Pretending

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"Das ist nicht so gut", murmelte Azar. "Ach wirklich?! Und ich dachte, dass ist deine Vorstellung von Regenbögen und perfekten Tagen", zischte Candela ihm zu. Azar hob das Kinn, nahm die Schultern zurück. Presste die Lippen zu einer grimmen Linie zusammen. Eine Maske, die an ihren Platz glit. Welche Lüge will er denen auftischen? Die filetieren uns. Azar wirkte gefasst, sehr viel ernster und als er die Hände zu einer Geste der Besänftigung hob, entwickelte sich ein ominöses Gefühl in Candelas Magengegend. Hat der Bursche selbst etwas Feuer. Am liebsten hätte Candela über diese Entdeckung zufrieden gegrinst, aber angesichts der zahlreichen Waffen, die auf ihre Kehle zielten, blieb sie bei einem besiegten Händeheben.

Konfrontiert mit der Unbewaffnetheit der Ankömmlige, steckten die meisten Männer ihre Waffen weg. Die Menge teilte sich und gab die Sicht auf einen grobschlächtigen Riesen von Mann am hinteren Ende der Hütte frei. Candela machte einen vorsichtigen Schritt neben Azar, spiegelte seine Haltung. So würdevoll sie in einem durchweichten Nachthemd eben war. Der Berg von Mann setzte seinem Krug ab. Er erhob sich. Und erhob sich. Beinahe streifte er die Decke. Bei seinem ersten Schritt in ihre Richtung schwörte Candela, den Boden beben zu spüren. Sie musste jedes Fitzelchen Selbstbeherrschung aufbringen, um den Blick nicht abzuwenden.

Der Riese hielt vor ihnen. Verschränkte in Zeitlupe die massigen Arme. Gekleidet in Leder und Fell mit einer Masse an flammendroten Haaren samt Bart und listigen Augen, die unter buschigen Brauen fast verschwanden, war er jeden Zentimeter der grausame Killer, vor dem die Geschichten warnten. " Ich würde gerne wissen wer ihr seid - bei aller Bescheidenheit."

"Nun-" "Wir sind Händler auf dem Weg nach Azurit und haben uns im Schneesturm verirrt." Candela knurrte leise - sie hatte Azar nicht gebeten, die Führung an sich zu reißen. "Ihr handelt mit Waffen? Sonst könnte ich keinen solchen Schwielen an eurer Hand begaffen."

Diese listigen Augen ruhten auf Candela. Augen, denen nichts entging. "Seit ihr des Königs Spione? Nicht ohne Mut, nicht ohne." Hat der Typ uns grad des Verrats bezichtigt und unseren Mut gelobt?!

"Nein, wir gehören nicht zum König, wir -" Candela biss sich hastig auf die Zunge. Es gab keinen Grund diesen Wilden zu vertrauen. Aber eine Menge Motive ihre Beweggründe geheimzuhalten. Immerhin konntendie Bergmänner genauso gut loyal gegenüber ihrem König sein.

Mit einer gebieterischen Geste gebot ihr der Chief Einhalt. "Halte deine Zunge, Mädelein. Über euer Schicksal entscheiden wir bei besserem Wetter, sonst wird es nur eine Pein." Zustimmendes Gebrüll der ganzen Hütte.

Lange Rede, kurzer Sinn - die beiden wurden in einer der Hütten verwahrt. Inmitten einer leeren Aufbaut an einen breiten Pfahl gefesselt, rutschte Candela unruhig auf dem harten Boden herum. An Flucht war nicht zu denken - untätig herumsitzen konnte sie aber nicht. Verbissen zerrte sie an ihren Fesseln. Mehr als sich die Haut wund zu scheuern, brachte das aber nicht. Sie lehnte den Kopf an das Holz.

Azar bewegte sich hinter ihr. Sie waren Rücken an Rücken an dieses verdammte Stück Baum gebunden worden - immerhin war ihre Kehrseite dadurch relativ warm. Im vorherigen Tubel war ihr die Magie entglitten und das seitdem permanente Zähneklappern riss an ihren Nerven.

Eine Hand legte sich um ihre. Kaum wärmer als ihre eigene, war es lediglich eine tröstende Geste. "Ruhig." "Du hast leicht reden, dir fallen nicht vor Kälte beide Arschbacken ab", presste Candela hervor. Stille. Der Sturm tobte unvermindert außerhalb dieser vier Wände.

"Was du vorhin gesagt hast - hast du das ernst gemeint?" Jetzt war sie an der Reihe zu schweigen.

"Wovon redest du?" Candela spielte die Unwissende.

Azar kaufte es ihr nicht ab. "Glaubst du wirklich, dass du dort draußen nichts wert bist? Das dich niemand braucht?"

Möglicherweise war es der heulende Sturm, der den Eindruck von zwei einsamen Seelen im allesverschlingenden Chaos vermittelte. Oder der Wunsch, sich von ihren eisigen Gliedern und der Kälte abzulenken. Womöglich ein klein wenig die Handfläche, die ermutigend gegen ihr eigene drückte.

"Du kennst das Drecksloch aus dem ich komme - hast davon gehört." Sie atmete zitternd aus, schluckte das Schluchzen. " Eine zeitlang war ich da, naja, nicht glücklich, aber irgendwie zufrieden. Ich hatte Finn, immer - und . . . andere Menschen, denen ich etwas bedeutete."

Er fühlte, wie ihr Körper bebte, den Kampf die Tränen zurückzuhalten.

Als sie weitersprach war ihre Stimme merklich kühler, jeglicher Emotion beraubt: "Und dann habe ich alles verloren. Ja, ich behielt mein Leben, was mir mehr Strafe als Geschenk ist. Ich erwarte nicht, dass du das verstehst, aber, nein, ich denke nicht, dass mich jemand braucht. Ich habe den Menschen, die an mich glauben, nur Leid gebracht. Nur Tod. Verdammt, ich töte Menschen um zu überleben. Selbst Finn habe ich verletzt, habe ihm etwas vorgemacht. Er merkte, dass ich seit dem . . . Vorfall nicht mehr die selbe war. Bloß war ich nicht gewillt ihn . . . Ich wollte ihn nicht auch verlieren, weil ich unfähig bin."

Nach dieser Ausprache war es lange Zeit still in der kleinen Hütte, zwischen den höchsten Gipfeln. Unter dem weiten Himmelszelt mussten einige Menschen über so manches Nachdenken.

                                                                                            ~~

Onin drückte sich in der Nähe der Tür herum, behielt ein Auge auf seinen Vater gerichtet. Vernünftigerweise war es ihm verboten in dem Sturm hinauszuwandern. Unfair - die Fremden waren so interessant - so anders. Sie rochen förmlich nach Abenteuer. Der Mann mit den schwarzen Haaren und der Haltung eines Königs. Und die Frau, die so traurig war. Ob ihr kalt war? Seine Augen flitzen zwischen der hochaufragenden Gestalt seines Vaters und dem Ausgang in und her. Sein Vater beugte sich noch tiefer über seinen Krug. Onin schnappte sich ein loses Bündel Felle. Und dann schlüpfte er in die Nacht hinaus - auf die Hütte mit den Gefangenen zu.

                                                                                            ~~

Der Vater ahnte nichts. Er verzog die Stirn, so tief in Gedanken versunken. Die beiden Geiseln bereiteten ihm die wenigsten Sorgen. Seine Kommandeurin würde bald eintreffen - sie würde über die beiden entscheiden. Ohjemine. Sie wird nicht begeistert sein - überhaupt nicht. Leider konnte er denn Kurs der Ereignisse nicht zum Wohlgefallen einer Frau ändern. Selbst wenn diese Frau eine tragende Rolle bei der Befreiung seines Landes spielen würde.

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Und dort, wo zwei Gefangenen, dank einer unbequemen Sitzposition, langsam die Beine einschliefen - dort wurde gleichfalls gegrübelt. Azar grübelte über die komplizierte Persönlichkeit nach, die da hinter ihm saß. Klar, ihm war bewusst gewesen, dass sie ohne ein gewisses Maß an Verzweiflung niemals mit ihm gekommen wäre. Aber auf das war er nicht vorbereitet gewesen. Ein alter Schmerz regte sich in seiner Brust. Ich weiß wie du fühlst. Einst - einmal - habe ich auch alles verloren. Exakt das sollte er sagen. Bloß hatte er ebenso Angst.

So kam es, dass Azar sich erst wieder regte, als die Tür sich mit einem Knarren öffnete und eine kleine Gestalt ins Innere schlüpfte.

Halölle ;)

Ja, mich gibts auch noch - und ich bin mal wieder aus der Versenkung gekrochen um ein neues Kapitel zu fabrizieren. Bin diesemal sogar ziemlich zufrieden damit (nein, Eigenlob stinkt überhaupt nicht :)

LG

Between Death and FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt