„Gott … was ... was tut ihr hier?“ Der Blick der hübschen Brünetten liegt weiterhin nur auf Conor. Rainn wagt es gar nicht erst zu ihm zu sehen. Sie hat plötzlich unmenschliche Angst davor, was sie in seinem Gesicht sehen wird, wenn sie es tut. Es ist irrational und dämlich, gerade wenn man bedenkt in welcher Situation sie gerade stecken. Aber leider ist es auch nichts, was Rainn ändern kann. Die Eifersucht frisst sich durch ihr Inneres wie brennende Kohle durch dünnes Papier.
„Was glaubst du, was wir hier machen, Vivi!“, keift Selena vor ihr und tritt einen bestimmten Schritt auf sie zu, drängt sie damit aus dem Licht, welches die Fackeln überall verursachen, hinein in den Schatten des Gebäudes. Vivis Blick reißt von Conor ab und wandert zögerlich, als möchte sie es eigentlich nicht, zu Selena. „Im Gegensatz zu dir bedeuten uns unsere Leute nämlich was.“
Sofort klebt ihr Blick wieder an Conor. „Du weißt, dass das so nicht war.“
Er schweigt noch immer und Rainns Herz schlägt zum Zerbersten schnell. Die ganze Zeit über hat sie erfahren wollen, was die Ursache für Conors Mauer ist, die ihn so kalt und abweisend umgibt. Doch hier befindet sie nun und will es schlagartig nicht mehr wissen. Es ist etwas ganz anderes es so deutlich vor Augen zu haben. Vor allem, wenn das, was sie vor Augen hat, dann auch noch so verdammt hübsch ist. Lange braune Haare, die ihr fast bis zur Hüfte reichen. Feine, anmutige Gesichtszüge und eine großgewachsene, schlanke Figur. Es gibt augenscheinlich nichts, worauf sich Rainn stürzen kann, was diese Frau nicht auf den ersten Blick perfekt macht. Bis auf die offensichtliche Tatsache, dass sie wohl Conors Herz gebrochen hat und er ihr noch immer eine Menge bedeutet.
„Wo ist sie?“, zischt Selena und presst Vivi nun mit der Hand an ihrer Schulter gegen die raue Betonmauer hinter sich. Rainn spürt, wie Conor hinter ihr einen Schritt näher kommt. Nicht näher zu ihr, sondern näher, um seiner Verflossenen notfalls zur Hilfe zu eilen, wenn Selena sich nicht in den Griff bekommt.
Vivi sieht flehend zu Selena, die beinahe ebenso groß ist wie sie. Rainn kommt sich unter ihnen vor wie ein Zwerg. Nur noch ein weiterer Grund, um sich schäbig und mies zu fühlen.
„Sie … sie halten sie unten in den Katakomben und haben sie erst vor ein paar Stunden auf die Krankenstation gebracht.“
„Und die Katakomben sind noch immer am gleichen Ort?“
Vivi nickt eifrig. „Aber alle essen gerade zu Abend. Ihr kommt da nie ungesehen hin. Ich bin nur rausgekommen, weil ich gehört habe wie die Hunde bellen.“ Ihr Blick fällt nun zum ersten Mal auf Rainn und sie bemerkt in ihren Augen eine kurze Verwirrung über ihre Person aufleuchten. Ein wunderschönes, smaragdgrünes Aufleuchten, natürlich. Rainn verzieht ihre Miene zu einer finsteren Grimasse. Miststück.
Vivi sieht daraufhin eilig wieder von Rainn weg zu Selena.
„Hast du sie gesehen?“, fordert Selena und drückt Vivi noch fester gegen die Wand. Diese presst ihre Lippen zu einem schmalen Streifen zusammen, schließt kurz die Augen und wippt dann mit dem Kopf auf und ab. „Dann weißt du’s, verflucht! Sie hat einen kleinen Sohn, der gerade mal ein paar Tage alt ist, der sie braucht, weil er ansonsten verreckt. Du kannst das allen Ernstes nicht durchgehen lassen.“
„Sie wussten sicherlich nichts von dem Kind“, spricht sie entschuldigend. Selena lacht daraufhin höhnisch auf.
„Du bist kein bisschen schlauer geworden in all der Zeit. Wie kannst du davor immer noch die Augen verschließen! Das sind Monster!“, zischt Selena und stößt sie erneut so fest zurück, dass Vivis Hinterkopf gegen den Beton schlägt und ihr ein schmerzvolles Stöhnen entringt.
„Selena!“, knurrt Conor hinter Rainn und seine tiefe Stimme zu hören, die ihr Einhalt gebietet, ist so verflucht schmerzhaft. Weil er offenbar nicht will, dass sie Vivi Schmerzen zufügt. Weil er bis zu diesem Moment gewartet hat, um sich einzumischen. Vivis Blick fährt erneut zu Conor, ihre Augenbrauen sind verzweifelt zusammengezogen. Gott, Rainn will am liebsten direkt auf den Boden kotzen, so schlecht wird ihr. Nie zuvor hat sie sich Selena emotional so nah gefühlt und sich gewünscht, dass sie nicht auf Conors warnende Stimme hört und den Kopf dieser Frau weiterhin an die Wand schlägt. Und für diese Gedanken schämt sie sich gleichzeitig in Grund und Boden. Was für ein Mensch bist du überhaupt? Sie erkennt sich kaum mehr wieder.
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THE OTHER SIDE
RomanceArizona im Jahr 2070: Ein Leben außerhalb der Biosphäre 5 ist nach den verheerenden Atomkriegen nicht möglich. Das erzählte man der Jägerin Rainn schon seit ihrem ersten Tag in der Kuppel. Für sie gibt es kein anderes Leben als das durch den künstli...