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Mit quietschenden Reifen macht er eine Vollbremsung. Aus dem Schwung heraus öffne ich die Tür und stürme, soweit das möglich ist, auf den Haupteingang des Gebäudes zu. Innerhalb der Bank ist es kühl und sehr ruhig. Keiner der Anwesenden spricht lauter als unbedingt nötig, weshalb mir meine lauten Schritte mehr als fehl am Platz vorkommen. Ich ziehe die erste Pistole aus meinem Rock, halte sie aber noch verdeckt. Etwas langsamer gehe ich auf meinen Platz, am Ende der Schlange vor dem Schalter. Die Frau vor mir schaut mich schief an, als sie mein Brautkleid sieht. „Ich muss Geld für meine Hochzeit abheben, das habe ich gestern vergessen", sage ich leise und schaue auf den Boden. Noch nie im Leben habe ich mir eine so dämliche Ausrede einfallen lassen, aber die Frau zuckt die Schultern und dreht sich wieder um. Durch den Ohrstöpsel höre ich Jaxx leise lachen, was ich aber zu ignorieren versuche. „Wir sind auf Position." Auf diesen Satz habe ich gewartet. Ich ziehe die Waffe nun endgültig aus meinem Rock und richte sie direkt auf die Frau vor mir. Sie dreht sich erneut um und beginnt kurz darauf wie am Spieß zu kreischen. Eine halbe Sekunde später verstummt sie schon wieder, als ich ihr einen Betäubungspfeil in den Arm stecke. Sie kippt auf den Boden. Alle Menschen in der Bank brechen nun in blanke Panik aus. Ich arbeite mich mit meinen Pfeilen weiter vor, bis kein einziger Kunde mehr steht. Der Mann hinter dem Schalter schaut mich entsetzt an. „Wenn dein Arm auch nur einen Millimeter in Richtung des Alarmknopfes rückt, ist er nicht mehr da." Er zuckt zusammen und nimmt die Hände über den Kopf. „Voll die Killerbraut", flüstert Bez. Ich unterdrücke ein Grinsen. „Jaxx, ich glaube, du solltest jemand anderen daten mit nicht ganz so viel Wumms. Das schadet der Gesundheit!" Jetzt kann ich ein Lachen nicht mehr zurückhalten, aber immerhin sehe ich dabei nicht amüsiert aus. „Jetzt her mit den Moneten." Mit der Waffe mache ich eine winkende Bewegung. Der Angestellte bewegt sich nicht. In diesem Moment hat Jaxx den Sicherheitscode für die Angestelltentür geknackt und tritt von hinten an den nun zitternden Schaltermann heran. Ganz langsam beugt er sich zu ihm herunter. „Das Sicherheitspersonal ist gerade nicht dazu in der Lage, dir zu helfen. Außer dir ist niemand mehr am Leben. Und ich habe keine Scheu davor, dir auch das Licht auszuknipsen. Also her mit dem Geld!" Der Mann kippt ohnmächtig vom Stuhl. „Entweder hast du Mundgeruch oder der schwache Nerven." Bez kommt gut gelaunt zu Jaxx hinter das Schaltergitter. „Ich tippe auf Ersteres." Er grinst mich an. Jaxx verdreht die Augen „Wirklich witzig. Ich reiche ihm einen Pfeil, den er dem sowieso schon bewusstlosen Mann in den Hintern piekt. „Irgendwie ist das gerade ein wenig skurril." Jaxx schaut mich schräg an. „Na immerhin stehe ich mit einem Brautkleid voller Dynamit in einer Bank." Er verdreht die Augen. „Komm mal nach hinten, wir können das ganze Geld nicht alleine tragen." Ich renne los. In diesem Moment ertönen die ersten Polizeisirenen. „Wie haben die das denn bemerkt?" Bez sieht fast ein bisschen gelangweilt aus. Ich erreiche den Tresor und helfe den beiden, die bis dahin ordentlich gestapelten Banknoten in Taschen zu verstauen. Eine dreiviertel Million später platzt der Beutel aus allen Nähten und wir sehen uns gezwungen, den Rest des Geldes hierzulassen. Wir gehen wieder nach vorne und sammeln alle herumliegenden Wertsachen auf. „Ich glaube nicht, dass wir hier heil rauskommen", sage ich mit plötzlich aufwallender Panik. Vor dem Gebäude versperren etwa dreißig Polizeiautos die Straße. Hinter den Autotüren schauen die Mützen der Polizisten hervor. Ihre Pistolen haben sie im Anschlag auf die Tür gerichtet. Einer der Männer nimmt ein Megafon in die Hand und beginnt zu sprechen. „Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus, sie sind umzingelt!" „Das ist aber gar nicht nett", sage ich sarkastisch zu Bez. Er verkneift sich ein Lachen. „Mach ihn runter." Ich greife hinter meinen Kopf und ziehe ein wenig umständlich meinen Brautschleier über den Kopf, damit ich nicht erkannt werde. Jaxx und Bez setzten sich Sonnenbrillen auf, die von Bernie ein wenig aufgemotzt wurden. „Lasst die Show beginnen", sage ich mehr zu mir selbst. Ich zücke eine meiner Waffen. Der Polizist draußen wird panisch. „Sie kommen hier nicht raus. Was erhoffen sie sich denn?" Das frage ich mich gerade selber. Es ist schon ein bisschen idiotisch in eine Bank einzubrechen, nur um vom örtlichen Drogenkartell aufgegriffen zu werden. Aber das ist seit kurzem nun mal mein Job. „Bist du dir sicher, dass du das kannst?", fragt Jaxx mich. Ich nicke entschlossen. Wenn ich jetzt schon schlapp mache, was bin ich denn dann für eine Königin? Ganz ruhig gehe ich mit erhobenen Händen auf den Hauptausgang zu. Selbst aus dieser Entfernung kann ich erkennen, wie ein erleichterter Ausdruck über das Gesicht des sprechenden Polizisten huscht, als er erkennt, dass sich jemand auf die Tür zu bewegt. Der Gute sollte sich besser einen anderen Job aussuchen. Ich stoße die Tür auf und gehe auf die Sonne zu. Automatisch rückt die Polizeiarmada ein wenig zurück als sie sehen, dass ich eine Frau bin. Blöde Idioten! „Mam, lassen sie die Waffe sinken!" Ich denke gar nicht daran. Hält der mich für blöd? „Und los", sagt Jaxx durch den Ohrstöpsel. Ich hole Luft. „In der Bank und in meinem Kleid befinden sich mehrere Kilo Sprengstoff und meine Begleiter werden nicht zögern, auf den Zünder zu drücken, falls mir etwas passieren sollte." Der Polizist sagt nichts mehr. Man kann förmlich sehen, wie er denkt. „Was wollen Sie?" Versucht der jetzt zu verhandeln? „Egal, was ich will, Sie können es mir sowieso nicht beschaffen!" Ein Lächeln huscht über meine Lippen. „Bleib ruhig, sie sind gleich da. Bernie hat sie auf der Verkehrsüberwachungskamera gesehen", tönt es in meinem Ohr. Ich schaue die Polizisten an. Sie tun mir irgendwie Leid. Vielleicht haben sie Familie und Kinder, die sie vermissen werden. Das ist mir zwar egal, aber ich kann als Königin nicht zulassen, dass so etwas passiert. „In einer Minute sprengen wir mich in die Luft. Wir sehen uns im nächsten Leben!" Theatralisch hebe ich die Arme und strecke sie gen Himmel. Die Polizisten stehen zuerst unbewegt da, dann bricht die große Panik aus. Alle rennen durcheinander, Autos werden gestartet und innerhalb von dreißig Sekunden ist die Straße vor mit menschenleer. Jaxx und Bez kommen aus der Bank, die Taschen mit dem Geld über die Schultern geworfen. „Gar nicht schlecht. In etwa vier Sekunden..." Weiter kommt er nicht, seine Stimme wird von Autos übertönt, die wie gestört um die Ecke geschleudert kommen. In kürzester Zeit sind sie schon neben uns und die Türen werden aufgerissen. Auch wenn ich darauf vorbereitet war, schockt es mich doch, von einer Horde stinkender und schmieriger Männer unsanft in eines der Autos gerissen zu werden. Eine Hand verdeckt mir die Augen, weshalb ich nicht erkennen kann, ob die beiden anderen auch in diesem Fahrzeug sind. Ein übler Geruch steigt mir in die Nase. Irgendwie riecht es nach... Verwesung. Ich seufze. Mit Jaxx bin ich einmal in eine Leichenhalle gefahren, um für ein Schulprojekt den Prozess der Leichenwaschung anzuschauen. Da roch es genau so. Also stimmt es, dass dieses Drogenkartell äußerst brutal und unberechenbar ist. Meine Arme werden mir auf den Rücken gedreht und mit irgendetwas gefesselt. Die Hand verschwindet von meinen Augen, doch wegen des Schleiers kann ich nichts sehen. Wenn ich mal heiraten sollte, will ich auf keinen Fall noch mal so ein Teil tragen müssen! ich sitze auf einer Art metallener Bank, die quer durch das Auto verläuft. Neben, vor und hinter mir sitzen mexikanisch aussehende Menschen, die über und über mit Tattoos bedeckt sind. Und so eins soll ich auch bekommen? Beim bloßen Gedanken daran bekomme ich schon eine Gänsehaut... Meine Gedanken schweifen immer wieder ab und ich vergesse den Ernst der Situation komplett, auch wenn ich zum Glück nicht vergesse, wozu ich hier bin. „Hallo, Puppe." Jemand reißt mir den Schleier aus den Haaren und ich unterdrücke nur mühsam einen Aufschrei. Es fühlt sich an, als hätte mir jemand jedes Haar einzeln aus der Kopfhaut gezogen. Der Sprecher lässt sich mir gegenüber auf den Boden fallen. In seinem Mund steckt eine Zigarre, die traurig vor sich hin glimmt und einen ebenfalls übel riechenden Dampf von sich gibt. „Hast du einen Namen?" Ich habe Bernies Stimme im Ohr: „Nicht direkt anschauen, spiele ein verletzliches und einfältiges Kind." Deshalb schüttele ich den Kopf. „Das ist aber schade. Bei einem so schönen Püppchen hatte ich wenigstens einen Namen vermutet." Er erhebt sich und dreht mir den Rücken zu. „Es ist immer wieder schade um solche Gesichter." Mit diesen Worten fährt er wieder zu mir herum und klatscht mir mit voller Wucht seine Hand ins Gesicht. Wut kocht in mir hoch, aber ich halte sie zurück. Dieses Schwein kann sich noch auf etwas gefasst machen. „Ich frage noch einmal: Hast du einen Namen?" Er beugt sich bedrohlich über mich. Ich quieke leise auf und flüstere: „Phyllis". Er grinst mich an und gibt den Blick auf seine gelb verfärbten Zähne frei. „Geht doch. Weißt du Phyllis, wenn hier jemand eine Bank ausraubt, hat er mir die Hälfte des Gewinns abzugeben. Denn immerhin bin ich der Chef von Washington D.C. Hast du das kapiert?" Ich nicke wieder verschüchtert. „Dann wäre das ja geklärt. Deine kleinen Begleiter sind direkt hinter uns in einem Auto. Wenn sie dich jemals wieder sehen wollen bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mir das ganze Geld zu überlassen, da ihr mir vorher nicht Bescheid gesagt habt, was ihr vorhabt. Niemand drückt sich vor mir!" Er klopft sich auf den dicken Bauch, dass der Speck nur so wackelt. Innerlich lache ich so laut auf, dass es mir im Kopf dröhnt. Das Auto hält abrupt an und der große Chef knallt mit seinem fleischigen Gesicht gegen die Trennscheibe zum Fahrer. Er beginnt laut auf Spanisch zu fluchen. Ich kann nicht alles verstehen, dafür reicht mein Schulspanisch nicht aus, aber er redet von irgendwelchen roten Bohnen seiner Oma. Alle Übersetzungen ohne Gewähr. Bevor ich mir darauf einen Reim machen kann, wird die Schiebetür aufgerissen und ich werde von meiner Bank gezerrt. Wieder hält mir jemand eine Hand vor die Augen und ich werde mitgezogen. Es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit, als ich endlich anhalten kann. Meine Füße schmerzen in den Brautschuhen. Scheinwerfer blenden mich, wir haben also das Versteck des Kartells erreicht. Auf einer kleinen Mauer in der riesigen Halle sitzen spärlich bekleidete Frauen und verpacken kleine Tabletten in Plastiktüten. Der Chef schaut sich stolz um. „Wenn ich mir das so überlege, könnte das alles dir gehören, wenn du mich heiratest!" Er grinst mich feist an. In diesem Moment werden auch Jaxx und Bez neben mich gezerrt. Zum ersten Mal verliere ich die Fassung. Dieses Schwein! Er kommt auf mich zu und zieht mich an sich. Er stinkt und sein Atem riecht faulig. Bevor ich mich wehren kann, presst er seinen Mund auf meinen. Mir kommt es hoch und ich kotze ihm vor die Füße. Ein paar der Umstehenden lachen laut auf, verstummen aber sofort wieder. Über den Ohrstöpsel kann ich hören, wie Bez mich beglückwünscht, Jaxx ist weniger begeistert und tritt hervor. Ungeplant verpasst er dem Dickwanst eine saftige Ohrfeige, die diesen zurückstolpern lässt. Sofort wird er von ein paar Handlangern gepackt, sodass er noch nicht einmal mehr den kleinen Zeh bewegen könnte. Der Chef hält sich das Gesicht und kommt ganz nah an ihn heran. „Wolltest du etwas sagen?" Seine Stimme ist bedrohlich ruhig. „Halt dich von meiner Frau fern!" Jaxx spuckt ihm die Worte ins Gesicht. Das wäre nun eigentlich der Moment, in dem die Heldin ihren Angetrauten wieder zurücknimmt und für immer mit ihm verschwindet. Doch leider sind wir nicht in einem Schwarzweißfilm. Bez rollt mit den Augen. „Ich hab dir doch gesagt, Jaxx, such dir eine andere. Das ist weniger gefährlich." Dann greift er an.


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