THE OTHER SIDE

Kapitel 24

„Wer?", wiederholt Rainn ihre Frage, während ihr Blick unnachgiebig auf Conor liegt, der sich nur langsam von dem Schrecken erholt urplötzlich vor Rainn zu stehen. Selena wendet sich abrupt um. Sie stinkt bis zu Rainn herüber nach saurem Pferdeschweiß. Ihr Gesicht ist voller Staub, die dunklen Dreadlocks ebenfalls. Sie ist offenbar schnell geritten, ohne Pause. Weil sie in Eile gewesen ist. Irgendetwas ist passiert. Irgendetwas, was sie offensichtlich auch erwartet haben, was zu einem gewissen Zeitpunkt passieren wird. Was sie beschlossen haben vor Rainn geheim zu halten, nach allem was sie für die Gemeinschaft getan hat.

Conor sieht zweifelnd zu Selena hinüber, die seinen Blick spürt und ihn erwidert, dann nickt sie kurz, als braucht er ihr Einverständnis, um weiterzureden.

„Die anderen. Bors, Raze und etwa vierzig weitere. Sie können nur einen überschaubaren Weg die Schlucht entlang einschlagen. Wir patrouillieren an dieser Stelle seit Wochen. Sie haben diese Schlucht nun passiert", erklärt Conor.

Rainns Blick liegt weiterhin ungebrochen auf ihm. In ihrem Magen brodelt es, als weiß sie insgeheim, dass es sich hierbei um keine Kleinigkeit dreht. Und dass es hierbei um etwas geht, was sie direkt betraf. „Wohin gehen sie?"

„Zur Biosphäre."

Rainn lässt die Worte sacken, die sie im Grunde tief drin auch erwartete. Sie wäre dämlich gewesen nicht zu ahnen, dass die Mistkerle nach den Erkenntnissen, die sie von Ruby erlangt haben, nicht nachsehen würden, was es da unten für sie gibt. Das hat Rainn bislang keine Sorgen gemacht. Wie eine Welle an einem Felsen werden sie an der Biosphäre zerschellen, es schließlich aufgeben und wieder nach Hause aufbrechen. Warum nur fühlt sie kalten Schweiß an ihrem Rücken? Ein nervöses Flattern in ihrem Magen? Liegt es an Conors schuldbewusstem Blick, an Selenas ernster Miene, die doch irgendwie verständnisvoll erscheint. Rainn verzieht abfällig das Gesicht.

„Sollen sie nur. Sie können der Biosphäre ein Scheißdreck. Wollen sie mit ihren Speeren werfen? Mit den Messern gegen meterdickes Glas schlagen? Das ist lächerlich."

Conor und Selena schweigen einen Moment und es ist schließlich Selena, die ungeduldig das Wort ergriff und dabei beide Hände in die Luft wirft. „Herrgott, ihr seid nicht unbesiegbar, Rainn! Raffst du das denn nicht? Das Gerücht, dass es einen elitären Haufen wie euch, irgendwo in der Wüste gibt, kennt jeder. Als wir dich aufgegabelt haben, waren wir nicht zum ersten Mal da. Aber erst seit du bei uns bist, wissen wir, dass ihr da drin wirklich dämlich seid und keine Ahnung habt, was die ganze Biosphäre wirklich ist."

„Klärst du mich auf oder habt ihr vor mich weiterhin zu verarschen?" Rainns Blick huscht nur kurz zu Conor. Die Anschuldigung gilt hauptsächlich ihm und sie will, dass er es begreift. Es schmerzt unheimlich, dass sie ihn so nah an sich herangelassen hat und er ihr nicht die gleiche Offenheit entgegen brachte. Er erkennt ihre Wut und sieht mit zusammengebissenen Zähnen gen Boden.

„Das ganze Konstrukt ist 'ne beschissene Lüge! Eine ganz große Verarschung, um euch da gefangen zu halten, damit ihr nicht flieht, damit sie euch weiterhin unterjochen und verarschen können", ruft Selena außer sich.

Rainn lacht verächtlich auf. „Natürlich. Weil ihr's ja so gut beurteilen könnt."

„Und du kennst dich besser aus? Dann sag' mir doch mal wofür die kleinere, angeschlossene Blase gedacht ist, hm?"

„Ich muss dir einen Scheißdreck erklären, aber damit du's kapierst; das ist unsere Lunge, sie gleicht die Temperaturschwankungen aus, damit die Glaskuppel nicht explodiert oder implodiert. Sie dehnt sich aus oder zieht sich zusammen, je nach Außentemperatur. Nicht, dass du davon eine Ahnung hast."

„Das ist eine verfickte Sauerstoffkammer! Damit holen sie ungesehen von euch Luft von draußen und pumpen es ungefiltert rein. Weil euer kleiner, beschissener Kreislauf nicht funktioniert. Weil ihr da drin ersticken würdet, wenn sie nicht schon von Anfang an Sauerstoff reinpumpen würden. Eure ganze Biosphäre ist ein Witz! Ihr lebt da in einer Illusion!"