Kapitel 21

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(Raiden) Da war ich mit einem Korb voller Nahrung und sie schlief. Ich trat an ihre Schlafstatt und betrachtete sie. Die letzte Draconian-Königin. So ungeschützt. So verwundbar. So wohlriechend. Seit wir in die Umlaufbahn von Twelve Moons eingedrungen waren, hatte ich ihren Duft in der Nase. Er brachte mich fast um den Verstand. Jahre lang dachte ich, ich sei der letzte. Und dann rieche ich sie. Weibliches, königliches Draconian-Blut in den Adern. Ich habe nur ein Problem. Wie werde ich diesen Nael auf elegante Art und Weise los ohne bei ihr in Ungnade zu fallen? Hmm. Fürs erste werde ich versuchen ihr Herz zu gewinnen. Man nehme: Prinz-Charming-Taktik mit Bad-Boy-Gewürz. Sollte das nicht funktionieren, müssen wir wohl härtere Geschütze auffahren...Warum habe ich bloß solche Kopfschmerzen? Es fühlt sich an, als würde sich Dunkelheit in mir ausbreiten...

Ich erwachte, weil neben mir ein gewisser Raiden lautstark in einen Apfel biss. Es war stockdunkel draußen. Raiden hatte ein Feuer im Kamin angemacht, der mir vorher gar nicht aufgefallen war.

„Hallo eure Durchlaucht. Ausgeschlafen?" fragte er keck und nagte weiter an dem Apfel herum ohne mich anzusehen.

„Ich wurde geweckt. Du kannst mir nicht zufällig sagen, wer hier in einer massiven Lautstärke Äpfel vertilgt?"

„Nein, ich hab den Mund voll." kaute er.

Ich erblickte den Korb mit Fressalien, der neben ihm auf dem Bett stand und angelte mir auch einen Apfel heraus. Kauend saßen wir da.

„Wir müssten noch mal reden. Hast du Lust?" Er wirkte so ungezwungen und entspannt. War das tatsächlich Raiden? Der mir vorher wie ein düsterer, trauriger, allwissender Drachenkönig erschien.

„Nein." fauchte ich.

„Das hab ich mir schon gedacht. Du kannst das Gespräch der Wahrheit zwar rausschieben, aber aus der Nummer selbst kommst du nicht mehr raus." Jetzt blickte er mich an. Und wie! In seinen grünen Augen sah ich alles Mögliche: Belustigung, Trauer, Lüsternheit, Kampf. Und etwas, dass ich lieber nicht gesehen hätte: Dunkelheit und Lüge. Das gehörte dort nicht hin. Was war mit ihm?

(Raiden) In meinem Kopf kreiste alles Mögliche an Gedanken. Ich mochte sie. Sie war ein liebenswertes Wesen. Vielleicht würde ich mich in sie verlieben. Diese Gedanken waren rein und unschuldig und wahr. Doch etwas anderes in mir, etwas, dass ich von mir nicht kannte, trat auch auf den Plan. Ich empfand es als eine Art unterschwellig aggressive Lüsternheit. Diese Gedanken waren mir selbst zuwider. Etwas in mir wollte sie nur um Nachwuchs zu zeugen. Ich hatte Angst, Angst vor meinen eigenen Gedanken. Aber noch konnte ich dagegen ankämpfen. Sie durfte davon auf jeden Fall nichts merken. Verdammt nochmal! Ich als Draconian sollte und konnte mich doch wohl im Zaum halten!

„Da testet jemand seine Fähigkeiten." Er wandte seinen Blick ab. „An denen wir übrigens auch noch arbeiten müssen." Er schnüffelte. „Vorerst jedoch solltest du dir ein Bad gönnen. Du müffelst." Spontan griff ich mir ein Kissen und donnerte es ihm ins Gesicht. „Dann riech doch mal an dir du Harzer Roller." In der Tat, wir beide rochen noch nach dem Lockstoff, den wir für die Tir'ach ausgeströmt hatten. Das war für uns nicht wirklich appetitlich.

„Ich habe da schon eine Idee. Bis zu unserem Schichtbeginn haben wir noch etwas Zeit. Komm mit." Er sprang vom Bett und hielt mir die Hand hin. Ich schlug wiederwillig ein und folgte ihm in den dunklen Wald. Wir mussten durch ziemliches Dickicht hindurch, bevor wir an eine kleine Grotte kamen, die von einem Mini-Wasserfall gespeist wurde. Sie sah irgendwie künstlich aus.

Raiden ließ mich kurz warten. Wenige Minuten später war die Grotte mit winzigen Leuchten in ein einzigartiges Licht getaucht, der Wasserfall kam wieder etwas in Schwung und Raiden trabte an. Er hatte ein paar Handtücher unter dem Arm und ein Stück Seife in der Hand. Beides ließ er fallen nur um wie selbstverständlich die rückwärtige Schnürung meines Korsetts zu öffnen. Entrüstet sah ich ihn an und schnaubte.

Twelve MoonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt