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Ich hörte die Stille in dem Raum, wie ein rauschendes Radio klang sie in meinen Ohren wieder, selbst wenn Ashton laut auf seinem Schlagzeug trommelte, Calum seinen Bass spielte und Mikey an seiner Gitarre probeweise zupfte. Nur leise, wenn man genau hin hörte, dann könnte man sie förmlich spüren, in jeder Pause, jedem Atemzug, genau dann kam sie und setzte sich kurz in meine Ohren, damit sie schnell darauf wieder verschwand. Ein drückendes Gefühl legte sich auf meinen Brustkorb, sodass meine Stimme eigenartig gedämpft klang, was aber auch an der vielen Stille gelegen haben könnte, die meine Ohren wie in Watte legte. Ich strich mir eine blonde Strähne aus dem Gesicht, die an meiner Stirn ihren Platz finden wollte. Der Raum kam mir unfassbar groß vor, was er auch war, wenn man bedachte, wie viele tausend Menschen hier vor uns in ein paar Stunden stehen würden, zu unserer Musik tanzend. Meine Stimme brach ab, als ich mir die Menge erneut vor Augen führte. Die Nervosität nagte an mir, es war neben dem Rauschen eines der schlimmsten Gefühle, die ich kannte. Sie trieben mich in den Wahnsinn, wenn nicht gerade meine Freunde mir mit ihren verwunderten Blicken die Seele aus dem Leib starrten. Ich seufzte tief, bevor ich meine Stimme wiederfand und erneut zum Singen ansetzte. Ashton fand erst ein paar Takte weiter wieder den Einstieg, vielleicht auch aus Nervosität und dem Kribbeln durch das Adrenalin in seinem Körper, Michael und Calum verpassten ihren Einsatz ihrer Begleitung.
Immer und immer wieder begannen wir von vorne, bis uns das Endergebnis passte. Ashton trank die halbe Wasserflasche leer, bevor er sie an mich weiter gab, da ich meine vergessen hatte. Ich sagte ein paar Worte, sie klangen nach Lob und Stolz, ermutigen die drei irgendwie und mein Körper setzte sich automatisch auf den Boden. Summend setzte sich Mikey neben mich, zufrieden lächelnd. ,»Bis auf den kleinen Seufzer vorhin war das ganz akzeptabel, oder Luke?«, schmunzelte er, wobei mir erneut die vielen kleinen Lachfältchen neben seinen Augen auffielen, die mit seinem Tränensäckchen sympathisch herausstachen. Ich lächelte ihn an, während mein Kopf nickte und ich innerlich verneinte. Ich hatte diese Probe nicht wirklich mitgeschnitten, die Nervosität machte mir zu schaffen. Ich räusperte mich, um meine Stimme nicht so kratzig klingen zu lassen, bevor ich ihm erzählte, wie es mir ging. Ashton und Calum standen ein paar Meter weiter weg und redeten darüber, wie toll sie diesen Auftritt fanden und wie sehr sie sich freuten. Ich selbst hing also für mein gutes Gewissen noch dran, dass es mir auch Spaß machen würde, nur die Aufregung mich fast umbrachte. Mein Sitznachbar legte brüderlich eine Hand auf meine Schulter, danach beschwichtigte er, dass es ihm auch so ginge und es normal wäre.
Erneut nickend stand ich auf, um frische Luft schnappen zu gehen.

Der Innenhof war recht klein, drum herum sammelten sich die Häuser wie ein Kreis, der mich beobachten und einschüchtern sollte. Manche Fenster hingen unterschiedlich hoch, als hätte man sie kaputt gemacht und wieder ordentlich zusammengebaut, ohne auf die vorherige Konstruktion zu achten. Als ich an der dreckig grauen Wand entlanglief, dessen Oberfläche rau und so abgenutzt war, dass der Putz hinter manchen Rankpflanzen abbröckelte, vielen mir auch unzählige kleine Graffitis auf, die mit dem Pflanzen versucht wurden zu kaschieren. Die kleine Wiese in der Mitte des Platzes wurde von dem grauen Kiesweg umzingelt. Auf der anderen Seite mir gegenüber gingen zwei junge Damen, vielleicht Anfang zwanzig, im Arm eingehakt entlang, beide redeten ruhig miteinander, was mir auch etwas innere Ruhe brachte. Sie lächelte mir freundlich zu, bevor sie ihr Schritttempo erhöhten und neben mir ankam. Als die beiden vor mir standen, musste ich lächeln. Sie sahen sich ähnlich, die eine Frau hatte pechschwarze Haare, schulterlang glänzend, wedelten sie in der Sonne. Die andere hatte Rückenlange, braune Haare, wellig wie das Meer, der lange Pony mit einer blau glitzernden Spange festgemacht. Ansonsten waren ihre Gesichtszüge gleich, so weich und zart, keine Kanten, weder in Nase noch in Wangen. Die blauen Augen des braunhaarigen Mädchens sahen in meine, die Lebensfreude in ihnen. Innerlich machte ich mich darauf bereit, dass sie mich nach einem Autogramm fragten oder einem Foto, doch das taten sie nicht. Sie grüßten mich freundlich und boten mir an, ein paar Runden mit ihnen zu spazieren. Ich nickte, glücklich keine Fotos machen zu müssen und Ablenkung zu haben. Langsamen Schrittes setzten wir uns in Bewegung.
Das Knirschen unserer Schuhe untermalt unsere Unterhaltung. Sie erzählten mir, dass sie in einem der Läden arbeiteten, die in den abgeranzten Häusern standen. Ich war überrascht, von draußen war die Einkaufsstraße nicht im Ansatz so dreckig wie hier, aber es leuchtete ein, hier hinten war es für alle Musiker zugänglich, die ein Konzert haben würden oder schon hatten. Das schwarzhaarige Mädchen sagte mir, sie hieß Renya und das braunhaarige Mädchen hieß Miracle. Miraicel, sprach ich ihren Namen im Kopf aus. Ich schmunzelte. Die Eltern hatten sie solche Mühe bei ihren Namen gegeben, wobei bei meinen einfach Luke Robert herauskam, was eine -für mich- furchtbare Mischung ergab. Renya sah das anders, sie bezeichnete "Luke" als schön, lachte aber auch über Robert. Renya war die offener von beiden, zu jedem Kommentar meinerseits folgte einer ihrer, wobei ihre wohlig hohe Stimme immer wieder mit den hohen Tönen spielte. Sie wäre eine tolle Sängerin. Doch mir fiel vorallem Miracles Stimme auf, eher rauchig aber ruhig, sie kratzte ein wenig. Es war ein einzigartiges Kratzen, ihre Stimme hätte man unter tausenden wiedererkannt, nur benutzte sie sie so selten, dass ihre Freundin sie immer wieder selbständig ins Gespräch einbinden musste. Das rauchige in ihrer Stimme wirkte nicht so, als wäre es vom Rauchen gekommen, ihre Klangfarbe beinhaltete diese Besonderheit. Diese drahtige Figur, die schon an eine Magersüchtige erinnerte, wirkte nicht angewidert von mir oder schlecht gestimmt, immer wieder schenkte sie mir ein fröhliches, herzliches Lächeln. Es saß quasi wie eine Bemalung auf ihren schmalen, blassen Lippen. Mir fiel ihre ausgelaugte Haltung auf, die Frage, ob sie wirklich schwere Lasten durch einen Laden schleppen konnte, ohne zusammenzubrechen, verkniff ich mir.
Mit einem Ruck stolperte ich zwei Schritte nach vorne, fand mein Gleichgewicht gerade so, um mich umzudrehen und mit einem Ausfallschritt nach hinten zu treten. Ashton stand da, lachend auf die Schulter von Renya gestützt, die nur verwirrt zu dem größeren aufsah. Ich erkannte deutlich das Schwärmen in ihren Augen, verdenken konnte ich es ihr nicht. Grübchen und lockige, braune Haare, es war auch nichts verwerfliches, jemanden attraktiv zu finden. Miracle hingegen beäugte den Fremdling misstrauisch, zusammengekniffene Augen ließen auf Verachtung oder Missbilligung ahnen. »Ash, wo sind deine Manieren? Renya, Miracle, das hier ist Ashton. Ashton, das sind Renya und Miracle.«, stellte ich lächelnd vor, die Nervosität bewältigte ich zu unterdrücken.

Psycho ~Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt