Baby, it's cold outside

8 1 0
                                    

Ihr war nicht im geringsten klar wie sie sich in diese Situation manövriert hatte.

Um sie heulte nichts als der Sturm - wirbelte einzig das Weiß der Schneeflocken.

Zitternd schlang sie die Arme um sich selbst, die Kälte kroch unbarmherzig durch ihr dünnes Schlafgewand.

Eben hatte sie noch geschafen. Wie bin ich hier hergekommen? Wo bin ich?

Wenn sie ein Alptraum aus dem Bett getrieben hatte - wie es durchaus öfter vorkam - musste das Zelt nur wenige Meter entfernt sein.

Versuchsweise streckte sie die Hand aus, diese wurde sofort vom weißen Nichts verschluckt. Keine Chance. Wenn sie in die falsche Richtung ging würde man sie nie finden.

Und hier verharren konnte sie auch nicht. . .Sie rieb die bereits gefühllosen Finger aneinander. Nicht einmal die Zeit konnte sie bestimmen - bei diesem Wetter vermochte es weit nach Sonnenaufgang sein, sie würde es nicht merken.

Ihr Körper spannte sich. Entweder ich liege schon längst halb erfroren im Schnee und halluziniere, oder - erneut drang leises Rufen an ihr Ohr.

Leise fluchend schnippte Candela mit den Fingern - etwas Licht und Wärme wären ganz nützlich. Vergebens. Entweder ihre Finger waren schon zu steif oder . . ."Es braucht Wille, nicht große Gesten, um Magie zu befehligen", driftete Azars Stimme durch ihren Geist. Zur Hölle damit!

Mit ihrem ganzen Geist jagte sie ihre Magie, doch diese glitt immer wieder außer Reichweite. Ein weiteres Mal schallte ein Laut durch den Schneesturm. Wer immer es war - er musste ganz in der Nähe sein. Sie könnte sogar nur einen Schritt vom Zelteingang entfernt stehen und ihn niemals finden.

Zum Teufel mit der verkorksten Magie - sie würde nicht ihr Leben in einem popeligen Schneesturm lassen. Entschlossen machte Candela einen Schritt vorwärts. Der Schnee türmte sich bereits bis zu ihren Waden auf - mit klappernden Zähnen stapfte sie voran. Kaum drei Schritte gegangen rammte sie etwas Großes.

Bevor sie den Schreck verarbeiten konnte streckte das Große zwei sehr menschliche Arme aus. Jeden Funken Wärme aufsaugend umfasste Candela zwei muskulöse Unterarme und versuchte auf ihren halben Eiszapfen das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

"Azar?" Mühsam blinzelte Candela durch den Flockenwirbel. Tatsächlich - als er die Kaputze zurückschlug verfingen sich ein Tausend Schneeflocken in seinem schwarzen Haar. "Was machst du hier?" Unter Zähneklappern gab sie die Frage zurück. "Ich weiß es nicht, aber wir müssen schleunigst ins Lager zurück."

"Ach, und hast du eine Idee in welcher Richtung das liegt ?" Die Frage kam bissiger hervor, als sie es beabsichtigt hatte. Eine heftige Windböhe erfasste sie und schleuderte sie gegen Azar. Er schlang die Arme um sie, auch wenn er genauso halb abgefroren war.

"Irgendwo müssen wir anfangen." "Und wo?" Sie brachte die Worte kaum hervor  - ihre Lippen waren so taub. So schnell wie sie gekommen war verschwand ihre Entschlossenheit auch - hinfortgeweht vom Treiben des Sturmes. " Wir haben keinen Plan - nichts und die Berge vor uns sind endlos - bevor wir Hilfe finden sind wir längst erfroren - " sie dachte an Jemmas Märchen am Abend zuvor " - und uns wird kein magisches Liebesband retten."

Mutlos schloss sie die Augen - die Schneekristalle in ihren Wimpern kratzen an ihrer Haut. Sie konnten sich genausogut zum Sterben in den Schnee legen. Hätte sie auch getan . . .

"Hey -" Azar schüttelte sie so lange bis sie ihm in die Augen sah. " - aufgeben werden wir sicher nicht. Meine Magie ist nutzlos - aber ist Feuer nicht ziemlich wärmend ?" Sein Humor war an ihr verschwendet. Der ganze Frust der letzen Wochen und alles was sie sonst unter Verschluss hielt war angesichts des Todes nicht mehr zurückzuhalten. " Den Scheiß habe ich doch nie unter Kontrolle - und wenn dann nur im großen Stil - oder ist dir eine Feuerbestattung lieber?" Ihre Stimme brach. "Einen so kleinen Teil davon loszulassen schaffe ich nicht."

"Wir müssen es versuchen - wir müssen." So überzeugt war er - so viel Antrieb hatte er. Zum letztes Mal werde ich jemanden enttäuschen.

Als sie nicht antwortete sprach er noch eindringlicher weiter: " Für alle die wir lieben - du wirst das jetzt versuchen - " "Für wen denn ? Niemand da draußen braucht mich - Finn ist bei euch, endlich vor Timea in Sicherheit und ihr hängt nur eure Hoffnungen an mich, weil ihr glaubt ich könnte eine entscheidene Waffe in diesem Krieg sein." Zitternd holte Candela Luft, heiße Tränen rannen über ihr Gesicht. " Aber das kann ich nicht - ich habe mich nicht im Griff - und schon gar nicht dieses Feuer, " flüsterte sie.

Stumm griff Azar nach ihren Händen und hielt diese zwischen sie. " Du hast es schon geschafft - merkst du es nicht?"

Und ihre Hände - sie konnte sie deutlich spüren - seine waren fast schon eiskalt dagegen. Candlea schloss einmal mehr die Augen - aber diesmal nicht aus Erschöpfung, sondern weil sie sich konzentrieren wollte. Ein kleines Flämmchen aus ihrem Magievorrat zu locken - nur ein winziges, um sie beide zu wärmen. Langsam - so quälend langsam - um jeden Zentimeter kämpfend breitete sich Wärme in ihr aus. Ihre Magie buckelte - versuchte ihrer Kontrolle zu entschlüpfen  - Candela biss sich auf die Lippe. Mühsam - so mühsam gelang es ihr die Magie auch zu Azar zu schicken - bis sie ein erleichtertes Seufzen von ihm hörte. Voller Angst, dass ihr die Magie jeden Moment entgleiten würde schenkte sie Azar ein verhaltenes Lächeln. Er erwiderte es.

Trotz des schmerzhaften Pochens in ihrem Kopf, der mit der Kontrolle einherging, schaffte es Candela Meter für Meter ihre Magie an der Leine zu halten. Sie und Azar kämpften sich verbissen über und durch den Schnee. Die Hände eng verschränkt - getrennt werden war das Letzte was die beiden wollten. Immer wieder brach einer von ihnen durch die verreiste Schneedecke  - zuerst bis zum Knie - dann bis zum Oberschenkel - am Ende zitterten beide entgegen aller Magie am ganzen Körper. Schwarze Flecken tanzten gemeinsam mit den weißen durch Candelas Sicht, aber sie kniff die Augen zusammen und setzte einen Fuß vor den anderen.

Die Zeit verschwamm, die Welt beschränkte sich auf das Toben des Sturms, Azars Handfläche in ihrer und ihren rasselden Atem. "Knacks!" Der Boden brach unter ihren Füßen weg, Candela purzelte in den Schnee, jedoch kollidierte ihr Kopf mit etwas weitaus härterem.

"Autsch!" Candela griff sich an die Stirn, ihre Finger kamen rot gesprenktelt zurück. "Da." Azar buddelte etwas halb verborgen im Schnee aus. Der obere Teil eines Zaunpfostens. "Du weißt was das -" "Ja, komm- " Mühselig hievte Candela ihren Eisblock ein weiteres Mal auf die Beine. "Zu diesem Zaun gehört hoffentlich eine Hütte."

Gesagt, passiert. Sie stießen auf eine Tür - beziehungsweise rannten hinein. Mit neuer Energie stemmte Candela sich dagegen. Das Erste was sie wahrnahm war der Schwall Hitze, der ihr entgegenschlug. Das zweite waren die drei Dutzend Männer, nein Hünen, die sich zu ihnen umdrehten. Und das dritte waren dutzende Augen die sie, unter buschigen Brauen, aus ungewaschenen Gesichtern und über Dolchspitzen hinweg, feindselig musterten.

Between Death and FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt