Kapitel 31

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Erstaunlicherweise erwachte ich frisch, mit einem beinahe klaren Kopf und Gedanken an Nael. Der einzige Weg aus meinem Zimmer war der durch die Tür. Als ich sie öffnete stand dort bereits Raiden und ich wurde wieder zu seiner Marionette. Er drückte mich an sich, küsste mich und es war um mich geschehen. Dann trug er mich zum Ankleiden in einen anderen Raum und blieb bis zum großen Moment dicht an meiner Seite.

Da standen wir nun in der Marmorhalle. Dekoriert für eine Gothic-Party. Raiden schwafelte vor versammelter Mannschaft. Er hielt seine eigene Trau-Ansprache und ich – ich hing an seinen Lippen. Nie hatte einer schönere Worte gefunden. Wie ekelhaft.

„Nun, Ribanna. Willst du mich zu deinem angetrauten Ehemann nehmen?"

Bevor ich antworten konnte, trat Nael ins Rampenlicht. Ganz in schwarzes lebendiges Leder gehüllt. So kannte ich ihn gar nicht. Er trug denselben Dress wie Raiden, allerdings war das Hemd nicht ganz so eng. Wenn das mal nicht eine Herausforderung war.

„Raiden, Ribanna. Ich weiß, dass ich dieses Spiel verloren habe." Nael trat näher. Er sah übernächtigt aus, war blass und schwitzte. „Und ich möchte mich bei euch für mein Verhalten entschuldigen." Er trat furchtlos noch näher. Schwankte er?

„Raiden. Ribanna war die Liebe meines Lebens. Erlaube mir bitte einen einzigen Kuss, bevor du sie zur Frau nimmst. Du weißt, wenn man einem Mooner seinen Match nimmt, wird der Mooner sterben. Sieh mich an, wie schlecht es mir jetzt schon geht. Darum hast du nichts zu befürchten. Danach gebe ich mich in deine Hand." Nael kniete vor ihm nieder. Das schien Raiden zu gefallen.

(Raiden) Awww – wie herzzerreißend! Dieser Art von Schauspiel könnte ich stundenlang zusehen. Er sah wirklich schlecht aus, wenn nicht sogar kurz davor in die ewigen Jagdgründe einzugehen. Ein Kuss? Sollte er haben. Der würde sie ihm auch nicht wiedergeben.

„Nael, auch mit einem letzten Kuss wirst du sie nicht zurückbekommen. Sie ist mein. Aber weil ich sehr....gütig... bin, gewähre ich dir deinen letzten Wunsch, bevor ich dich töte. Vielleicht hat sich das bis dahin ja aber auch selbst erledigt. Du siehst scheiße aus." Raiden trat nur wenige Zentimeter beiseite, so das Nael sich zwischen uns quetschen musste. Er hielt auch weiterhin meine Hand, wohl um die Macht über mich aufrecht zu erhalten.

„Ribanna, was immer gleich passiert. Ich liebe dich." Nael stieß sacht seine Stirn an meine, dann küsste er mich sanft, aber mit einer Hingabe in den Augen, die gegen jede Mooner-Tradition verstieß. Er lupfte sein Hemd und ich sah, dass in seiner Brust etwas steckte, was dort nicht hineingehörte. Er blutete. In einem blitzartigen Moment drückte er die schwarz-lila-glimmende lange Nadel, die vorne herausragte und hinten wahrscheinlich auch und mit einer seltsamen Substanz gefüllt war, tiefer in sich hinein. Er rammte sie förmlich durch seine Brust in den dahinter stehenden Raiden, der nicht mehr reagieren konnte. Mit so einer heimtückischen Idee hätte niemals jemand gerechnet. Sky war sofort zur Stelle und zog die Nadel aus Naels Rücken um sie tiefer in Raiden zu stoßen. Raiden schrie wie am Spieß. Irgendwie war er es ja auch. Hässlich. Ich wunderte mich, warum Sky so hässliche Handschuhe und eine Brille trug. Nael wisperte ein weiteres „Ich liebe dich." und schien bemüht zu sein nicht genau auf Raiden zu sinken, der ebenfalls gefallen war und sich vor Schmerzen wand. Mein Verstand war schlagartig wieder klar, aber ich wusste trotzdem nicht, was zu tun war.

Raiden wollte seiner Pein entfliehen, aber Sky sorgte dafür, dass die Nadel dort blieb, wo sie war. Sie schwächte ihn stark. Schwarz-lila Flechten breiteten sich von der Wunde über den ganzen Körper Raidens aus. Ein verstörender Anblick.

„Sky! Jetzt." rief der „echte" Raiden. Mit letzter Kraft bäumte er sich auf, würgte und spuckte etwas aus, bevor er zusammen sackte. Er lebte immer noch. Meine Aufmerksamkeit galt aber meinem Liebsten.

„Nael. Ich liebe dich. Du darfst nicht sterben." Die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg.

„Das werde ich auch nicht, wenn du tust, was ich dir jetzt sage." Seine Stimme zitterte und war nur ein Hauch von Nichts.

Ich war aufmerksam.

„Raiden hat mir gerade etwas in den Nacken gespuckt. Finde es, wasch es und leg es in meine Wunde. Beil dich." Er schloss die Augen.

Ich fing an den Fußboden abzusuchen und fand natürlich nichts. Dann hob ich Naels Rumpf und fand an seiner Seite eine kleine Ei-förmige-Perle in schwarz und silber. Womit waschen? Mein Blick irrte umher und fiel auf eine Flasche Alkohol, die eigentlich zum Anstoßen gedacht war. Damit spülte ich die Perle ab. Ich legte sie in Naels Wunde, die sofort aufhörte zu bluten. Die Haut verschloss sich und das Leder ebenfalls. Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten, vergingen und Nael öffnete kurz seine Augen, in denen ich geschlitzte Pupillen entdecken konnte.

Ein paar Helfer näherten sich. Sie waren ausgestattet wie vom Seuchenschutz. Sie kümmerten sich um Raiden, der zwar schwer verletzt war, aber noch lebte.

„Er ist nicht tot. Wir müssen ihn in das Raumschiff der Tir'ach bringen. In die Zelle." befahl Sky. Die Helfer fesselten Raiden und wickelten ihn in eine Art Folie ein um ihn zum Raumschiff zu transportieren. Halo folgte dem Trupp und verteilte dabei pink-glimmerigen Rauch.

Erstaunlich schnell kam Nael wieder auf die Füße.

„Geht es dir gut?" Ich betastete Nael, der sofort meine Hände davon abhielt ihn zu berühren.

„Tu das nicht. Mir geht es gut." Er fasste mich an den Schultern und blickte mich gefühlt eine halbe Ewigkeit an.

„Was war das? Bist du jetzt auch ein Draconian?" Mein Verstand versuchte die Tatsachen logisch zu kombinieren. Ich hatte viele Fragen. Nael bremste mich, indem er mir einen Finger auf die Lippen legte. „Ribanna. Es ist viel passiert. Manche Bilder werde ich ewig in meiner Erinnerung tragen. Und doch weiß ich, dass du die Eine bist. Lass uns heiraten. Jetzt."

Der König trat an uns heran. „Die Ansprache und die Tätowierung können wir uns sparen. Nael? Willst du Ribanna zur Frau?"

Nael blickte mir tief in die Augen und öffnete schwankend den Mund, doch anstatt einer Antwort brach er in sich zusammen.

Twelve MoonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt