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»War es schön oder bist du schon nach den ersten Metern zusammengebrochen?«, kam es von Calum, der seine Sonnenbrille etwas hochschob, damit ich seine braunen Augen sehen konnte. Er zog seine Augenbrauen zusammen. »Warum genau sieht deine Frisur aus, wie sie aussieht? Warst du nicht joggen sondern-«, »-anderen Sport betreiben? Sowas wie Bettsport?«, gab Michael dazu und deutete verstört auf das zerzauste Haarnest meines Kopfes. Ich wuschelte sie einmal durch, in Gedanken an Miracle, die sie wahrscheinlich mit ihren Händen durcheinander gebracht hat, so wie sie auch meine Gedanken zerstreut hatte. Mit der Antwort, es war der Wind gewesen, würde ich eh nicht weit kommen, es wehte kaum noch, der Gegenwind war so schwach, der hätte nicht einmal eine Strähne nach hinten pusten können, also sagte ich ihnen die Wahrheit. Ashton tat auf unbekümmert, aber ich sah auf seinem steigenden Lächeln die Freude. »Okay, ihr habt gevögelt, alles klar. Ich will keine Details, bitte.« »Cal, das ist unser Freund und kein Sexgott. Er hat wahrscheinlich nur ein paar Küsse verteilt.«, schüttelte Mikey den Kopf, ich schmunzelte. Erstaunlich, wie viel interesse sie daran zeigten. Ich fragte Michael, warum er glaubte, ich hätte sie nur geküsst. Er schmunzelte. »Du bist so tollpatschig und schlecht im verheimichen, das letzte Mal hattest du dein T-Shirt falsch herum an. Irgendwas würde dich also in jedem Fall verraten.« Kopfschüttelnd öffnete ich die Tür zum Flur, es roch nach Essen, was im Normalfall eigentlich nicht passierte. Von draußen hörte man sie rufen, dass sie etwas für mich aufgehoben hätten. Ich sah drei Brötchen und eine Packung Nutella auf den Tisch, legte jedoch noch fünf weitere in den Ofen, als ich Miracle und ihre Schwester zusammen mit Red einlud, mit mir zu frühstücken. Meine Beine wurden mit jeder Stufe schwerer, bis ich in der Dusche stand und mir die lockigen Haare wusch, dem Schweiß und das Gefühl von Bedrückung wurde den Abfluss hinuntergespült. Mir viel erst dann auf, dass sie mir zwar keinen Korb gegeben hatte, doch ihre Ehrlichkeit oder Offenheit mir gegenüber noch immer nicht durchbrochen war, sodass Miracle mir immer noch nicht erklären wollte, was bei der Party passiert war. Es kränkte mich und vielleicht nahm ich es zu persönlich, als ich tief seufzte und mit einem Handtuch bekleidet zu meinem Zimmer stapfte, wo ich mich zu meiner Kommode wandte, um mir Wäsche herauszusuchen. Ich wuschelte meine Haare mit dem Handtuch leicht trocken, ließ sie dann einfach so, wie sie waren. Im Spiegel meines Zimmers, der dekorativ auf der anderen Seite der Türseite hing, sah ich das blinde Wirrwarr, die Strähnen sahen nur noch deutlicher aus, da sie nass waren. Der leichte Stoppelbart, der an meinem Kiefer entlangwuchs sollte bald wieder gestutzt werden. Meine Augen, die sich im Spiegel immer wieder hin und her bewegten, starrten jetzt in meine realen Augen. Das blau darin war heller als Racles Blau, fast schon bleich wirkten sie im Vergleich, was mich beschäftigte und meinen Blick abwenden ließ.

Stimmen ertönten von der unteren Etage, eine weibliche, danach eine weitere, Ashtons Lache hallte durch den Raum, was mir auch ein Lächeln auf die Lippen brachte. Hastig stürmte ich hinunter, begrüßte erneut unsere Besucher und geleitete Sie mit in die Küche, Ash folgte uns und setzte sich neben Renya, als Miracle sich dazu entschied, neben mir Platz zu nehmen. Violet, oder auch Red, nahm am Tischende Platz, griff ein Brötchen, die ich zuvor noch schnell in einem Korb auf den Tisch gelegt hatte, bevor sie uns einen guten Appetit wünschte. Ihre Hand griff in den Brotkorb, die zarten Finger umschlossen das Brot und taten es auf ihren Teller. Ich hätte stundenlang ihre Finger ansehen können, wie sie mit geschickten Bewegungen die täglichen Handarbeiten erledigte, doch ich zwang mich dazu, nicht allzu komisch Renya und Red zu wirken, also kopierte ich ihre Bewegungen, nahm Nutella und strich es auf mein Essen. Ashton war nur ein Gesprächspartner am Tisch, der ganz unauffällig immer wieder Renya anschmachtende Blicke zuwarf, andersherum genau so. Ich kannte meinen Kumpel genug, Miracle anscheinend ihre Schwester auch, dass wir uns gegenseitig angrinsten, mit seitlichem Blick auf die turtelnden Personen. Red saß relativ unbeteiligt an dem Tisch, ihr Blick huschte immer wieder über unsere Gesichter, jedoch mied sie ganz klar die Augen von Racle. Sie warf mir seitliche Blicke zu, prüfend wie die einer Mutter, doch auch etwas anderes sagte mir ihr Gesicht. Was genau es war, wusste ich nicht und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht. Die einzigen Inforationen, die ich haben wollte, gab es von der Braunhaarigen, welche neben mir gierig das Essen verschlang, als hätte sie seit Tagen nichts gegessen. Zugegeben, so sah sie auch aus. Mit jeder verstrichenden Sekunde wuchsen auch meine Sorgen um sie und ich schusterte mir die wildesten Fantasien zusammen, was an dem Abend passiert war.
Ich zog in Betracht, dass sie traumatisiert war, ausgelöst durch eine Erinnerung. Vielleicht ein Bedrängnis, oder Diebstahl, den Gedanken, sie wäre Vergewaltigt worden, versuchte ich zu verdrängen. Zudem wirkte sie so glücklich, auch wenn sie mir unfassbar positiv vorkam, dass es nicht mehr normal war. Natürlich liebte ich diese Ausstrahlung an ihr. Es gab aber noch andere Möglichkeiten, wie Claustrophobie. Die Welt ist so unfair, hatte sie vorhin gesagt. Es beunruhigte mich, da mein Verdacht auf etwas viel schwerwiegenderes fiel, als Caustrophobie. Die Angst, sie wäre wirklich traumatisiert worden, wirkte realistischer, aber damit kam die Frage, ob sie dann noch immer so fröhlich sein konnte, wenn tief in ihrem Inneren Chaos herrschte. Die Vorstellung, sie würde alles überspielen, machte mich krank.
»Luke, alles okay? Du siehst so unglaublich beschäftigt aus.«, lenkte Renya auf mich, Miracle sah mich durchdringlich an. Sie hatte es schon vorher bemerkt, doch nichts gesagt. Sie wusste, warum ich nachdachte. »Ach, ja, ich hab die ganze Zeit eine Melodie im Kopf, die ich auf dem Klavier ausprobieren wollte. Um sie nicht zu vergessen, baue ich sie in Gedanken schon aus.«, log ich, ich versuchte meine Stimme nicht zum überschlagen zu bringen. Musternd blinzelte Renya ein paar mal, dann lächelte sie den anderen zu. »Du kannst ruhig spielen gehen. Ashton und ich haben gerade überlegt, ob wir mit Red und Miracle in die Stadt gehen wollen.« 

Psycho ~Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt