Rainn taumelt nach draußen in die pralle Sonne, bleibt da einen Augenblick stehen, den Blick zu Boden gerichtet, die Stirn in Falten gezogen. Sie versucht irgendwie in Einklang zu bringen, was sie da soeben gesehen hat. Doch egal wie sie es dreht oder wendet; sie kommt immer wieder zu der einen, widerlichen Erkenntnis, die sie die Zähne knirschend aufeinanderbeißen lässt. Das Mädchen, das schwangere Mädchen mit dem verängstigenden Blick, ist seine Frau? Was ist das hier? Zurück ins barbarische Mittelalter, wo alte Männer junge Frauen als Sklaven halten und vergewaltigen? Ihr wird übel.
Mit schnellen Schritten entfernt sie sich schließlich von dem Haus, am Lagerfeuer entlang in Richtung der Krankenhütte, wo Milo noch immer auf sie wartet. Sie weiß noch immer nicht, was sie mit dieser neuen Erkenntnis anfangen soll, aber das Wichtige ist nach Caldwells Drohung erstmal zu ihrem Hund zu kommen. Doch so weit kommt sie gar nicht erst. Als sie den großen Wassertank passiert, greift eine Hand nach ihr und zieht sie energisch hinter den Tank, außer Sichtweite aller anderen.
„Was glaubst du, was du da machst, hm?" Conor funkelt sie finster an. Sie reißt ihren Arm aus seiner Hand und entlädt im nächsten Moment sämtliche Wut, indem sie ihn mit beiden Händen von sich stößt. Aus der Überraschung heraus prallt er mit dem Rücken gegen den Tank hinter sich.
„Abhauen, was glaubst du denn?" Sie will sich erneut abwenden, doch er lässt sich nicht so leicht abschütteln, bekommt sie erneut am Handgelenk zu packen und zieht sie wieder zurück in den Schatten. In einer Bewegung wirbelt er sie herum, presst sie mit seinem Unterarm an ihrem Hals an die Tankwand.
„Das ist 'ne mächtig beschissene Idee", knurrt er unter angehaltenem Atem. Rainn greift nach seinem Unterarm, will ihn von sich reißen, doch seine Muskeln unter dem Hemd fühlen sich an wie Stahl. Er wird sie so garantiert nicht gehen lassen.
„Ist mir scheißegal. Ich bleib hier keine Sekunde länger", keucht sie unter der Anstrengung, die es kostet sich sinnloser Weise von ihm freimachen zu wollen.
„Und wie willst du das anstellen? Glaubst du, die lassen dich hier einfach rausspazieren? Scheiße, du bist echt verflucht dämlich."
„Ist nicht dein Problem, oder?", keift sie zurück. Sein Blick schießt zwischen ihren Augen hin und her und die Irritation, die sie da findet, lässt auch sie einen Moment stocken. Der Griff um ihren Hals lockert sich wieder und doch bleibt Rainn an Ort und Stelle, versucht in seinem verstörten Gesichtsausdruck irgendeine Antwort zu finden.
„Was hat er getan?", will er mit ruhigerer Stimme wissen.
„Ich hab das Mädchen gesehen", antwortet sie ehrlich.
Conor zieht verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Mädchen?"
„Sie ist hochschwanger."
„Ruby?"
„Ich habe keine Ahnung wie sie heißt", giftet sie wütend zurück. „Er hat sie geschwängert, vergewaltigt. Ist es nicht so?"
„Ruby ist kein Mädchen. Sie ist sechzehn."
Rainn wirft entrüstet beide Arme in die Luft. „Na dann, ist ja alles in Ordnung. Gott, das ist so krank. Was stimmt nur nicht bei euch? Dieser Affe schwängert ein Mädchen und deine Schwester treibt es hier mit jedem wie eine billige Hure. Ihr seid echt abartig." Wo Conor sich soeben noch etwas beruhigen konnte, scheinen ihn Rainns Worte wieder auf hundertachzig zu bringen. Sie sieht, wie er mit den Zähnen zu malmen beginnt, bevor er sie an ihrer Schulter packt und sie wieder grob zurück an die Tankwand stößt.
„Du weißt einen Scheißdreck über uns hier, über das was wir durchmachen. Dein Leben war bis jetzt 'ne große Party? Schön für dich. Aber wir kämpfen hier ums Überleben und jemand wie du hat keinen Schimmer was das alles bedeutet."
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THE OTHER SIDE
RomanceArizona im Jahr 2070: Ein Leben außerhalb der Biosphäre 5 ist nach den verheerenden Atomkriegen nicht möglich. Das erzählte man der Jägerin Rainn schon seit ihrem ersten Tag in der Kuppel. Für sie gibt es kein anderes Leben als das durch den künstli...