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Nachdem wir gegessen hatten, machten wir uns weiter auf den Weg durch die Stadt, an den Straßenbahnschienen vorbei, auf denen ab und an die Bahnen wie Würmer sich erstreckten und vorbei rauschten. Sie zog mich mit in eine hinein, kaufte keine Tickets und stieg an der nächsten Haltestelle wieder aus. Vor uns, eingerahmt von Straßen, war eine Absenkung in der Landschaft, darauf grüne Wiese, darauf widerrum viele Menschen auf Decken im Schatten der großen Bäume. Sie sah entspannt aus, die kleine Nase hinausgereckt, die Sonne küsste ihr Anlitz und brachte die blaugrünen Augen zum glitzern und glänzen. Zarter Wind, wie zerbrechliche Glas, umspielt ihr Gewandt, als sie sich mir zuwendete, meine beiden Hände nahm, bevor sie mich zu sich heranzog, die kleinen Händchen auf meine Schulter legend. Sie flüsterte mir, dass dieser Tag einzigartiger, berauschende wäre als die vorherigen Jahre ihres Lebens. Dass sie nur lächeln konnte, wenn sie mit mir zusammen war. Und das Einzige, was ich konnte, war sie zu küssen und ihr erneut zu sagen, wie sehr ich sie liebte. Miracle strahlte wie die Sonne, meine eigene kleine Sonne, dann zog sie mich wieder mit, hinab in den abgesenkten Park, zu einer Bank unter einem Baum mit hängenden Ästen. Sie ließ mich nicht los, klammerte sich geradezu an mich, als wir uns hinsetzen, das alte Holz unter unseren Hosen und den Duft des Windes in unseren Nasen. Lass uns fangen spielen, hatte sie gerufen, bevor sie wegrannte, einen Schulterblick zu mir, ich hinterher. Die Brünette war so schnell, sie sauste an den Familien vorbei, ein Kind hätte sie fast angelaufen, hätten ihre dünnen Arme nicht unter die Arme des Jungen gegriffen, es gewirbelt und neben sich abgesetzt. Der Bursche lachte wie ein Kind lachte, hemmungslos und fröhlich, bevor es wieder zu den Eltern rannte. Racle gelang es nicht, weiter wegzulaufen, ich hielt sie mit beiden Händen fest, umarmte sie dann von hinten.
,,Dass das Spiel nicht so funktioniert, weißt du, oder?"
Ihre Stimme spielte wieder verrückt, alle guten Töne wurden getroffen, ohne auch nur ansatzweise schief zu klingen. Ich wirbelte sie herum, platzierte meinen Kopf auf ihrer Schulter und sah nur den grünschimmer, der in meine Richtung lugte. Sie drehte ihren Kopf und vergrub ihre Nase in meinen langen Haaren, atmete ruhig und genoss die Stille zwischen uns, bis der kleine Junge von vorhin an ihrem Saum zupfte, einen Ball in der rechten Hand. Er sagte etwas zu ihr, ich verstand es nicht, bis sie sich zu mir drehte und mich für ihn fragte, ob ich Ballspielen wollte. Ich wusste, dass sie es wollte, ihr hübsches Gesicht strahlte regelrecht diese Freude aus, die sie fühlte. Vielleicht wollte Racle ihre Kindheit wieder aufleben lassen und ich war kein Mensch, der dies verhindern würde, also nickte ich leicht, bevor der kleine Junge ihr die Regeln auf Deutsch erklärte. Immer wieder übersetzte sie für mich, damit ich dann sofort losrennen konnte, als der Junge beschloss, den Ball zu besitzen und uns abwerfen zu müssen. Der Rasen war verdammt weich unter den Füßen, wie eine Qual zum Laufen, doch Miracle flitzte hinüber, als wäre es Asphalt. Knapp hinter ihr war der Junge, welcher nicht einmal halb so angestrengt aussah, wie wir, und er warf mit gezielter Leichtigkeit den rot-blauen Ball in die Luft, welcher ein paar Male rotierte, bevor er auf ihren Rücken traf. Er machte sofort eine Kehrtwende und überließ Miracle ihrem Schicksal, die sofort auf mich zugesteuert kam. Ich wurde getroffen, angelacht, dann bekam ich den Ball und musste die beiden wieder verfolgen. So ging es ewig weiter, bis Miracle kapitulierend ihre Hand hob. Ihr Atem war unregelmäßig, genau wie meiner, und ihr Brustkorb hob und senkte sich so rasant, als könnte er niemals wieder damit aufhören. Der Junge umarmte ihre Beine als Dank, auch bei mir tat er das, bis er dann zurück zu seinen Eltern rannte, die uns freundlich entgegen blickten. Mit einem netten Lächeln nickten wir zurück, dann näherte ich mich Miracle die mir eine Hand zum Halten entgegen streckte. Mit einem Kuss auf die Lippen schritten wir von Dannen durch den Park und sie erzählte mir Dinge, die ich niemals erwartet hätte.
Ihre Eltern lebten weit weg, in einem anderen Bundesland als die beiden Schwestern, das hatten sie in der Familie abgesprochen. Miracle erklärte mir, dass die Krankheit die Eltern kaputt gemacht hatte. Sie sagte, es wäre nicht ihre Schuld gewesen, wir beide wussten, dass sie nichts dafür konnte, und doch denkt sie an manchen Tagen, dass Renya immer noch bei ihren Eltern leben könnte, wenn sie nicht gewesen wäre. Dann ließ sie wieder eine Pause, um sich die Worte zurecht zu legen. Dies tat ich ihr gleich, obwohl ich niemals an ihre Eleganz hätte kommen können. "Renya und ich waren der Meinung, dass sie ihr Leben nicht weiter damit leben sollten" Ich wusste nicht wirklich, ob ich Renya in diesem Punkt Rechtgeben oder als Dumm bezeichnen sollte. Sie hat Miracle vermittelt, dass sie eine Last war, sie mit ihren Sorgen bestätigt, doch war gleichzeitig dafür bereit, ihr Leben mit ihr zu verbringen. Und die Frage, die sich mir stellte, war jene, welche Rolle ich in diesem Wirrwarr spielte.

***

Wir kamen erst Abends bei ihr Zuhause an, Renya hatte uns freundlich hereingelassen, bevor sie in die Küche ging und Tee machte. Ihr Haus war nicht sonderlich klein aber auch nicht übermäßig groß, es sah wie ein Bungalow aus. Der Flur war etwas breiter, nach ein paar Metern geradeaus schlängelt er sich nach links um die Ecke, der Laminatboden war in hellem Holz, die Wände weiß mit vielen Bildern, die von irgendwem gemalt worden waren. Während ich in der Küche blieb, rannte sie nach hinten in ihr Zimmer, um ein paar Sachen abzulegen. An sich war der Raum, der von links die erste Tür im Flur war, wirklich nicht groß, die Theke erstreckte sich nur in der hinteren Ecke. Der kleine Tisch ließ gerade mal zwei Personen ihren Teller abstellen, doch insgesamt waren vier Stühle drumherum gestellt. Alles war hell gehalten, die Wände waren in einem Gelbton gehalten, die Theken waren unten weiß, die Oberfläche hellbraun.
Die schwarzhaarige Frau verwickelte mich in Smalltalk, wir erzählten gegenseitig, was wir getan hatten oder wie der Tag mit den jeweiligen Partner, obwohl sie stark darauf beharrte, dass Ashton nur ein Kumpel ist, verlaufen war. Nach einigen Minuten kam Miracle jedoch immernoch nicht wieder, weswegen ich mich kurz erklärte und das Zimmer von meiner Freundin aufsuchte.

Psycho ~Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt