Fünfundzwanzigste Scherbe

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Du hast mal zu mir gesagt, du wartest auf ein Wunder.

Du hast das gesagt, als wäre das etwas Kostbares, Magisches, etwas, das man umsichtig in der obersten Schublade der Kommode einschließt und nur zu besonderen Anlässen herausholt.
Das einem den Atem verschlägt, wenn man es ansieht, so etwas.

Ich glaube, du irrst dich.
Wunder sind zart wie ein Windhauch und kleiner als deine Hand. Manchmal sind sie äußerlich abstoßend und hässlich, aber im Inneren makellos.
Erinnerst du dich an meine Sorgen?
So sehen Wunder aus.

Jeder erlebt irgendwann mal eins.
Ob man es als solches erkennt, ist eine andere Sache.

Wenn ein Wunder sich also unbemerkt in dein Leben schleicht und langsam und leise zur Gewohnheit wird, hinterlässt es ein Loch in deiner Routine und ein noch größeres Loch in dir selbst, wenn es wieder verschwindet.

Wunder halten nicht ewig.

Du darfst nicht zu sehr an ihnen festhalten, sonst stehst du irgendwann da und hältst ihre Scherben in der geballten Faust.

Wunder erkennt man meistens erst an ihren Scherben.

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