut von Candelas Lippen.Ihr Schädel fühlte sich an als würde jemand darauf herumtrommeln - schon wieder - und ihre Augen waren schwer und geschwollen. Zu wenig Schlaf und zu viele Knockouts.
Schlußendlich änderte Eisfeuer auch nichts an ihrer Situation. Gut, es machte die Dinge vielleicht ein klein wenig komplizierter. Immerhin konnte sie nicht einfach in den Krieg ziehen wenn sie jederzeit zu einer lebenden Fackel werden konnte. 

Sie drehte sich wieder um und fiel schwer gegen Azars Oberkörper.
Müde schloss sie die Augen.
"Also - was ist passiert?"

"Du hast die Wachen zu Aschehäufchen reduziert. Dort wo sie standen."

Keine Verurteilung in seiner Stimme - nur planke Fakten.

"Und du hast mir das Leben gerettet. Danke."
Ein schon fast weicher Unterton fand sich in diesen Worten wieder. Candela schob diese Einbildung sofort auf die offensichtlich gestörte Wahrnehmung ihres schlafberaubten Hirns.

"Danach bist du ohnmächtig aus dem Sattel gekippt und ich habe dich gerade noch rechtzeitig erwischt. Gern geschehen."
Also die Selbstgefälligkeit bei den letzten beiden Worten entsprang definitiv nicht ihrer Vorstellungskraft.

"Hast du eine Ahnung von wem du das Feuer geerbt hast? Um so einen Angriff aus dem Nichts zu starten ist nicht gerade wenig Macht vonnöten."
Azar klang schon nahezu ekelhaft unbeteiligt.
"Nicht von meinem Vater. Und meine Mutter..." Candela zuckte die Schultern. Jetzt wo ihre Lider sekündlich schwerer wurden war selbst diese Bewegung ein Kraftakt.

"Sie starb als ich klein war - ich weiß noch nicht einmal woher sie ursprünglich stammte."
Ihre Stimme wurde mit den Worten immer leiser. Ein altbekannter Kloß stieg ihre Kehle hoch.

Azars behandschute Hand legte sich sanft auf ihren Arm.
"Schlaf noch etwas. Wir werden uns ein Stück weiter südlich mit einer Gruppe Anhänger treffen und dort unser Nachtlager aufschlagen."

Candela hatte keine Kraft mehr zu fragen woher diese Anhänger wussten,dass sie kamen. Oder ob Azar sie davor bewahren würde im Schlaf von seinem Pferd zu kippen. Ob es für ihre Vereinbarung etwas änderte, dass sie jetzt eine neue komische Kraft hatte.

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Nachdem ich dieses Kapitel gefühlte 10000 Mal geändert habe - ich hoffe es ist einigermaßen lesbar 😂😂😉. Dickes, fettes Dankeschön an alle die bis jetzt gevotet/kommentiert haben - das füttert meine Motivation 😊😍
Best wishes,Vio

Between Death and FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt