Kapitel 2

2.8K 111 24
                                    

Während einer ewig langen Fahrt erzählt sie mir alles, was sie über meine Brüder weiß.

Sie haben meine Grams regelmäßig besucht. Wöchentlich. Manchmal waren sie zusammen brunchen oder haben Spaziergänge gemacht. Manchmal haben sie zusammen gekocht oder waren im Garten und haben Sträucher geschnitten. Das Ganze hat aber aufgehört und seit Monaten hat sie die drei nicht mehr gesehen. Sie haben selten telefoniert und das nur flüchtig, gerade so, dass sie wusste, wie es ihnen geht und was sie in letzter Zeit gemacht haben.

Während der Erzählung habe ich angefangen zu weinen. Ich habe nie begriffen, wie sehr ich meine Brüder vermisse. Ich habe in Phoenix eine Art Maske aufgebaut, habe meine Erinnerungen nicht an mich rangelassen.

"Ich habe dich an ihrer Schule angemeldet", sagt Grams nach Minuten von Stille. "Du hast was?", frage ich leicht verzweifelt und geschockt. "Naja, sie gehen in eine gute Schule. Sie hat eine tolle Lage. Nah bei uns und doch nah am Strand", erklärt sie mir, aber es klingt eher nach einer Ausrede für mich.

Ich fahre mir gestresst über das Gesicht. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich sie nicht wiedersehen. Okay, vielleicht in ein paar Jahren, aber jedenfalls nicht jetzt. Wobei ich mir aber sicher bin, ist, dass ich so schnell wie möglich meine Nerven beruhigen und entweder rauchen oder Snus nehmen musste.

Ich krame mein Handy aus meinem Rucksack, der bei meinen Füßen liegt. Ich gehe auf iMessage und schreibe Sarah.

Ich: 911

Nach wenigen Minuten erhielt ich schon eine Antwort, die nur die Worte "Was ist los?", beinhaltete.

Ich: Bitte sag mir, dass du und Cole auf die Schule meiner Brüder geht?

Sarah: Ähm ja, wieso?

Ich: Meine Grams hat mich dort angemeldet und ich schiebe gerade Panik...

Sarah: Das packen wir schon, glaub mir :*

-

Es war schon mehr als ein Tag vergangen und ich muss in ein paar Stunden aufstehen, um in die Schule zu gehen. Juhu. Ich freue mich meine Brüder zu sehen, aber was ist, wenn sie mich nicht erkennen? Wenn sie mich nicht einmal bemerken? Okay, sie werden mich bemerken. Ich bin die neue, die bei Sarah steht. Bei dem Mädchen, das Levi liebt. Ich bezweifle, dass sie mich nicht bemerken würden.

Ich wende mich von dem Fenster, bei welchem ich meinen neuen Aschenbecher platziert habe, ab und schmeiße mich auf mein Bett.

Um weitere Gedanken über die neue Schule und meine Brüder und Panik zu vermeiden, schließe ich meine Kopfhörer an mein iPhone an und schaue mir auf YouTube ein ASMR Video an. Ich liebe es, den Geräuschen zu lauschen und mein Handy liegt verkehrt am Bett rum.

Der Wecker, auch Grams genannt, weckt mich mit dem Worten: "Aufstehen, du faule Nuss!"

Liebevoll nehme ich eines der Kissen, auf denen ich schlafe, und werfe es ihre Richtung. "Schätzchen, du musst dich fertig machen. Schminken und so, du weißt schon. So kannst du nämlich nicht außer Haus gehen!", sagt sie.

Wütend springe ich auf. "Das hast du jetzt nicht gesagt!", sage ich bedrohlich und zeige mit meinem Zeigefinger auf sie.

"Na bitte! Hat doch geholfen", sagt sie triumphierend. "Dein Müsli steht am Tisch" Ich schaue ihr ungläubig nach. Hat sie das wirklich gemacht?

Da mein Essen schon am Tisch steht und ich es nicht mag, wenn meine Cornflakes von der Milch aufgeweicht sind, laufe ich aus meinem Zimmer und den Gang runter, um in die Küche zu kommen. Ich setze mich auf den Stuhl und schlinge mein Müsli runter. Danach stehe ich auf und laufe in das Bad, wo ich Deo unter meinen Achseln gebe (ich halte nichts vom Duschen in der Früh. Das verbraucht zu viel Zeit, in der man eigentlich schlafen kann) und wasche mein Gesicht, dass ich anschließend eincreme. Ich nehme noch die Zahnbürste und putze mir (was auch sonst) die Zähne. Da ich meine Haare nicht durchbürste (habt ihr die schon mal gebürstet gesehen? Da habe ich Ähnlichkeit mit einem Löwen), mache ich mich an mein Make-up ran. Ich trage Concealer auf, bürste meine Augenbrauen in Form, biege meine Wimpern, trage Mascara auf und schmiere mir ein farbloses Lipgloss auf. Ich renne aus dem Bad und direkt in mein Zimmer.

LIVWo Geschichten leben. Entdecke jetzt