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Ihr jedoch schien das aber nichts auszumachen, eher schien sie das nicht zu interessieren. Miracle kuschelte sich an mich, sichtlich müde und ausgelaugt. Ich strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht, fuhr ihre leicht geschwollenen Lippen nach und hob sie dann hoch. Racle schaute mich durch ihre kleinen Augen verwirrt an, lehnte ihren schönen Kopf aber an meine Brust. Die Brünette war unglaublich leicht, sodass die Treppen ein leichtes für mich waren. Ganz oben in meinen Zimmer angekommen legte ich meine Freundin in mein Bett und legte vorsichtshalber die Fernbedienung auf den Nachtschrank. Als ich meinen Körper auf die Matratze bewegte, zögerte Mira nicht eine Sekunde und kuschelte sich erneut an mich. Ein paar Minuten war es toten still, ihre Atmung war die einzige Musik in meinen Ohren, bis sich sich so zu mir hindrehte, dass sie in meine Augen schauen konnte, den Mund einen halben Zentimeter weit geöffnet. Ihre Konturen waren so schwungvoll, dass ich sie am liebsten mit den Fingern nachgezeichnet hätte. Oder entlang geküsst. Ja, das hätte ich am liebsten.  »Luke, wie lang bleibt ihr in Deutschland?«, fragte ihre süße Stimme traurig, mich selbst durchfuhr ein stehender Schmerz, als ich daran dachte, sie irgendwann zurücklassen zu müssen. Ich atmete ein, schluckte hart auf und wendete mein Blick von ihrem stechenden Augen ab, die mich scannten, als wäre ich ein Diamant. »In eineinhalb Wochen.« Als ich über die Zeit nachdachte, bemerkte ich, wie schnell wir uns so nah gekommen waren. Vielleicht hätte ich warten sollen. Miracle raschelte mit der Decke und legte sich dann einfach auf mich drauf, wahrscheinlich, um mir in die Augen zu schauen. Mein Atem würde von mir abgeflacht, damit ich nicht sofort jegliches Blut aus meinem Gehirn verlor. »Wie wird es dann mit uns weiter gehen?«
Hatte sie die ganze Zeit darüber nachgedacht? Wie lang plagten diese Gedanken schon ihre Psyche und warum hatte ich mir diese Frage noch nicht gestellt. Ich hatte nicht im Ansatz eine Vorstellung. »Ich weiß es nicht, aber was ich weiß ist, wenn du nicht bald deinen Körper von meinem bewegst, muss ich duschen gehen.«, gab ich zu und sie lächelte mich einfach schelmisch an. Die Brünette zog mich in einen leidenschaftlichen Kuss, ich war zunächst überrascht von dieser Wendung, aber dennoch gab ich mich ihr hin. Immer und immer wieder küssten wir uns, lösten uns aus Atemnot und vertieften uns wieder, als ich gerade an ihrem Saum herumfummelte, hörte man von unten die Haustür zufallen. Ich seufzte tief und auch Racle machte anscheinend enttäuscht Anstalten, von mir abzurücken. Als wir uns gegenseitig ansahen, lachten wir. Ihre Haare waren zerzaust, der unscheinbare Lippenstift war ein wenig verwischt und das T-Shirt ein wenig verzogen. Wie ich aussah, wollte ich eigentlich gar nicht wissen, doch durch den Spiegel an der Wand erblickte ich einen genauso verwuschelten Kopf wie ihrer es war, ein kleiner Lippenstiftabdruck an meinem Hals würde mich verraten. Eilig versuchte ich alles wieder ein bisschen herzurichten. Miracle hatte das ganze schnell hinter sich gebracht, als sie dann wieder wie vorher ganz artig neben mir Platz genommen hatte und mit der Fernbedienung herumspielte. Lachend legte ich mich neben sie, die Decke über unsere Bäuche gelegt, damit ich nicht sofort eine eiskalte Dusche hinter mich bringen musste. Mit einem Klopfen kündigte sich die schwarzhaarige Schwester an meiner Tür an, danach trat sie ohne ein Wort von mir herein und beäugte uns fragend. Ihr Blick wurde sofort frech grinsend, sie klatschte begeistert in die Hände und auch hinter ihr ertönte weitere, begeisterte Stimmen. Ash und Red standen als erste Reihe hinter ihr, dahinter ein halb nackter Calum, der mit seinem Teddybär aussehen eher gruselig bei seinem schelmischen Lächeln wirkte. Renyas Lächeln wurde aber plötzlich weggewischt, dass ich dachte, ich hätte irgendwo Spuren hinterlassen. Das schien sie aber nicht zu interessieren, eher die noch etwas angeschwollen Augen Miras zogen ihre ganze Laune in den Dreck. Mit einer kurzen, abgehackt Bewegung schloss sie die Tür vor deren Nase, setzte sich zu ihr und fragte Racle aus, die davon nicht sehr begeistert zu sein schien. »Es ist alles okay, Reny, Luke war da. Ist okay, es war nur eine kurze Illusion, nichts wirklich schlimmes, verstanden?« Miracle schien von der eben verführerischen Person zu der kaputten Frau geworden zu sein, die sie manchmal war. Unendliche Müdigkeit legte sich über sie, wie schon vorhin, als würde allein der Gedanke ihr jegliche Energie entziehen. Renya wollte aber nicht von ihr ablassen, redete weiter, dass dieses "nur" in ihrem Satz dumm wäre, da alles gleich schlimm wäre. Ob sie die Tabletten genommen hätte, fragte sie, gleich nach der Frage an sich selbst, warum sie sie überhaupt hatte allein gelassen. Anscheinend sah Renya nicht die aufkommenden Tränen in Miracles Augen, die mit jedem weiter gesprochenen Satz mehr wurden. Ich atmete tief ein, griff Renya dann an die Schulter, sodass sie unterbrach und mich anschaute. Mit einem leichten Nicken deutete ich auf Miracle, die schon die ersten Tränen vergoss. Renya sog scharf die Luft ein und begann dann, deutlich einfühlsamer, sie zu Trösten. Ich rutschte unbemerkt weg, mit dem Ziel, ins Bad zu laufen, was ich sogar recht unbemerkt schaffte, bis auf Ashton, der mich angrinste. Mit einem Mittelfinger ließ ich es auf sich beruhen und verschwand im Bad.

***

Die Atmosphäre war eine andere als die, die ich zurückließ. Sie wirkte entspannter, geradezu aufgelockert und fröhlich. Es erinnerte mich an die Proben mit meinen Freunden, als wir noch nicht berühmt waren. Wie unbeholfen, doch gut gelaunt wir an die Sache herangegangen waren. Miracle schlief friedlich, während Renya mich musterte, mir mit ihrem dünnen Gesicht deutete, hinauszugehen. Sie tat es mir nach, erst stand sie auf, dann quetschte sie sich gleichzeitig mit mir durch den Türrahmen und schloss die Tür leise, als ob sie dies schon tausende Male getan hätte. Stumm liefen wie in die Küche, ohne überhaupt einen Blick zu dem anderen zu werfen. Ich traute mich nicht, innerlich gab ich mir die Schuld, dass Miracle einen Zusammenbruch hatte. Ich hoffte, dass Ihre Schwester dies nicht so sah, denn mit ihrem ernsten Gesicht, welches sie auf ihre Augen und Lippen gesetzt hatte, mit dem sie mich jetzt am Küchentisch musterte, machte mich regelrecht nervös. Sogar die Stille hatte Angst vor ihr, zumindest ihrem Atem, der mir extrem laut vorkam. Zunächst kam aber kein Vorwurf, sondern die Frage nach Tee kam ihr über die Lippen, die sie kaum bewegte. Es sah asynchron aus, als wären es nicht ihre Worte zu ihrer Stimme. Ich tat ihr den Gefallen, einen zu machen, für mich gleich zur Beruhigung auch ein heißes Getränk.

Psycho ~Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt