1.2 ♛ Kate

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Wut. Unendliche Wut.

Ich hätte erkennen müssen, dass Liam niemals wirklich an mir interessiert war. Das erklärt auch, weshalb er nicht mit mir schlafen wollte und nicht so gekränkt war, an all den Malen, an denen ich ihm klargemacht habe, dass ich nicht will, dass jemand von uns weiß. Das kam ihm nur gelegen. Er ist eine Scheinbeziehung mit mir eingegangen, um mich in aller Ruhe auszuspionieren.

Wie soll ich jemals wieder einem Mann vertrauen? Denn ihm habe ich vertraut. Er war der erste, bei dem ich wirklich an Liebe geglaubt habe. Liam hat mich aufgebaut, weil es mir in den letzten Wochen wegen Eckstein so mies ging, aber jetzt hab ich erfahren, dass er hinter all dem steckt. Wie kann ein Mensch nur so falsch sein?

Wahrscheinlich verabscheut er mich sogar. Mein KatChat hat er sicherlich auch immer belächelt. Streber wie er wurden dort schließlich immer als schlecht dargestellt.

Jetzt bin ich mehr denn je, dazu entschlossen, Jo aus dem Knast zu holen und dafür zu sorgen, dass Liam und Mary eingebuchtet werden. Dieses Eckstein-Duo gehört hinter stahlharte Gitter gesperrt.

»Wir fangen gleich jetzt an, sie zu beschatten«, sage ich zu Candice, als ich aus dem Besucherzimmer komme und mit ihr aus der Strafanstalt herausgehe. »Wenn wir Glück haben, können wir gleich Beweise sichern.«

Wir sitzen im aufgeheizten Tesla meines Vaters, als mir eine Sache siedend heiß in den Sinn kommt. Ich habe Liam erzählt, dass ich als Kind mit meinen Eltern zu den Klippen in Chester Hill gefahren bin. Er wusste, dass ich die Klippen erkennen würde und hat uns so dorthin gelockt.

Wie verdammt clever. Aber diesmal werden wir ihnen voraus sein.

»Hast du einen Plan?«, fragt mich Candice in der Dunkelheit des Wagens und ich kann durch die vorderen Außenscheinwerfer aus dem Augenwinkel sehen, dass sie zu mir blickt.

Ich stiere weiterhin geradeaus auf die nächtliche Straße. »Warum sollte ich einen Plan haben?«, stelle ich etwas gereizt die Gegenfrage.

»Keine Ahnung, es hat nur so gewirkt.« Candice zuckt die Schultern. Ich merke, dass sie einen Streit mit allen Mitteln verhindern will. Auch ich muss meine Streitsüchtigkeit wohl für einen Augenblick zügeln.

»Gut, dann lauern wir einfach vor ihrem Haus und warten, bis etwas passiert. Den Wagen meines Vaters erkennen sie sowieso nicht.«

»Was bleibt uns anderes übrig...?«

Wir beide klingen mehr als pessimistisch und ich hasse es, dass wir uns nun in einer derartigen Situation befinden.

Ich habe noch gar nicht wirklich realisiert, wie fatal die Folgen sein werden, wenn Jo den Prozess verliert. Ich darf gar nicht an die Todesstrafe denken. Dann schüttle ich den Kopf, wie um die bösen Gedanken aus meinem Hirn zu schleudern. Wenn das nur funktionieren würde.

Schließlich sind wir an den Häusern von Mary und Liam angekommen. Sie stehen sich direkt gegenüber. Perfekt für Komplizen. Gerne würde ich wissen, ob er gerade bei ihr ist und vielleicht auch, ob da mehr zwischen ihnen läuft als dieses Komplizen-Ding. Wie blöd bin ich eigentlich, mich das zu fragen? Lieber sollte ich mal an Jos Überleben denken, anstatt eifersüchtig auf Mary zu werden, weil sie vielleicht an der Schokolade meines Mörder-Ex knabbert.

»Kate, wir sollten aussteigen«, meint Candice dann.

»Ja. Ja!«, schrecke ich aus meinen Gedanken hoch.

Wir verabschieden uns von den weichen schwarzen Ledersesseln im Inneren und treten in die kalte Nacht hinaus. Es ist noch nicht einmal Mitte Februar und ich sehne mich schon unglaublich nach dem Sommer.

»Sollen wir erst um Marys Haus gehen?«, fragt mich Candice.

»Egal, aber bei ihr kann man gut eine Runde darum machen, weil der Garten an der Hinterseite sehr schmal ist.«

So umrunden wir in unseren dunkel gehaltenen Klamotten einmal Marys Haus.

Nichts.

Es scheint so, als wären bloß ihre Eltern zu Hause.

Dann huschen wir auf die andere Straßenseite zu Liam.

Mit Beruhigung stelle ich fest, dass man Vaters schwarzen Tesla in der Dunkelheit beinahe nicht erkennen kann. Nur das Logo und die Türklinken reflektieren unser Handylicht wie funkelnde Edelsteine.

Bei Liam müssen wir uns in den Garten schleichen, um einen Einblick ins Innere des Hauses zu erhaschen.

Mit klopfenden Herzen steigen wir über den Zaun. Diesmal passe ich besonders auf, dass ich mich am Zaun nicht verletze. Aber ich stelle fest, dass ich auch für diesen Zaun zu lange Beine habe, um mich leicht daran zu verletzen.

Wir gehen um die Fenster herum und stieren in alle Fenster des Erdgeschosses. Hier brennt nirgends Licht.

»Hier ist nicht einmal jemand zu Hause«, flüstere ich Candice zu.

»Scheint so...«, entgegnet diese ernüchternd.

»Was machen wir jetzt?«, frage ich, obwohl ich weiß, dass Candice meine Antwort genauso wenig beantworten kann.

»Warte!«, meint sie dann aufgeregt und stiert in das Erdgeschossfenster an der Südseite. »Diese Schlitzohren haben das Licht nicht eingeschaltet, um nicht bemerkt zu werden«, murmelt sie mit einem Grinsen.

Auf Knopfdruck schalten wir unsere Taschenlampen auf dem Handy aus.

»Tatsächlich«, entgegne ich und erkenne auch zwei Gestalten, die sich im Inneren des Hauses bewegen. Sie stehen vor einem großen Whiteboard und kritzeln ständig neue Dinge darauf.

»Sie schmieden einen Plan«, meint Candice.

»Sie werden uns wie Jo ausschalten, nicht wahr?« Meine Stimme klingt zittrig und ich habe einen dicken Kloß im Hals.

»Keine Ahnung...«

»Was sollen wir jetzt nur tun?«

»Abwarten«, entgegnet Candice entschieden und knipst ein Foto, auf dem man aber nicht wirklich was erkennen kann. »Mach du mal eines, dein Handy hat eine bessere Kamera.«

Schnell hole ich mein Handy hervor und drücke auf den Auslöser. Und in dem Moment, als ich ein Foto mache, erscheint ein grelles Licht. In diesem Augenblick wird mir bewusst, dass ich vergessen habe, den Autoblitz auszuschalten.

Schnell wollen wir uns abwenden, doch Marys und Liams pfeilspitze Blicke haben uns schon getroffen.

Wir rennen wie zwei Verrückte um das Haus herum, weil der Zaun nur an der Straße so niedrig ist.

Candice klettert gekonnt über den Zaun und ist schon auf der anderen Seite. Auch ich springe auf das Betonfundament, doch in der Hektik bleibe ich mit meinen Highheels am grünen Maschendrahtzaun hängen. Blöd, dass es diesmal keine Pumps sind, sondern knielange gebundene Stiefel. »Verdammte Scheiße!«, fluche ich schwitzend.

Im nächsten Moment öffnet sich auch schon die Haustür

und Liam und Mary stehen im Türrahmen.

Sie haben mich. 

Was sagt ihr von diesem Ende? Was wird nun mit Kate und Candice passieren, nachdem sie von Liam und Mary entdeckt wurden? Wie immer bin ich gespannt auf eure Kommentare. Habt noch einen wunderschönen Tag,

eure Anna Vanilla ♡

Greyforks | Staffel 2 || SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt