5. Kapitel

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Lucius

Lucius bekam kaum mit, wie die nächsten vier Wochen vergingen. Die Beerdigung hatte ausgelöst, dass er endgültig in Trauer versank und die Welt um sich herum kaum noch wahrnahm. Er verbrachte viel Zeit in Dracos Zimmer, sprach zu seinem Sohn und besuchte ihn auf dem Friedhof, wo er auch öfters stundenlang bis spätabends blieb.

Nach diesem Monat wurde sein Kopf langsam klarer, auch wenn die Trauer ihn noch fest im Griff hatte. Er bekam wieder mehr von seiner Umwelt mit und stellte fest, dass Hermine - ja, sie waren nun per du - eigentlich sehr sympathisch war. Dadurch wurde ihm auch bewusst, dass er ihr all die Jahre Unrecht getan hatte. Er hatte sie zwar schon bei der Trauerfeier vor den Ausfälligkeiten seines Cousins verteidigt, dennoch entschuldigte er sich noch einmal ausführlich bei ihr, denn er bereute seine Taten sehr. 

Er musste sich auch eingestehen, dass ihre Gesellschaft ihm gut tat, denn außer den Hauselfen und ihm war niemand im Manor. Narzissa ging es immer noch sehr schlecht, weshalb sie weiterhin bei irgendeiner fernen Verwandten lebte. Zu viel erinnerte sie im Manor an Draco.

Eines Tages, Ende Juli, kam Hermine mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck im Manor an. 

"Hermine", sagte Lucius, als sie sich die Hand gaben. "Ist etwas passiert? Du siehst bedrückt aus."

"Nun ja, es gibt da etwas,  über das wir reden müssen", erwiderte die junge Frau und führte ihn in den Salon. "Setz dich am besten."

Automatisch ließ sich Lucius auf das  riesige cremefarbene Sofa sinken, sein Herz schlug auf einmal schneller. Wenn er sich setzen sollte, waren es wirklich schlechte Neuigkeiten.

Hermine begann, vor dem Kamin auf und ab zu gehen. Sie wirkte, als wüsste sie nicht so recht, wo sie anfangen sollte. Schließlich atmete sie tief durch, drehte sich zu ihm um und sagte:

"Lucius, Narzissa möchte sich von dir scheiden lassen."

Sein Gehirn schien die Worte nicht verarbeiten zu können. "Kannst du das wiederholen?"

Hermine nickte vorsichtig. "Narcissa möchte sich von dir scheiden lassen."

Es dauerte noch einige Sekunden, bis er wirklich den Sinn kapierte. Kalte Wut packte ihn, er stand auf, war mit einem Satz bei Hermine und schüttelte sie kräftig.

"Was zum Teufel soll das?", herrschte er sie an. "Was fällt dir ein, solche Lügen zu erzählen? Siehst du nicht, dass ich genug durchmache? Ist das deine Rache für die letzten Jahre?"

"Lass... lass mich los, Lucius!", sagte Hermine mit klappernden Zähnen. "Das... das hat nichts mit Rache zu tun! Hör mir einfach zu!"

Schwer atmend entfernte sich der Blonde von ihr und starrte sie wütend an. 

"Lucius, als Narzissa damals in Dracos Zimmer gekommen ist und mit mir reden wollte, hat sie mir gesagt, ich soll dir sagen, dass sie sich scheiden lassen will. Ich habe mit der Sache an sich nichts zu tun, ich überbringe dir nur die Botschaft. Ich habe damit gewartet, bis es dir ein wenig besser geht."

"Ich glaube dir immer noch kein Wort", sagte Lucius kalt. "Das ist alles ein Riesenlüge!"

"Schön. Wenn du mir immer noch nicht glaubst, wende einen Legilimens an. Ich habe gehört, dass du hervorragend in Legilimentik bist."

Lucius starrte Hermine an. Sie wollte, dass er in ihre Gedanken eindrang? Das konnte sie doch nicht ernst meinen! 

"Nun mach schon!", sagte sie ungeduldig. "Ich zeige dir nur das, was du sehen musst. Und glaub mir, ich habe meine eigenen Erinnerungen nicht manipuliert. Dazu bin ich nicht imstande." 

Okay, sie meinte es doch ernst. Zögernd zog Lucius seinen Zauberstab aus dem Schlangenstab und richtete ihn auf Hermine.

"Legilimens!", sagte er, während er ihr in die Augen blickte. Dann drang er in ihre Gedanken ein, die Hermine sorgfältig geordnet hatte. Sie ließ ihn tatsächlich nur das sehen, was er sehen sollte. 

Sie stand mit Narzissa vor Dracos Zimmer und redete mit ihr. Beziehungsweise war es gerade Narzissa, die redete:

„Zuerst einmal möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen für das, was Ihnen damals hier im Manor passiert ist", flüsterte Narzissa. „Ich wünschte ich hätte es verhindert, doch ich war zu feige damals. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen, dass ich nichts getan habe."

Hermine schien ziemlich überrascht zu sein, vermutlich angesichts Narzissas Freundlichkeit.

„Ich verzeihe Ihnen, Mrs. Malfoy", antwortete Hermine. „Sie hätten damals nichts tun können, ohne Ihr eigenes Leben oder das Ihres Sohnes und Mannes zu riskieren. Aber hier geht es nicht um mich. Ich möchte Ihnen mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken. Draco war immer ein guter Mann, das weiß ich."

„Vielen Dank, Miss Granger, das ist sehr nett von Ihnen", schniefte Mrs. Malfoy. „Ich... also... weswegen ich eigentlich mit Ihnen sprechen wollte...ich werde mich von meinem Mann scheiden lassen und wollte Sie bitten, ihm dies von mir mitzuteilen."

Perplex sah Hermine die trauernde Frau an. „Sie wollen, dass ich ihm diese Botschaft überbringe?"

Mrs. Malfoy nickte, ihr Blick wirkte flehend. „Ja, bitte, Miss Granger. Ich schaffe es einfach nicht, ich werde auch nicht hierher zurückkehren. Wissen Sie... ich kann meinem Mann kaum noch in die Augen schon. Seit einiger Zeit nicht mehr. Ich möchte einfach nur noch weg von ihm. Ich ertrage seine Nähe nicht mehr. Er... er hat Dracos Tod mitverschuldet. Aber bitte sagen Sie es ihm nicht vor der Beerdigung, ich weiß, dass auch er leidet und... trotz allem möchte ich nicht, dass er durch diese Nachricht doppelt leidet. Geben... geben Sie ihm etwas Zeit."

Hermine zögerte einen Augenblick lang, dann nickte sie. „In Ordnung, Mrs. Malfoy, ich werde mich darum kümmern."

Lucius wusste, dass er an dieser Stelle aufhören musste und tauchte aus den Gedanken wieder auf. Hermine hatte nicht gelogen, das wusste er nun. Und er wusste auch, dass er es tief im Unterbewusstsein die ganze Zeit gewusst hatte. Zwar hatte er sich immer eingeredet, dass Narzissa aus Trauer nicht zurück ins Malfoy Manor kam, aber das war nie der einzige Grund gewesen - sie war auch wegen ihm nicht zurückgekommen. Sie gab ihm die Schuld an Dracos Tod und sie hatte jedes Recht dazu.

"Lucius? Wie geht es dir? Kann ich irgendetwas für dich tun?", fragte Hermine leise.

Das fragte er sich gerade selber - wie ging es ihm? Er fühlte in sich hinein und spürte keinerlei Traurigkeit, im Gegenteil - er war irgendwie erleichtert. Erleichtert, dass diese erzwungene Ehe ein Ende hatte. Ihm war schon immer klar gewesen, dass er Narzissa nicht liebte. Auch die anfängliche Wut über die Nachricht war verflogen.

"Mir geht es gut, Hermine - den Umständen entsprechend. Die Nachricht hat mich erleichtert. Weißt du, wir wurden zwangsverheiratet, da war keine Liebe im Spiel. Irgendwie bin ich froh, dass diese Farce endlich ein Ende hat. Könntest du ein Schreiben für meinen Anwalt Matthew Smith aufsetzen? Ich möchte, dass er diese Sache nicht von Narzissas Anwalt erfährt."

"Natürlich", antwortete Hermine. Sie sah aus, als wüsste sie nicht, was sie von seiner Reaktion halten solle. Sie machte sich auf den Weg in sein Arbeitszimmer und er ließ sich von Mocky ein Glas Wein bringen. Trotz seiner Trauer hatte er einen Grund zum Feiern.

Lucius Malfoy's Misery - LumioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt