Wicked Game

10 2 0
                                    

Valencia stand am Rand des Lagers und beobachtete den Sonnenaufgang. Langsam verfärbte sich der Himmel zu einem hellen Grau und eine rosige Linie tauchte im Osten auf. Es waren schon einige Stunden vergangen seit sie unter der Bettdecke hervorgekrochen war und einen von Jemmas Männern beim Wachtdienst abgelöst hatte.

Gerade wollte sie ihre übernatürlichen Sinne ein weiteres Mal auf Streifzug über das umliegende Gebiet schicken, wurde jedoch von jemandem unterbrochen.
Dank ihrer Fähigkeit selbst in größerer Entfernung jede Schallwelle zu identifizieren, war die Person, die sich gerade noch zwischen den Zelten aufhielt, von ihr nicht unentdeckt geblieben.

Was sie nichtsdestotrotz überraschte war wer sich in diesem Moment an ihre Seite stellte. Die junge Luftmagierin hatte mit Finn gerechnet, vielleicht auch mit Jordan oder Azar.
Aber es war Candela, die einen anerkennenden und neugierigen Blick auf ihr Schwert warf, die Haare ordentlich zurückgeflochten, ihr Hemd in den Hosenbund gestopft.
"Ein altes Familienerbstück?", sie deutete mit einer fragenden Handbewegung auf die Waffe, deren Griff Valencia gerade müßig drehte.
"Ja. Du interessiert dich für Schwerter?", Valencia gab sich Mühe nicht allzu schockiert zu klingen. Nur ein geübtes Auge konnte die minimalen Abnutzungserscheinungen erkennen. Sie pflegte ihren Liebling hingebungsvoll.
Candelas Mundwinkel zuckten nach unten. "Eigentlich nicht. Zu unhandlich und zu aufwendig zu pflegen. Ich bin lieber flexibel." 

Oh Mädchen, wenn du nur wüsstest was du dir damit antust...

Geschickt drehte Valencia das Schwert in ihren Händen bis sie die Klinge parallel hielt."Das ist kein gewöhnliches Schwert - so etwas bekommst du nur in Masolaire. Geschmiedet von den fähigsten magischen Schmieden die es gibt. Die Klinge bleibt viel länger scharf und das Metall zersetzt sich auf Jahrhunderte nicht." Der Stolz in ihrer Stimme war sicher nicht zu überhören.
"Außerdem ist es leichter als jedes andere Schwert." Sie hielt Candela die Waffe mit dem Griff voran hin und diese nahm sie vorsichtig.

Überraschung und etwas wie Ehrfurcht zeigte sich auf Candelas Gesicht als sie das Schwert probehalber ein paarmal schwang.
"Und was bedeuten die Symbole hier?" Valencia stellte sich zu ihr und fuhr mit den Fingern über die eingravierten Muster und Zeichen die sich, einem Schriftzug ähnlich, um die Klinge schlangen.
"Es ist ein Wort in der alten Sprache meines Volkes - der Name des Schwertes. Sturmbringer."

Ein Schatten fiel über die beiden jungen Frauen, die ihre Köpfe über das Schwert gebeugt hatten und die beiden dunklen Schöpfe fuhren abrupt auf.

Azar grinste breit über ihre verdutzten Gesichter. Naja, über ein verdutztes Gesicht.
Valencia war inzwischen ziemlich gut bekannt mit seinen Geschick sich selbst ihrer Detektion zu entziehen. Zu erscheinen als würde er einfach aus einem Schatten treten.

Immer noch grinsend warf er Valencia einen Arm um die Schultern und fragte: "Delektierst du dich schon wieder an dem Wunsch deines Herzens den Rest deines Lebens mit geschmolzenem Metall zu verbringen und kaust Candela im Prozess ein Ohr ab?" 

Die Angesprochene schüttelte genervt seinen Arm ab und keifte: "Wenn du das nochmal für normale Menschen sagst - dann bekommst du sogar eine Antwort."
Doch die leichte Röte, die ihren Hals hinaufzog, war auch eine Antwort.

Grundsätzlich war Candela so gut dabei sich selbst zu belügen - darüber, dass sie nichts und niemanden brauchte(manchmal vielleicht Finn) und nie jemandem mehr als nötig über sich preisgeben würde. Das die Hoffnungen und Träume anderer sie im Gegenzug genausowenig interessierten.
Gerade aber flogen ihr die Worte nahezu von der Zunge: "Du möchtest Schmiedin werden?"

Lügnerin, hisste eine Stimme in ihrem Kopf.

"Ja. Wenn das alles hier vorbei ist."  Valencia unterstrich ihre Worte mit einer vagen Handgeste, die sie, das Lager und womöglich diese ganze verdammte Welt umfasste.
Die Worte musste Azar daran erinnern warum sie eigentlich hier waren und ein ernster Ausdruck legte sich über seine feinen Züge. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken - deutete mit dem Kinn auf Candela.
"Dein Eisfeuer - kannst du es mittlerweile kontrollieren?" 
"Ich glaube nicht -" versuchsweise hob sie die Handfläche - richtete ihren Geist auf die leere Ebene. Nichts. "- ich komme nicht richtig ran."
"Dann wirst du jemandem brauchen der dir damit hilft. Du hast zuviel Macht - ich kann das Risiko nicht verantworten zu warten ob sie wieder aus dir herausbricht." 
"Kannst du denn das überhaupt? Mit soviel Macht umgehen?"
Er klang so ruhig und selbstsicher - Candela fühlte das Gegenteil davon.  Eine starke Gabe ist viel schwerer in den Griff zu bekommen - und wer weiß wie viel Zeit ich dafür habe.
Wie zur Antwort fuhr ein Wind um den Platz an dem sie standen - inzwischen allein, Valencia war ein paar Meter entfernt um doch noch ihre Überwachung fortzusetzen. Die Brise ließ die vertrockenten Blätter hochwirbeln, bis sie einen seltsamen Tanz vollführten. Ein prickelndes Gefühl überzog Candelas Haut - ein Knoten formte sich in ihrem Bauch und löste sich sofort wieder. Generell streckte sich etwas in Bauch, ein warmes Kitzlen in der Magengrube. So etwas hatte sie noch nie gesehen - nicht wirklich ein Wind - nein, eine schwarze ölige Präsenz, die sich tonardoartig immer höher in den Himmel schraubte.                                                                                                                                            Ihr war ja bewusst, dass Magie ständig mutierte und das innerhalb der vier Urformen unzählige Varianten existierten, aber das ?                                                                                                                           Candela fragte sich, was passieren würde, wenn dieser Todeshauch mit ihrer Haut in Berührung kam. Sie wollte es lieber nicht herausfinden. So schnell wie er gekommen war legte der sich Wind auf eine Handbewegung von Azar wieder.
Candela könnte ihren Blick nicht von seinem Gesicht nehmen. Die grauen Augen unter den schwarzen Wirbeln  sahen nicht anders aus als sonst - und trotzdem:"Was bist du?"

Ein Schulterzucken. "Jemand mit ganz besonderen Kräften." Er lächelte fast schon schüchtern. "Hab lange gebraucht um diesen Todeswind zu kontrollieren - zusammen mit meinem Blick - ", ein amüsiertes Grinsen ,"- meine Eltern haben wie wahnsinnig nach passenden Lehrern gesucht."

Candela brauchte lange um eine passende Antwort zu finden. Vermutlich sollte sie jetzt Angst haben. Der abgeschottete Ausdruck auf Azars Gesicht bestätigte ihr, dass wohl die meisten seinen Kräften mit Furcht begeneten. " Und bist du der Einzige der - " Valencias Hand krachte auf ihren Unterarm herunter - ihre Finger gruben sich schmerzhaft in ihr Fleisch.

Valencia zwang ein einziges Wort durch ihre zugeschnürten Kehle: "Timea."

Candela fühlte förmlich wie ihre Pupillen sich vor Schreck weiteten und Valencias Gesicht spiegelte diesen Schock.

Scheiße - scheiße! Denk nach, denknach denknach! 
Schlußendlich war es dennoch Valencia, die die Sache in die Hand nahm. Entschlossen stemmte sie jeweils Azar und Candela eine Hand in den Rücken und schob so lange bis sie ihre Freunde in Jemmas großem Zelt hatte. Jemand hatte dort etwas Ordnung in den Papierorkan gebracht.

Candela stand wie in Trance neben dem Tisch, exakt dort wo Valencia sie abgestellt hatte. Sie bekam kaum mit wie die tatkräftige Luftmagierin aus dem Zelt trabte und kurz darauf mit Jemma, Finn, Jordan und Spotty wieder zurückkam. Genausowenig nahm sie die kurze Erklärung der Situation mit, die Azar in gedämpftem und besorgtem Tonfall lieferte. Sie fixierte einen Punkt auf der Tischfläche und ihre Gedanken rasten im Galopp. Gleichzeitig waren alle ihre Hirnzellen im Schockzustand - das Einzige was sie immer wieder dachte war: Es ist meine Schuld. Ich bin abgehauen und Finn ist wegen mir gekommen und ich bin schuld. Egal was jetzt passiert - es ist mein Fehler.

Jemand berührte ihre Schulter. Candela blinzelte heftig und versuchte erneut zu fokussieren. Das helle Sonnenlicht von draußen wurde durch die Zeltplanen gedämpft und beleuchtete graue Augen.                                                       
"Alles ok?" Azar musterte sie mit echter Sorge. Mehrere seidige schwarze Locken waren ihm ins Gesicht gefallen. Candela schluckte. Bis jetzt hatte keiner von ihnen die letzte Nacht erwähnt und langsam zweifelte sie daran, dass es überhaupt passiert war. Can hob den Blick und sah sich mit der Tatsache konfrontiert, dass alle sie mitleidig betrachteten. "Klar - alles bestens ", wiegelte sie ab. "Also - was wissen wir ?"

Valncia trat einen Schritt vor und blickte in die Runde. "Mindestens zwei Dutzend Infector - wahrscheinlich mehr."  "Und warum haben sie noch nicht angegriffen?" Jordan klang misstrauisch. Ein klammheimlicher Angriff bei Nacht. Niemand hätte sie kommen hören. Jemma diktierte mit harter Befehlstimme:" Jetzt ist keine Zeit für Ratespielchen. Wir können nur hoffen, dass sie zu viel Schiss hatten um uns anzugreifen." Candela schüttelte entgeistert  den Kopf - Infector hatten keinen Schiss. Jordan schien ähnlich zu denken: "Und wenn es eine Falle ist ? Wir greifen sie an und laufen ihnen direkt in die Arme! Ich sage wir warten auf ihre Forderung - und wir wissen alle worauf die aus sind." Feindseligkeit triefte ihm aus jeder Pore und Candela wusste unverzüglich, dass er sie ohne mit den Wimpern zu zucken ausliefern würde.

In der Stille die folgte waren nur die Geräusche des erwachenden Lagers von außerhalb zu hören. Candela fand die Sprache wieder: "Ich gehe nicht mehr zurück." Eigentlich hatte sie wütend klingen wollten, aber ihre Stimme zitterte merklich. Finn legte eine Hand auf ihre Schulter und blickte ihr fest in die Augen: "Das werden wir nicht, hörst du? Wenn es jemand schafft der alten Fuchtel zu entkommen, dann wir. Wir schütteln ihre Bluthunde schon ab." Candela nickte halbwegs überzeugt.                                                                                                                           
Jemma plusterte sich auf - bis sie Jordan fast bis zur Schulter reichte - und die Frau schaffte es trotzdem auf ihn herabzuschauen. "Solange das mein Lager ist gebe ich hier die Befehle. Und ich werde niemand den Wölfen vorwerfen, nur weil es die einfachste Lösung ist! Also entweder du machst dich jetzt nützlich oder du verschwindest."

Azar machte keine Anstalten seinem Freund zu helfen. Jordans Mund war eine harte dünne Linie, doch zu Candelas maßloser Überraschung gab er klein bei. Er verschränkte die Arme so fest, dass seine Muskeln hervortraten -  doch er blieb.

"Na, dann "- Jemma klang viel zuversichtlicher als Candela sich fühlte -" lehren wir einer Bande berüchtigter Killer das Fürchten."


Between Death and FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt