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Als ich mitten in der Nacht aufwache, tut mein Rücken weh. Ich habe anscheinend in dem Sessel, in dem ich aufbereitet wurde, geschlafen. Vorsichtig strecke ich meine Wirbelsäule. Ich stehe auf und gehe zurück in meine Wohnung. Dort lasse ich mich wieder aufs Bett fallen und schlafe gerade wieder ein. Als die Sonne dann aufgeht, wache ich endgültig auf. Ich stelle mich unter die Dusche. Das kalte Wasser klärt das Gewirr in meinem Kopf ein bisschen. Heute ist der Tag, an dem ich das erste Mal im Showbereich auftreten werde. Was mache ich, wenn mich jemand erkennt? Immerhin war ich früher nicht gerade unbekannt. In sämtlichen Countryclubs in denen ich angemeldet war, kannte jeder meinen Namen, auch wenn ich die Leute vorher noch nie in meinem ganzen Leben gesehen habe. Allerdings habe ich mich dort nicht sonderlich oft blicken lassen. Trotzdem beschließe ich, Jaxx das nachher zu fragen. Es klingelt und ich renne in einem Handtuch zum Aufzug, um Thekla abzuholen, die vor der Tür steht. „Guten Morgen, Victory." „Morgen Thekla." Sie umarmt mich. „Heute ist dein großer Tag. Ich habe dir extra dafür ein Outfit schneidern lassen, das alle anderen Frauen vor Neid grün werden lässt." Sie schwenkt eine große Papiertüte, die sie in der Hand hält. „Ich bin mir sicher, es könnte sogar dir gefallen." Sie nimmt mich in den Arm. Ich will sie etwas fragen, traue mich aber nicht wirklich, das ihr gegenüber laut auszusprechen. Dennoch frage ich: „Bekomme ich eine Waffe?" Sie flippt nicht wie erwartet aus. „Ich habe dir ein Messer in die Handtasche eingenäht, dass muss ich dir nachher noch zeigen. Und du hast ein paar Wurfmesser in deinem Jackett." Ich kann nicht fassen, dass sie so ruhig geblieben ist. Anscheinend sieht sie es als natürlich an, dass ich schwer bewaffnet rumlaufe. Aber ich darf kein Tennis spielen? Ich verstehe sie nicht. In der Wohnung gehe ich zuerst in die Küche und suche mir eine Schüssel, die ich mit Cornflakes fülle. Damit gehe ich in meinen Kleiderschrank und ziehe mir Unterwäsche an. Thekla kommt aus dem Badezimmer im ersten Stock zu mir und hält eine Bürste in der Hand. „Sehr schön." Sie geht zu der Tüte und zieht einen großen, weißen Karton heraus. „Mit freundlichen Grüßen von Fabian. Er hat sich aufgeregt, dass er ein anderes Logo einnähen musste." Sie zeigt mir eines der Etiketten, auf denen nun 'Chanel' zu lesen ist. Thekla hilft mir, mich anzuziehen. Ich betrachte mich im Spiegel. Sie hatte Recht, es gefällt mir wirklich. Ich trage eine weiße Stoffhose, eine weiße Bluse, eine weiße Weste, ein weißes Jackett und einen weißen Hut. Übermütig drehe ich mich hin und her. „Wir müssen dir noch eine Perücke aufziehen, so, wie du in deinem Pass aussiehst." Ich hatte komplett vergessen, dass ich ja neue Pässe habe. Thekla schiebt mich in das große Badezimmer ein Stockwerk weiter unten und drückt mich auf den Rand der Badewanne. „Du musst jetzt ganz still halten, sonst klebt dir die Perücke gleich auf der Nase." Ich erstarre mitten in der Bewegung. Thekla trocknet meine Haare mit einem Fön und steckt sie penibel hoch. Dann zieht sie mir eine Haube über den Kopf, sodass ich aussehe, als hätte ich eine Glatze. „Geht das so? Das darf bloß nicht jucken!" Ich drehe den Kopf hin und her und zapple ein bisschen herum. „Passt haargenau." Thekla lächelt und holt aus der Küche eine weitere Schachtel, in der sich ein schwarzes Bündel befindet. Vorsichtig hebt sie es hoch und stülpt es mir über die Haube. Einen Moment lang sehe ich nichts mehr, weil mir ein Haarberg im Gesicht hängt, bis Thekla ihn zur Seite kämmt. Aus dem Spiegel schaut mich eine komplett andere Frau an. Sie hat rabenschwarze Haare, die ihr bis etwas unter das Kinn reichen und eine weiße Alabasterhaut. Ich sollte wirklich mal wieder in die Sonne gehen. Innerhalb der Baze ist mir gar nicht aufgefallen, wie wenig Farbe ich habe. Und die weißen Klamotten verstärken den Effekt noch. Thekla pudert mein Gesicht und malt mir mit Kajal einen ebenfalls rabenschwarzen Strich über das Auge. Dann tuscht sie sorgfältig meine Wimpern, bis sie doppelt so lang und voluminös sind. Als letztes tupft sie mir noch äußerst sorgfältig rötlichen Lippenstift auf die Lippen. „Dieses Zeug ist kein Lippenstift. Wenn du genau hinschaust, würdest du denken, dass deine Lippen nicht angemalt sind. Die Farbe sieht natürlich aus und wird von den Kontrasten noch verstärkt. Und das Beste ist: Sie hält drei Tage lang." Ich lächle Thekla probeweise im Spiegel an. „Irgendwie sehe ich aus wie Schneewittchen." Thekla nickt. „Und jetzt die Schuhe." Thekla huscht aus dem Raum hinaus. Ich drehe mich immer noch fasziniert vor dem Spiegel hin und her, als sie wieder zurückkommt. Vorsichtig zieht sie mir die hohen Schuhe über die Füße. Dann betrachtet sie ihr Werk und ihre Augen füllen sich mit Tränen. „Wundervoll", haucht sie.


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