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Wir waren wie in einer anderen Stadt. Es war erstaunlich, wie perfekt es hier schien. Überall hing Deko, Lichterketten glizerten und glänzten, Blumen schmückten Fassaden. Ich sah eine vierköpfige Familie, der kleine Junge zog der Schwester am Arm, wollte unbedingt in einen Spielzeugladen und bettelte seine Mutter an. An einer anderen Ecke stand ein altes Ehepaar, auf einen Zeitungsständer schauend. Wir mussten in der Innenstadt sein, es war mehr los als beim letzten Mal, außerdem gab es hier viel mehr, was man sich anschauen konnte. Man sah eine Kirche, gar nicht weit von hier, an jeder zweiten Ecke war ein Laden für alles Mögliche an Deko. Überall hockten Leute aufeinander, doch jeder schien trotzdem für sich zu sein. Die Meisten, die allein waren, sahen grimmig aus, doch alle Menschen mit Freunden, Familienmitgiedern oder Partner strahlten förmlich, waren in ein Gespräch vertieft. Man sah es in ihren Gesichtern; dieses grenzenlose Interesse in den Augen. Jedem von ihnen stand es. Doch am meisten faszinierte mich die Brünette neben mir, die stetig sich von einem Thema zum nächsten hangelte. Dabei redete sie nicht einmal viel, sie ließ mich reden. Mit ihren geschickten Übergängen, den nicht zu langen Texten ihrerseits, beeindruckte sie mich mit ihrer Eleganz, nie zu lang bei einem Thema zu bleiben, doch trotzdem es genug zu behandeln, um nicht ein durcheinander von Themen zu haben. Es wirkte, als ob Miracle alles sortiert hätte, aber in keiner Hinsicht einstudiert. Sie spielte mit meinen Antworten, ließ sie mich ausbauen, neue Wege und Hintertüren entdecken, bevor sie alle sprengte und mir die Möglichkeit ließ, andere zu finden. Dann fand sie perfekte Übergänge und das Ganze begann erneut. Es war wie ein Rätsel, das von Ecke zu Ecke verworrener und orientierungsloser wurde, jedoch konnte ich nicht aufhören. Miracle war keine Droge für mich, sie war das Fragezeichen am Ende meines Satzes. Sie baute meine Gedanken so um, dass ich zum Satzende immer heraufging mit meiner Stimme, als sei es eine Frage. Doch dann schüttelte sie den Kopf und sagte mir, ich sollte meine Meinungn vertreten. Ich liebte sie nicht mehr. Ich vergötterte sie. Ich konnte es einfach nicht anders ausdrücken. Sie stellte jeden in den Schatten, niemand konnte ihr das Wasser reichen oder mich mehr beeindrucken. Alle anderen waren langweilig. Red, Renya, jede andere Frau in meinem Leben war nicht mehr attraktiv, solang sie in meinem Leben war. Sie gehen zu lassen würde mir sehr, sehr schwer fallen.

In einem Café machten wir halt. Die Fassade war hell gelb gestrichen, die Fenster waren aus dunklem Holz und die weißen Lampen passten sich zierlich an das Gesamtbild an. Innen war es gemütlich, der Laminatboden und die weißen Wände wirkten allein recht steril, doch mit den vielen Möbelstücken wurde das ganze einzigartig. Die Theke musste extra angefertigt worden sein, weil das Logo des Cafés, ein blaues Männchen mit einem Glas in der Hand, mehrmals darin eingearbeitet war. Kunstvoll eingearbeitet waren neben dem Logo auch noch Bilder von den Köstlichkeiten von hier. Die Tische, die die Küche mehr oder weniger einrahmten, waren in braun gehalten, eine kleine, hübsche, weißfarbene Tischdecke fand darauf ihren Platz, auf ihr stand auf jedem Tisch eine Blume. Auch etwas größere Pflanzen standen hier und da mal, am Eingang besonders viele. Ab und an trennten Raumteiler, die unten mit Holz gekleidet, oben mit Glas ausgestattet waren, den Raum. Im hinteren Bereich, links um die Theke herum, setzten wir uns an einen hohen Tisch, der um eine Säule herum führte, umsäumt mit braunen Hochstühlen mit kleiner Lehne. Die Brünette legte ihre Jacke ab, platzierte sie behutsam auf der Lehne und sah dann mich an. Ihr Lächeln war bezaubernd. »Etwas voll hier, aber das geht schon, oder?«, meinte Miracle zu mir, weshalb ich schmunzelte. Ich bejahte, es war gut hier, solang sie bei mir war. Mit einem kurzen Satz fragte ich sie nach ihrem Wunsch, um ihr vorne an der Theke etwas mitbringen zu können. Überrascht binzelte sie, als hätte Racle damit überhaupt nicht gerechnet, dann wurde sie leicht rot. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass sie noch nie einen richtigen Freund hatte, also nahm ich ihren Wunsch nach Vanilleeis einfach auf und verschwand nach vorne. Als ich wiederkam tippte sie konzentriert auf den Tisch, gedankenverloren starrte sie die Tischplatte an. Zuerst stellte ich das Essen vorsichtig auf den Tisch ab, dann legte ich eine Hand auf den knochigen Rücken. Mit einem Ruck sah sie mich dann an, das Nachdenkliche in ihren Augen verflog und sie lächelte wieder. Mit einem kurzen Kuss auf ihren Mund setzte ich mich neben sie und griff nach meinem Kuchen und Kaffee, sie nach ihrer heißen Schokolade -anscheinend gefiel ihr meine Entscheidung- und dem Eis.
»Danke Luke.« Mein verwirrter Blick landete auf ihrem schmalen Gesicht.
»Ich kann mich nicht mehr wirklich an alles vorhin erinnern, als ich im Zimmer aufgewacht bin. Nur, dass Renya mir so viele Fragen gestellt hat und du ihr gesagt hast, dass sie aufhören soll. Ich hasse diesen Trost, diese Vorwürfe, die sie sich macht. Ich bin vielleicht kein normaler Mensch, aber ich will wenigstens so behandelt werden.«
»Laber nicht so einen Müll. Du bist ein normaler Mensch. Renya macht sich Sorgen, weil sie das schon immer getan hat. Was denkst du, Mira, hat der Doktor deiner Schwester gesagt, als du zu ersten Mal einen Anfall hattest? Sie hatte Angst, wahrscheinlich mehr als du, denn an ihr hing es, ob du dich wohlfühlst oder nicht. Renya liebt dich, doch fühlt sie sich dir so verpflichtet, dass sie kaum geradeaus gehen kann, ohne an dich dabei zu denken und dich mitzuziehen. Es ist ihre Sorge, die dich denken lässt, dass du anders bist.« Sie seufzte tief, als ob sie schon die ganze Zeit über genau das wusste. Sie wollte es von anderen gehört haben. 
»Ich zerstöre andere Leben, das ist furchtbar.« Ihr Körper schwankte nach vorne und hinten auf dem Stuhl, doch ich hielt sie an den Schultern fest. Ich sagte, sie sollr aufhören darüber nachzudenken und anfangen zu essen, was sie dann auch still tat.

Psycho ~Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt