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Als sie plötzlich ein Geräusch hörte merkte sie auch warum sie von dem Hirsch geweckt wurde...

Vor den beiden standen zwei Elben. In den Bäumen waren auch noch einige mit Kampfausrüstung. Jeder hatte einen Bogen, Pfeile und ein Schwert soweit sie beurteilen konnte. »Was macht denn ein ein kleines Mädchen ganz alleine im Wald?«, fragte der eine Elb vor ihr.
Der Hirsch schnaubte. Sie strich ihm beruhigend durch das Fell, da sie wusste das er für sie da war. Er war der einzige Freund von ihr. Der einzige der noch da war...
»Ich...ich kann das nicht erzählen.«, sagte sie mit Trauer und Angst in der Stimme. Vertrauen in andere zu fassen hatte sie vor einiger Zeit verlernt. Die Elbin neben ihm schaute dem Mädchen in die Augen. Sie merkte das sie jetzt schon, in dem jungen Alter eine tragische und schmerzvolle Geschichte erzählen könnte.
Die Elbin kniete sich vor sie hin. »Dies musst du auch nicht. Ich bin Ilmarè. Wer bist du denn?«  »Ich bin Lumiel«, antwortete das Mädchen zögernd auf ihre Frage. Lumiel schaute sich die Elbin genauer an. Ilmarè hatte eine schlanke Figur, hüftlange leicht gelockte blonde fast goldene Haare, meerblaue Augen, feine Gesichtszüge und eine glockenhelle und gleichzeitig sanfte Stimme. Sie war wunderschön.
Der Elb hinter ihr kniete sich nun auch zu den beiden. Lumiel hörte ein Rascheln in den Baumwipfeln und die anderen Elben waren verschwunden. Sofort merkte sie wie ihre Anspannung abfiel und sie leicht aufatmete.
Nun schaute sie sich auch den anderen Elben genauer an. Er hatte blonde fast weiße Haare, die ihm glatt bis zum Ende des Rückens reichten. Doch am meisten fielen die eisblauen Augen auf, die einem bis auf den Grund der eigenen Seele zu schauen vermochten. An sich hatte dieser Elb ein markantes Gesicht. Beide Elben hatten edle Gewänder an. Er in Rot- und Silbertönen und sie ein Kleid mit einer kleinen Schleppe, in den verschiedensten Blautönen. In beiden Gewändern wurden noch silberne Stickereien verarbeitet. Ilmarè und der Elb sahen wunderschön und majestätisch zu gleich aus.
Lumiel hingegen musste richtig schlimm aussehen. Ihre sonst so feurig, in der Sonne gold glänzenden, roten Haare waren matt und zerzaust. Ihre Sachen waren zerrissen und dreckig, außerdem fehlten ihre Schuhe. Ihre Augen haben ihren früheren Glanz verloren und waren wahrscheinlich noch rot unterlaufen. Am ganzen Körper hatte sie Schmutz und schlimme, teilweise offene Wunden. Die Schmerzen waren vergessen, denn betäubten das Adrenalin, die Trauer und Angst diese. Doch durch das Vergessen ereilten sie sie doppelt so schlimm. Lumiel wollte sich aber nichts anmerken lassen, denn hatte sie andere Dinge kennenlernen müssen. Schmerzen waren für sie etwas normales, etwas alltägliches.
»Du musst doch frieren und sicherlich schreckliche Schmerzen haben.«, meinte der große Elb, der bestimmt einen Kopf größer war als Ilmarè. »Ich bin Thranduil und Ilmarè ist meine Frau. Wenn du möchtest nehmen wir dich mit ins Waldlandreich. Dort würden deine Wunden behandelt werden. Außerdem würdest du warmes Essen und neue Kleidung bekommen.«, sagte Thranduil.  »Wir würden dir gerne deine neue Familie sein.«, sprach Ilmarè freundlich, mit einer gewissen Spur Mitleid und Traurigkeit in der Stimme. Das kleine Mädchen war überrascht und erschrocken.  »Woher?«  »Ich konnte es in deinen Augen sehen. Du hast versucht dich zu verschließen, doch steht rechts von mir ein Meister im Gefühle verstecken.«  »Das stimmt doch garnicht. Ich zeige oft meine Gefühle.«, versuchte sich Thranduil empört zu rechtfertigen. »Ja genauso oft wie du mit Zwergen ein freundliches Wort wechseln würdest.«, meinte Ilmarè zu ihrem Mann. Daraufhin nuschelte Thranduil etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Lumiel musste lachen, weil sie diese Situation an die damalige Zeit erinnerte. An eine längst vergangene Zeit...
Durch das fröhliche Kinderlachen mussten die beiden Elben auch lächeln. Sie erfreute es zu sehen das Luthìen wenigstens in manchen Situationen von der Vergangenheit ablassen konnte. Beide wollten dem Mädchen helfen mit der Vergangenheit umgehen und in die Zukunft blicken zu können. Sie wollten für sie eine Familie sein. Jemand mit dem sie reden könnte aber auch jemand bei dem sie Schutz, Geborgenheit und Liebe finden würde. Man merkte das der Kleinen diese Gefühle vor langer Zeit genommen wurden. Diese Unbeschwertheit die Kinder eigentlich haben sollten, die auch ihr Sohn hatte, war bei ihr nicht zu spüren. Sie sah die Dinge wie sie waren und musste viel zu schnell erwachsen werden.
»Du kannst uns vertrauen Lumiel. Ich merke das du eine schwere Zeit hinter dir hast. Du kannst mit uns reden, wenn du dich dazu bereit fühlst. Lass dir dein Herz nicht schwer machen. Du bist jung und musstest schon vieles können was man eigentlich erst später erlernt.«, versuchte Thranduil das kleine Mädchen zu überzeugen.
Der Hirsch der geduldig zugehört hatte stupste das Mädchen an. Lumiel schaute ihm in die Augen und konnte aufeinmal eine Stimme in ihrem Kopf hören. „Geh mit ihnen mit. Ich habe den Schmerz gespürt, der dein Herz belastete. Bei ihnen ist er aber verschwunden und du konntest wieder lachen. Sie bauen dich auf und sind wie eine zweite, eine neue Familie. Ich kenne sie und habe sie oft im Wald gesehen, außerdem haben sie einen Sohn der nicht viel älter ist als du selbst. Vertraue ihnen und höre auf dein Herz. Es wird dir den richtigen Weg weisen in den Zeiten die noch kommen werden. Ich bin immer für dich da und spüre wenn du Hilfe benötigst Luthìen. Du bist nicht alleine, ich bin da wenn du mich brauchst. Doch gibt es noch welche, die für dich da sind und besonders ein Wesen passt auf dich auf. Du wirst sie treffen,...irgendwann. Wenn es soweit ist werden sie dir nicht mehr von deiner Seite weichen und dir beistehen bei dem was noch kommen wird. Auch wenn du jetzt nicht verstehst, wirst du es in einiger Zeit...", Lumiel spürte das dies die Worte des Hirsches gewesen waren. Thranduil und Ilmarè standen auf und hielten jeweils eine Hand hin damit Lumiel sie ergreifen könnte. Sie saß jedoch noch an dem Hirsch gekuschelt da. All die Worte gingen ihr durch den Kopf und die Frage ob sie mit Thranduil und Ilmarè gehen sollte. Ein kleines Mädchen alleine im Dunkeln, klingt nicht sehr berauschend, aber hatte sie es geschafft in ihrem jungen Alter alleine zu überleben.
Wenn sie jetzt mitgehen würde, müsste sie nicht mehr kämpfen. Sie hätte eine Familie, eine Heimat und vielleicht auch Freunde. Lumiel stellte sich hin, genauso wie der Hirsch hinter ihr. Erst jetzt bemerkte sie die gewaltige Größe des Tieres. Sie war gerade mal so groß wie eines seiner Vorderbeine. Der Hirsch stupste sie vorsichtig an, sodass sie wenige Schritte in Richtung der Elben gehen musste. Vertrau ihnen. Du wirst es nicht bereuen. Vergiss nicht, du bist nicht alleine. Ich bin bei dir...", erklang wieder die Stimme des Hirsches in ihrem Kopf. Zaghaft ging sie die letzten Schritte auf die Elben zu. Lumiel ergriff die Hände von Ilmarè und Thranduil, sodass sie nun in der Mitte von den beiden lief. Sie reichte Thranduil bis zur Hüfte und Ilmare bis zum Bauch,... sie war echt klein. Ilmarè und Thranduil fingen an zu lächeln, denn sie freuten sich über den Familienzuwachs. Alle drei schauten ein letztes mal zurück und wollten den Hirsch verabschieden, doch war er verschwunden...
Nun würde für Lumiel ein neues Leben beginnen...

Cuìa mela gladha Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt