5.5 ☾ Josephine

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Mit zitternden Fingern hole ich die Handschuhe aus dem Handschuhfach des Jeeps. Keiner darf wissen, dass ich hier war. Hier mit meinem Wagen direkt vor dem Moshannon Manor.

Heute hab ich zum ersten Mal die Vorteile eines solchen Jeeps ausgenutzt. Es ist so einfach, damit durch den Wald zu düsen.

Die Nacht ist dunkel und die Luft ist kalt und feucht. Die Windstille macht mich abermals stutzig. Ich hasse Wind, aber wenn ich keinen fühle, dann ist das irgendwie unheimlich.

Mit klopfendem Herzen laufe ich um den Jeep herum und öffne den Kofferraum, auf dem ein großer Reifen montiert ist.

Im Inneren befinden sich zu meinem Glück mehrere Benzinkanister, was ich vor meiner Fahrt hierher kontrolliert habe. Zudem hab ich mein letztes Geld noch einmal zusammengekratzt und damit noch ein paar weitere an der Tankstelle unterwegs gekauft.

Jetzt muss ich mich beeilen. Mir bleibt nicht viel Zeit, weil ich vor ein paar Minuten das Absperrband der Polizei überfahren und somit den Alarm in der Station ausgelöst habe.

Ich schätze, dass mir höchstens eine viertel Stunde bleibt.

Schnell blicke ich auf die schicke Armbanduhr, die mir Kate geschenkt hat. Ungefähr zehn vor Vier. In diesem Moment wünschte ich mir, sie würde nicht so hübsch sein, aber dafür digital anzeigen und eine Countdown-Funktion haben.

»Los geht's«, flüstere ich zu mir selbst, schnappe mir zwei schwere Kanister und laufe damit zum Hauseingang.

Als ich die Kanister abstelle und die Tür öffnen will, ist sie zu meiner Überraschung verschlossen. »Mist!«, fluche ich. Warum habe ich das nicht bedacht?

Kurz überlege ich, ob ich die Tür vielleicht mit einer meiner Haarklammern aufbrechen könnte, aber dazu sind meine Hände gerade viel zu zittrig. Außerdem ist das mit den Handschuhen ziemlich ungeschickt.

So fasse ich kurzerhand einen Entschluss. Ich hebe meinen Fuß an und bin froh, dass ich meine Winterstiefel ohne Absatz trage. Im nächsten Moment trete ich die Tür mit aller Kraft ein.

Drinnen ist es kaum wärmer. Das Haus ist schließlich so alt und morsch, dass wirklich jeder Mensch und jedes Tier eindringen könnte, wenn es nur wollte.

Ich leuchte mit meiner Taschenlampe den Flur ab und schaue dann jedes einzelne Zimmer im Erdgeschoss durch. Ich will schließlich nur das Haus in die Luft jagen. Dabei eine Mörderin zu werden, das steht nicht auf meinem Plan.

Das letzte Zimmer ist dieser Hinterraum im Wohnzimmer, in dem Kate und Candice diesen wackeligen Schaukelstuhl gefunden haben. Es graut mir davor, ihn zu betreten, weshalb ich kurz unschlüssig davor stehe. Doch dann ermahne ich mich dazu, dass ich keine Zeit habe und drücke kurzerhand die Klinke nach unten. Eine Schockwelle durchfährt mich, als mir der große Schaukelstuhl mit gigantischer Lehne ins Auge fällt.

Aber er bewegt sich nicht. Aus reiner Neugierde leuchte ich den Bereich um den Schaukelstuhl kurz ab und erkenne, dass an ihm dünne transparente Fäden befestigt sind, die in einem elektronischen Gerät enden.

Es war alles nur ein Fake. Meine Mutter muss diese Idee mit dem elektrischen Schaukelstuhl gehabt haben, um uns zu erschrecken. Sie hatte ja einen Tag Zeit, um sich was gruseliges auszudenken, das uns aus dem Moshannon Manor jagt.

Am liebsten würde ich in diesem Moment heulen. Doch ich muss mich jetzt konzentrieren. Ich würde auch gern wissen, was und ob mein Vater mit all dem was zu tun hat, doch im Moment kann ich keine Sekunde an diesen Gedanken verschenken.

Auch im ersten Stock gehe ich alle Räume durch, um zu kontrollieren, ob wirklich alles leer ist.

Ich sehe Aufzeichnungen und Pläne, die ich mir nur zu gern angesehen und durchgelesen hätte, aber ich weiß, dafür bleibt keine Zeit.

Greyforks | Staffel 2 || SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt