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Ein Schrei entfährt mir und ich sinke zusammen. Jaxx hält mich auf den Beinen. Wie eine Wildgewordene schlage ich um mich und stoße ihn weg. Ich renne los. Das Blut pulsiert in meinen Adern und meine Lunge zieht sich merklich schmerzhaft zusammen aber das ist mir egal. Total erledigt sinke ich in meinem Aufzug zusammen und umklammere meine Beine. Wenigstens eine Träne! Meine Augen bleiben trocken. Die Türen öffnen sich wieder und ich krabbele in meine Wohnung. Mitten auf dem Boden im Flur bleibe ich liegen und bewege mich keinen Zentimeter mehr. Was soll ich jetzt machen? Mein Vater war der Einzige, der von meiner Familie übrig war. Zum ersten Mal seit langer Zeit erfasst mich wieder einer Wutattacke. Ich ramme meine Faust gegen den Boden. Der leichte Schmerz bringt mich wieder zur Besinnung. Im Stillen beschließe ich, dass mein Vater nicht umsonst gestorben ist. Der, der ihn getötet hat, wollte etwas von mir. Soll er doch kommen! I

ch werde ihn erwarten. Entschlossen stehe ich auf. Mit neuem Elan öffne ich die Tür zur Garage. Das Sonnenlicht, dass durch die Scheibe dringt, beleuchtet die glänzenden Autos. Dieser Anblick beruhigt mich irgendwie. „Emilia, kannst du mich hören?" „Ja. Funktionieren die Mikrofone?" Jaxx bejaht. „Du solltest eine Ansprache halten oder so. Zu Ehren deines Vaters." Gute Idee. Aber eine Stunde nach seinem Tod schon? „Ich habe eine Idee, komm mal in die Garage." Ich kann hören, wie die Luft an Jaxx Mikrofonen vorbeizischt, als er losrennt. Keine zwei Minuten später steht er schon neben mir. „Kannst du die Teile ausmachen?" Ich deute auf meine Ohren. „Klar. Aber was soll das bezwecken?" Er schaut mich fragend an. „Keine Ahnung. Aber ich habe etwas mit dir vor, was nicht alle hören sollten." Ich grinse ihn an. Ohne weitere große Reden zu schwingen, tastet Jaxx an meinem Kiefer entlang und drückt in die kleine Kuhle zwischen meinem Kiefer und meinem Hals. Sofort verstummt das leise Summen in meinem Ohr. „Also was ist los?" Ich überlege einen Augenblick, wie ich das erklären soll. Sachlich? Emotional? Egal. „Gehen wir davon aus, dass der Angreifer an mich heran wollte. Heißt, er muss von der Mafia und von Victory wissen." Jaxx nickt. „Er hofft nun also darauf, dass ich reagiere. Wäre ich an seiner Stelle, würde ich einen Maulwurf einschleusen, der mich immer über den aktuellen Stand informiert. Und irgendwie muss ich mit ihm Kontakt halten." Ich komme richtig in Fahrt. Jaxx setzt sich auf den Boden. „Heißt, wir müssen alle Verdächtigen überwachen lassen. Alle, die Kontakt zu mir und zu dir haben, an deren Loyalität man zweifeln könnte und so weiter. Leute, die in den engeren Kreisen arbeiten und von allen Geschehnissen wissen. Die wissen, wo ich verletzbar bin." Ich hole Luft. „Wir sollten ein vertrauenswürdiges Team zusammenstellen. Und ich möchte ein neues, nicht überwachtes Büro haben, von dem nur diejenigen wissen, die uns helfen." Das alles rassle ich runter, während meine Gedanken schon viel weiter vorne sind. „Das kriegen wir hin. Aber wir dürfen nicht überstürzen." Jaxx kommt von hinten an mich ran und nimmt mich in die Arme. Er ist mein Fels in der Brandung, der Einzige, der immer zu mir hält. Viel zu schnell lässt er mich wieder los. „Dann lass uns mal anfangen." Schwungvoll reibt er sich die Hände.

Fünf Stunden später steht in der Garage vor der Glaswand ein riesiger Schreibtisch. Davor haben Bez und Jaxx zwölf Monitore aufgebaut, die man von meinem Schreibtischstuhl aus sehr gut sehen kann. Überall auf dem Boden liegen dicke Kabelstränge herum, über die man, wenn man nicht aufpasst, sehr leicht stolpern kann. Gegenüber von meinem Schreibtisch stehen sehr viele kleinere Schreibtische, die alle auf mich ausgerichtet sind. Mit den Autos habe ich persönlich eine Barrikade geparkt, sodass man nun nicht mehr in dieses Stockwerk reinkommt, es sei denn, man hat von mir eine Zulassung für den Aufzug bekommen. Ich bin ein bisschen stolz auf mich, wie ich hier so in meiner eigenen Kommandozentrale stehe. Das einzige Problem ist noch, dass außer Bez und Jaxx niemand da ist. Aber das ist noch lange kein Grund, aufzuhören. Die beiden Männer sind immer noch dabei, neue Laptops aus Kartons zu holen und sie einzurichten. Inzwischen bin ich wahrscheinlich auch paranoid, weil ich Angst habe, bereits benutzte Computer einzusetzen. „Ich suche inzwischen ein paar Leute raus!" Mit diesem Worten verschwinde ich in der Tür, die zu meiner Wohnung führt. Auf dem Weg in den Kontrollraum denke ich darüber nach, was ich allen erzähle, weshalb die oberste Etage der Garage gesperrt ist. Bernie steht wie immer vor seinem Computer in der Mitte des Raumes und tippt auf einer Tastatur herum. „Darf ich dich mal kurz entführen?" Erschrocken schaut er von dem Flimmerkasten hoch. „Natürlich. Was gibt es denn?" Er folgt mir auf den Gang hinaus. „Kann ich dir gleich erklären. Komm einfach mit." Mit Bernie im Schlepptau gehe ich zu meinem Aufzug. Als sich die Türen öffnen und er den Bachlauf mit den Bäumen sieht, fallen ihm fast die Augen raus. „Seit wann können Bäche hoch fließen?" Ich schaue ihn verdutzt an. „Naja, immerhin sind wir im 32. Stockwerk." Ich zucke die Schultern und öffne die Tür zur Garage. Er folgt mir. Als er gleich darauf unsere Zentrale zu Gesicht bekommt, ist er noch erstaunter. „Wann habt ihr das denn bitte gemacht?" Ich sage nichts dazu. „Setzt dich bitte hin und warte einfach." Ich verschwinde wieder. Auf einem Gang vor dem Donutstand entdecke ich Hell und pfeife ihn gleich zu mir. Mit ihm im Schlepptau gewinne ich auch noch Monk. Als ich schon wieder hochgehen will, sehe ich auch noch Ben. Zu viert quetschen wir und in meinen Aufzug. Genau wie Bernie auch haben alle noch nie meine Wohnung gesehen und sind entsprechend neugierig, aber dafür habe ich keine Zeit. Der Tod meines Vaters ist nun schon sechs Stunden her und langsam kann ich es nicht mehr vertuschen. Wieder führe ich sie durch den Gang in unsere neue Zentrale aber genau wie bei Bernie liefere ich keine Erklärung. Ein weiteres Mal gehe ich nach unten. Ich reiße Doc aus seinen Gedanken und nehme ihn mit. Zufällig kommen wir am Chilistand vorbei und treffen Donald und Chili. Ich weiß nicht, ob ich den beiden vertraue. Aber ich brauche mindestens neun Leute, um agieren zu können. Außerdem haben wir sonst zu viele Schreibtische in die Garage geschleppt. Und schaden kann es nicht. Deshalb nehme ich die beiden auch noch mit. Eine halbe Stunde später stehen mir dann neun erwartungsvolle Gesichter vor mir. „Jetzt kommt eine schlechte Nachricht." Die Versammlung wird, falls das überhaupt möglich ist, noch erwartungsvoller in den Startlöchern. „Zuerst möchte ich euch alle bitten, eure Handys abzugeben." Allgemeine schlechte Laune, aber keiner widersetzt sich. „Als nächstes: Mein Vater ist vorhin gestorben. Wie vielleicht manche von euch in den Nachrichten mitbekommen haben, wurde er verletzt und ist nun vor sieben Stunden vor meinen Augen gestorben. Dementsprechend bin ich nicht zu Scherzen aufgelegt." Ich mache eine kleine Pause. Das Entsetzte auf den Gesichtern ist deutlich zu sehen. „Ich gehe davon aus, dass sein Mörder durch ihn an mich herankommen wollte. Und genau das wollen wir vereiteln." Zustimmendes Nicken. Ich weiß zwar nicht, ob das, was ich jetzt sage funktioniert, aber egal. „Hiermit rufe ich den absoluten Ausnahmezustand aus. Bis zur Klärung dieses Falles seid ihr zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet, Verstöße werden geahndet. Ihr werdet hier arbeiten, alle Materialien, die ihr braucht, besorge ich euch. Jeder bekommt eine Karte, mit der ihr in meine Wohnung kommt. Ich habe genug Zimmer, dass wir dort alle zusammen wohnen können, eure privaten Wohnungen sind nicht sicher genug. Die Tür zur Garage steht ab jetzt immer offen. Ich habe euch ausgesucht, weil ihr eine besondere Fähigkeit besitzt ,die wir hier brauchen können. Monk, du bist ab heute Hacker und Programmierer." Er salutiert. „Such dir einen Tisch aus und klinke dich unbemerkt in das Strafregister des FBI ein. Bernie, du durchsuchst bitte alle Computer, die es in diesem Gebäude gibt nach jeden erdenklichen Hinweisen." Sofort geht er auf einen der Tische zu und hämmert auf die Tastatur ein. „Donald, kannst du bitte in der ganzen Baze versteckte Kameras aufbauen und die Bilder auf meine Monitore bringen? Du bekommst alles, was du brauchst. Aber es darf niemandem auffallen." Sein Gesicht strahlt auf. „Ben, du bist für jegliche Arten der Fortbewegung zuständig. Hier stehen überall Autos und die Hubschrauber kannst du verwenden. Chili, ich habe gehört, dass du der beste Sprengmeister bist." Er sieht fast ein bisschen stolz aus, als ich ihn direkt anspreche. „Erfinde irgendetwas, was man gebrauchen kann. Egal, was dabei alles draufgeht." Er grinst mich an. „Wird erledigt, Chefin." „Doc, du erstellst bitte psychologische Profile der mutmaßlichen Täter. Ach übrigens, ihr habt alle die volle Sicherheitsfreigabe. Hell, du durchlöcherst bitte alle auch nur annähernd verdächtigen Personen. Jaxx, du bist mein Vertreter, Bez, du mein Berater und Stratege. Und ich bin der Arsch vom Dienst."


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