Vor uns erstreckt sich eine riesige Graslandschaft, an die ein Wald angrenzt. Neben einer Wurfmaschine für die Tonscheiben stehen vier Sofas auf einem Teppich, in der Mitte befindet sich ein kleines Tischchen mit Ferngläsern. Ich setzte mich neben Jaxx auf eine Couch. Portia lässt sich schwerfällig auf meine andere Seite plumpsen. „Ich glaube, ich werde langsam zu alt für so etwas", keucht sie. Ich schüttle den Kopf. „Gar nicht. Wer fängt an?" Gespannt schaue ich zu, wie Jaxx aufsteht, eine Flinte nimmt, sie lädt und eine Brille aufsetzt. Bevor er abdrückt, setzten wir uns alle Schallschützer auf. Wie zu erwarten zerplatzt die kleine Tonscheibe ein paar Sekunden später in lauter kleine Stücke. Wie ein sanfter Nebel legt sich die nun pulverisierte Taube über das Gras. Wir klatschen. Jaxx reicht die Flinte an den Nächsten weiter. Nach weiteren drei Schüssen bin ich endlich dran. Jaxx stellt sich ganz dicht hinter mich und tut so, als würde er mir erklären, wie das alles funktioniert. „Emmy, bis jetzt gibst du eine verdammt gute Nummer ab." Ich kann förmlich hören, wie er mir ins Ohr lacht. „Wir müssen aber leider bald gehen. Bez hat angerufen. Es gibt wohl einige Probleme bei der Vorbereitung für die große Versammlung und ich werde gebraucht." Ich seufze innerlich. Jaxx tritt zurück. Die Maschine schleudert eine Scheibe und ich drücke ab. Hundert Meter von uns entfernt kommt sie wieder auf den Boden. Jaxx pfeift anerkennend. „Nicht schlecht." Ich drehe mich zu den anderen rum. In diesem Moment piepst Jaxx Handy los und er geht dran. Leise spricht er schnell in den Hörer. Ich kann leider nichts verstehen, aber als er aufschaut, sieht er nicht erfreut aus. „Es tut mir sehr Leid, aber Kate und ich müssen uns schon verabschieden. Anscheinend gab es Probleme bei der Vorbereitung der Hochzeit." Ich schaue absichtlich entsetzt. Hastig verabschiede ich mich und gehe mit Jaxx auf das Haus zu. Über die Schulter ruft er noch: „Bis zu meiner Hochzeit!" Ich muss lachen. Im Haus gehen wir zum Aufzug. „Wir müssen noch deine Klamotten abholen, Thekla hat ein paar Messer einnähen lassen. Es wäre schlecht, wenn die auffallen würden." „In meiner Jacke waren Messer und ich habe sie liegen lassen?", beginne ich, doch bevor ich komplett ausrasten kann, beruhigt Jaxx mich. „Nicht nur in deiner Jacke, sondern auch in deinen Schuhen." Wir erreichen den Kleiderschrank und ich steuere zielstrebig auf meine Kabine zu. Doch als ich den Vorhang zur Seite schiebe, befindet sich dahinter nicht das, was ich erwartet hätte. Statt einer Bank voller Klamotten, ist dort nichts. „Jaxx, ich glaube, jemand hat meine Klamotten geklaut." Alarmiert drehe ich mich zu ihm um. „Ist es nicht egal, wenn jemand die Messer findet? Weiß ja keiner, dass sie von mir sind." Jaxx flucht. „Die Messer sind mit deinem Namen graviert. Derjenige, der deine Klamotten hat, weiß, wer du bist." „Was?! Was soll das denn?" Jaxx zuckt mit den Schultern. „Ist jetzt auch egal. Da die Klamotten von den Anderen noch da sind, müssen wir davon ausgehen, dass der Butler ein Maulwurf ist. Ansonsten gibt es hier niemanden, der es sein könnt. Ich gehe in die Küche, du musst in die Räume der Angestellten. Wenn du ihn hast, schlage ihn k.o. und schleife ihn aufs Dach." Jaxx wühlt in seiner Hosentasche, zieht einen von diesen kleinen Kopfhörern heraus und reicht ihn mir. „Es wird endlich Zeit, dass du angeschlossen wirst", sagt er leise, doch ich kann ihn, dank des Mikrofons, genau hören. Allerdings habe ich keine Ahnung, was er damit meint. Jaxx holt aus seinen Schuhen zwei Messer, eines reicht er mir. Aus seiner Jacke in der Umkleidekabine holt er zudem zwei kleine Pistolen, die ich bis dahin gar nicht bemerkt hatte. Ich staune, was Thekla so alles verstecken kann. Wir gehen zum Treppenhaus und beginnen, die Treppen herunterzurennen. Drei Stockwerke tiefer stoße ich eine Tür auf und stehe im Personalbereich. Mit der Waffe im Anschlag suche ich die Räume einen nach dem anderen ab, doch sie sind alle verlassen. „Hier ist überhaupt niemand!", flüstere ich. „Er muss bei den Umkleiden sein. Dort stehen Spinde." Ich suche weiter. Irgendwann ist nur noch eine einzige Tür übrig. Vorsichtig gehe ich auf sie zu und öffne geräuschlos die Tür. Der Butler steht vor einem der geöffneten Schränke und wühlt in einem weißen Stoffberg herum. Überrasch schaut er auf. Er wirbelt herum und schlenkert sein Handgelenk herum. Diese Bewegung kenne Ich. Er hat ein Messer geworfen. Wieso habe ich das nicht bemerkt? Doch zum Glück bin ich nicht getroffen. Er kommt auf mich zu, weil ich immer noch stehe. Ungeschickt holt er aus. Ich ducke mich unter seinem Arm hinweg und stehe hinter ihm. Bevor er sich umdrehen kann, verpasse ich ihm einen saftigen Tritt in den Rücken. Er stöhnt auf, kommt aber schnell wieder auf die Beine. Eine Sekunde lang sehen wir uns in die Äugen, bevor er ein weiteres Mal auf mich losgeht. Dieses Mal reiße ich meinen Ellenbogen hoch. Sein Kopf fliegt zurück und es gibt ein unschönes Knacken, das mich zusammen fahren lässt. Der Butler sackt auf dem Boden zusammen. Bevor er allerdings einen Blutfleck auf dem Teppich verursachen kann, wickle ich ihm eine Hose um den Kiefer. Alles das geschieht in weniger als drei Minuten. Ich schnappe mir ein Bein und will ihn zum Aufzug ziehen, doch er bewegt sich keinen Zentimeter vom Fleck. „Jaxx? Ich habe ihn, aber ich kann ihn nicht bewegen. Der Scheißkerl wiegt mindestens zweihundert Kilo!" Er lacht leise auf. „Wo bist du?" „Bei den Spinden." „Bleib da, ich komme." Ich kann hören, wie er losrennt. In der Zeit sammle ich meine Klamotten ein und suche die Messer zusammen. Alle beide sehen edel aus, die Klinge ist mit meinem Namen graviert. Den ganzen Plunder stopfe ich in eine Tasche, die auf einem Regal liegt. In diesem Moment betritt Jaxx den Raum. Ich schnappe mir die Tasche, während er den Butler unter den Armen hochhebt und ihn zu einem Aufzug schleift. Wir fahren bis aufs Dach, wo Bez schon im Helikopter auf uns wartet. Er sieht nicht überrascht aus, dass wir einen Menschen mitschleifen. Viel mehr schüttelt er tadelnd den Kopf, als wollte er sagen: 'Was macht ihr nur immer mit den armen Leuten?' Als der Butler im Heli verstaut ist, fliegen wir los. Jaxx nimmt mich in den Arm. „Das war richtig gut. Von außen hätte man nicht erkannt, dass du nicht Kate Black bist." Ich küsse ihn. „Du hast nette Freunde. Aber eine Hochzeit in Las Vegas?" Er grinst. „Da können wir Thekla besser abhängen. Die Straßen dort sind voll." Ich lehne mich an ihn an und schließe die Augen. „Was meintest du eigentlich vorhin mit 'Ich muss noch angeschlossen werden?", frage ich schon halb eingedöst. „Kommt noch." Ich sacke weg.
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Victory
ActionWas tut man, wenn man entführt wird? Wehrt man sich oder spielt man mit? #1 in Entführung (05.09.2018)