5.2 ♌︎ Candice

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Wir sitzen in der Falle.

Das wird mir sehr schnell bewusst, als ich durch die Menschenreihe blicke, die mir mit einem Schadenfrohen Grinsen entgegenblickt. Ich erkenne Mary, Liam, zwei Frauen, die schon ein paar Jahre älter sind — und den Typen von der Tankstelle. Kein Wunder, dass er auch dem Chester's Clan angehört.

Instinktiv will ich mich an Brandon festhalten, doch ich weiß, dass ich in so einer Situation auf keinen Fall schwach wirken darf.

Jo und Kate treten neben uns, wobei Kate sich mit ihren Händen, den Staub von den Leggings klopft. Unglaublich, dass sie in dieser Situation noch an ihre beschmutzte Kleidung denken kann.

»Es war übrigens sehr freundlich von dir, dass du mir vor eurem Besuch per SMS Bescheid gegeben hast, Kate«, zischelt Mary mit ihrem bösen Grinsen, das ihren Mund umspielt wie ein sündhaft teurer Lippenstift. »So konnten wir uns auf euer Ankommen vorbereiten.«

»Ach, fick dich doch, Bitch!«, entfährt es Kate wütend.

Ich erwarte mir Gewalt, doch über Marys Gesicht wandert nur ein spöttisches Lachen. »Du kannst dir deine dummen Sprüche für später aufheben«, sie stakst auf ihren Highheels provokant an ihr vorbei, »da wird sie nämlich keiner mehr hören.«

Was Mary damit meint, ist mir noch nicht ganz klar. Aber was ich weiß, ist dass es sich ganz und gar nicht gut anhört.

»Ich hab mir schon ganz am Anfang gedacht, dass du 'ne falsche Schlange bist«, zischt Kate bedrohlich weiter. Ihre Wangen sind bereits ganz rot vor Wut. »Und nicht nur das, sondern auch eine Mörderin. Und all das wolltest du mir anhängen.«

»Hat ja ganz gut geklappt bisher«, flötet sie zufrieden und bleibt direkt vor Kate stehen.

»Ich mach dich kalt, du Schlampe«, brüllt Kate plötzlich und geht in Sekundenschnelle auf Mary los.

In Bruchteilen von Sekunden macht der Rest der Truppe eine einheitliche Bewegung, die von einem beinahe synchronen Klicken begleitet wird.

Waffen. Es sind fünf Pistolenläufe, die in diesem Moment geradewegs auf Kate zielen.

»Lass sie los«, knurrt der bewaffnete Tankstellentyp und fixiert Kate dabei mit seinen dunklen Augen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt unter seiner Kapuze versteckt haben.

Erschrocken sieht sie auf und starrt ihm schweratmend entgegen. Ihre Haare und die von Mary sind von der kurzen Rauferei zerzaust und stehen in alle Richtungen ab.

Mit Waffen haben wir alle nicht gerechnet.

»Hände hoch«, befiehlt ihr der Typ.

Zitternd hebt Kate ihre dünnen Arme in die Luft.

»Auf die Knie.« Er zeigt mit der Waffe auf den Boden.

Kate führt auch diesen Befehl widerstandslos aus. Sie hat in ihrem Leben wahrscheinlich noch nie eine Waffe gesehen. Und schon gar nicht eine entsicherte.

»Alle anderen das Gleiche«, schreit der Typ weiter und gestikuliert wild mit seiner Pistole herum, sodass selbst mir die Adern gefrieren.

Brandon und ich geleiten mit gehobenen Händen zu Boden.

Nur Jo rührt sich nicht. Sie ist wie erstarrt.

»Na wird's bald!«, schreit er und kommt bedrohlich auf sie zu.

Jos Lippen beben vor Angst, als er direkt vor ihr steht und ihr den Lauf seiner Pistole in ihren Hals drückt. Lautlose Tränen kullern aus ihren Augen.

Ich wende mich zu ihr. »Jo, du musst doch nur das Gleiche machen wie wir. Es ist ganz einfach«, rede ich sanft auf sie ein.

In diesem Moment hebt sie ihre Hände langsam in die Luft.

»Sehr gut«, zischt der Kaputzentyp mit einer ordentlichen Portion Ironie und drückt sie mit dem Lauf auf ihren Schultern nach unten. »Na, geht doch«, lobt er sie sarkastisch, als sie endlich am Boden angekommen ist.

Dann tretet er einen Schritt zurück und sieht uns alle an. »Und jetzt Hände hinter den Rücken.«

Wir tun, was er uns sagt und ich überlege keine Sekunde, ob ich Widerstand leisten soll. Es würde ohnehin nichts bringen. Besser ist es, sich schon jetzt einen Plan für die Flucht zu überlegen. Denn ich bin mir sicher, es wird einen unachtsamen Moment ihrerseits geben, den wir in diesem Fall sofort nutzen müssen.

Eine der Frauen geht im nächsten Augenblick um uns herum und fesselt unsere Hände mit schwarzen Kabelbindern.

Meinen zieht sie viel zu fest, sodass mir das dünne Plastik tief ins Fleisch schneidet.

Anschließend werden wir in den oberen Stock geführt und passieren lauter verschlossene Türen im Gang. Schließlich werden wir in ein kleines dunkles Zimmer an dessen Ende gebracht. Es muss einmal ein Abstellraum, oder auch ein kleines Gästezimmer gewesen sein. Jetzt ist bis auf die ausgeblichene Blümchentapete und dem Staub nichts mehr davon übrig geblieben.

Anschließend werden wir dort wie Geiseln auf den morschen Fußboden geschubst.

Schnell sehe ich mich im Raum nach Fluchtmöglichkeiten um, damit ich im Ernstfall nur zuschlagen kann.

»Liam wird auf euch aufpassen«, ertönt Marys beißende Stimme im nächsten Moment, »nicht, dass ihr mir hier auf irgendwelche Dummheiten kommt.« Sie zwinkert mir wissend zu.

Ich verfluche mich dafür, weil ich mich so durchschaubar und dumm verhalten habe. Das hätte ich viel besser hinbekommen können.

Liam steckt sich seine Waffe in den Hosenbund und bleibt in der Mitte des Raums stehen, währen sich die anderen mit Mary entfernen.

»Bis wir entschieden haben, was wir mit euch anstellen können«, redet er laut und in bestimmten Ton, »passe ich hier auf euch auf.«

Ich höre noch, wie die Schritte im Flur poltern, ehe sich vermutlich eine der verschlossenen Zimmertüren öffnet.

Was die da wohl treiben? Das hier muss die Zentrale vom Chester's Clan sein. Der Ort, wo sie all ihre Delikte planen. Ihre kleinen und die ganz großen.

In diesem Moment höre ich wie die Tür etwas lauter zugeschlagen wird. Jetzt ist es klar, dass es eine Tür gewesen ist.

Von diesem Moment an steht fest, dass wir gefangen sind. Es gibt keine Möglichkeit zu fliehen, weil wir rund um die Uhr bewacht werden. Noch dazu wissen wir nicht, was sie mit uns vorhaben. Wahrscheinlich wollen sie uns alle in den Knast bringen — oder schlimmer — umbringen.

In diesem Moment muss ich daran denken, dass diese Leute wahrscheinlich auch meine Mutter umgebracht haben. Sie haben meine Mutter auf dem Gewissen und was mich am meisten daran ärgert ist, dass ich rein nichts dagegen tun kann. Ich kann mich nicht an ihnen rächen, sie nicht niederschlagen, oder sie in den Knast bringen.

Nein, das kann ich nicht. Und zwar aus demselben Grund, weshalb sie all diese Dinge mit mir anstellen können.

Jetzt sind auch wir in der Gewalt des Chester's Clan und ich glaube nicht daran, dass wir je wieder frei sein werden.

Und was denkt ihr, werden sie es schaffen? Im nächsten Kapitel geht's gleich weiter 😉

Greyforks | Staffel 2 || SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt