5. Kapitel

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Sie waren in Björgvin angekommen.

Naya stand am Hafen und starrte die Mengen von Menschen an, die sich hier versammelt hatte. Es hatten mehrere Boote angelegt und die Männer beschäftigten sich mit dem Ausladen der Ware und anderen Dingen. Sie wurde so gut wie nicht beachtet, sondern eher ruppig aus dem Weg gescheucht.

Von überall drangen Stimmen in ihren Kopf und sie empfand es als unheimlichen Lärm, den sie am liebsten wieder entflohen wäre. Warum hatte sie Thorge gebeten, sie mit zu nehmen?

Ihr Vater hatte solche Städte immer vermieden, da er die Menschenmassen gehasst hatte. Obwohl er Skalde gewesen war, hatte er die kleinen Gehöfte bevorzugt. Dort hatte er zwar kein Reichtum scheffeln können aber er hatte ihr immer gesagt, dass er lieber vor den Augen von Bauern schaue, als vor reichen Leuten, die seine Kunst nicht würdigen würden.

Wenn sie Björgvin nun so betrachtete, konnte sie ihn wirklich verstehen. Dabei stand sie „nur" am Hafen. Sie wollte nicht wissen, wie es mitten in der Stadt aussah.

Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, um sich etwas sicherer zu fühlen und ging etwas weiter vom Ufer weg zu den Häusern hin. Dort lehnte sie sich gegen eine Wand und hoffte, dass sie weiter nicht beachtet wurde.

Ein Gruppe von  Frauen gingen an ihr vorbei. Sie waren in bunten Stoffen gekleidet und hatten sich die Augen schwarz umrahmt. Es sah sehr exotisch aus. Eine Duftwolke umhüllte sie, die Naya an eine Menge Obst und Blumen erinnerte. Es roch wundervoll.

Unauffällig schnüffelte Naya an sich und verzog das Gesicht.

Bei allen Göttern, sie könnte diese Duftwolke selbst gut gebrauchen.

Obwohl sie versucht hatte, sich auf dem Boot zu waschen, stank sie erbärmlich und dafür schämte sie sich wirklich. Besonders da die Frauen vor Roars Boot stehen blieben. Einige hatten sie gesehen und ihr zugenickt. Sie waren nicht arrogant, was ihr Aussehen vermuten lassen würde.

Naya konnte sich schon denken, was diese Frauen waren. Es waren Huren. Dirnen, die am Hafen entlanggingen, um sich eine gute Partie für die Nacht zu sichern.

Naya hatte selbst schon viele Huren gesehen, doch die waren unansehnlich gewesen. Meist waren diese Frauen hässlich, hatten ungewaschene Leiber und irgendeine Krankheit. Sie versuchten ihren Lebensunterhalt durch die Männer aufzubessern oder ihre Kinder zu ernähren, die sie mehr oder weniger unfreiwillig bekommen hatten. Sie standen vor den größeren Gehöften und versuchten die Männer anzulocken, in dem sie etwas von ihrem Körper zeigten. Ein Bein oder, wenn die Frau besonders verzweifelt war, die Brüste.

Doch diese Frauen waren anders.

Sie trugen nicht den groben Stoff der Bauern.

Am liebsten hätte Naya die Kleider berührt um fest zu stellen, ob sie wirklich so weich waren, wie sie aussahen.

Sie waren alle sehr sauber und hatten ihr Haar so geflochten und am Kopf hochgesteckt, dass man ihre Nacken und den Hals sehen konnte. Das war das einzige Attribut, dass sie den Männern zustanden.

Und trotzdem kamen die Männer, kaum dass die Frauen angehalten hatten, um sie auf ein Boot oder irgendeine versteckte Nische zu locken.

Doch sie lehnten lächelnd ab. Manche wurden sanft vertröstet, andere eher schroff abgewiesen.

Sie waren etwas anderes gewöhnt als arme Hafenarbeiter und das merkte man.

Nun schienen sie auf etwas zu warten.

Naya war neugierig geworden und kam doch wieder etwas näher.

Dann erschien Thorge und die Frauen begannen leicht zu winken und seinen Namen zu rufen. Er lächelte sie an und sprang vom Boot. Er behielt das Lächeln, als er auf die Frauen zu lief.

Thorges Neuanfang -Gunnarsson-Saga Teil 4-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt