Kapitel 4

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Nael begann mit seiner Erklärung und wanderte unruhig im Zelt umher, sah mich dabei aber ständig an.

„Ich komme nicht von hier. Nicht aus Deutschland, nicht aus Europa, nicht von dieser Welt. Meine Heimat liegt etliche Lichtjahre weit von hier. Der Planet, auf dem ich lebe, heißt in menschlicher Sprache „Twelve Moons", weil es zwölf Monde sind, die ihn umkreisen. Ansonsten ist er der Erde ziemlich ähnlich. Auch dort gibt es Tag und Nacht, Tiere und Bäume, Berge, Flüsse und Seen. Aber manches sieht etwas anders aus als hier." Sein Blick glitt in die Ferne, als ob er seine Heimat vor seinem geistigen Auge sah und sich wieder dahin zurücksehnte.

„Für jeden Mond gibt es eine Region. Und für jede Region eine Herrscherfamilie. Ich bin aus einer solchen. Wir nennen uns Mooner. Du brauchst keine Angst zu haben – ich bin keiner von den Typen, die ihren blanken Hintern der ganzen Welt zeigen", versuchte er sich an einem Witz und es funktionierte. Ich musste schmunzeln.

Während Nael kurz innehielt, hingen sich meine Gedanken an dem Wort „Mooner"auf. Was ich damit in Verbindung brachte, waren tatsächlich nur zwei Dinge: die Typen die ihren Allerwertesten der ganzen Welt präsentierten und – was schlimmer war – die Heinis von der Moon-Sekte...

Er blickte mich kurz an, als könnte er meine Gedanken lesen: „Auch mit dieser Sekte habe ich nichts zu tun", zog er meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Wenn ein männlicher Nachkomme 29 Jahre alt wird, wird er vom König auf eine Reise geschickt um sich eine Frau zu suchen. Der König bestimmt den Planeten. Er hat für mich die Erde bestimmt. Meine Mutter und 30 Personen aus unserer Leibgarde und Dienerschaft mussten mit mir gehen. Ich darf oder durfte nicht wiederkommen, bis ich meinen „Moon"– mein Gegenstück - gefunden habe. Die Zeit spielt dabei keine besondere Rolle, weil wir sie bei unserer Reise für uns Mooner in einem gewissen Maße beeinflussen können." Er sah mich eindringlich an. Ich war zu geflasht um überhaupt etwas zu sagen oder zu denken. Ich konnte lediglich verhindern, dass mir die Kinnlade bei dieser abenteuerlichen Geschichte nach unten fiel.

„Ich bin mir sicher, dass du mein Moon bist", fuhr er fort. „Wir Mooner fühlen es sehr intensiv. Hier." Er stand mittlerweile wieder direkt vor mir, ergriff meine Hand und legte sie auf sein Herz. Bei meiner Berührung wurde der Herzschlag dermaßen kräftig, dass – ich weiß auch nicht, wie ich das beschreiben soll – meine Hand sich im Rhythmus seines Herzschlags bewegte. Ich war gerührt.

Fragen wallten in mir auf, aber ich stellte sie nicht, weil ich zugesagt hatte ihn nicht zu unterbrechen.

„Das bedeutet: Wenn du einwilligst meine Frau zu werden, kann ich mit unserer Familie wieder nach Hause. Ein Zu Hause, nachdem wir alle uns so sehnen, aber für das du alles verlassen musst." Es dauerte ein wenig, bis sich die gehaltvolle Botschaft dieser Worte in meinem Hirn einfand....für das ich alles verlassen muss. Wollte ich das? Konnte ich das?

Seine Körpersprache zeigte mir, dass er fürs erste fertig war und ich wohl doch ein paar Fragen loswerden konnte. Mein Verstand allerdings war nicht dazu in der Lage die wirklich wichtigen Fragen zu stellen und sie auch so zu formulieren.

„Willst du jetzt wissen, ob ich deine Frau werde?" Mein Gesichtsausdruck nahm sarkastische Züge an.

„Am liebsten ja. Aber ich kann das nicht von dir verlangen", kam es sehr ernst von ihm.

„Da hast du wohl recht. Um ehrlich zu sein bin ich gerade sprachlos. Das ist ne ziemlich abgefahrene Story. Aber du bist glaubhaft. Echt jetzt. Um eine Entscheidung zu treffen, die ich den Rest meines Lebens tragen muss, ist es definitiv zu früh. Ich kenne dich gerademal etwas mehr als einen Tag. Ich muss mehr wissen. Über dich und dein Zuhause. Was erwartet mich auf deinem Planeten? Was ist, wenn ich nicht das Gefühl habe dein Moon zu sein? Was erwartet mich als deine Frau? Wie sieht es auf deinem Planeten aus? Was, wenn ich auch Heimweh kriege?" Er legte mir einen Finger auf den Mund um meine Fragenflut zu stoppen. Ich machte weiter, leiser und nicht so aufgeregt wie eben. „Nael, mein Hirn ist voller solcher Fragen, die sich im Kreis drehen und mich ganz wirr machen. Und dann sind da noch Gefühle im Spiel oder auch nicht..." Ich bremste mich selber ein, weil ich wusste, dass das in diesem Moment alles keinen Sinn hatte. „Eine Frage hätte ich da noch: Wirst du mir alle meine Fragen beantworten?"

Twelve MoonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt