Das Treffen [IV]

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"Wegen Lars?" Roman war so verwirrt, dass er sie losließ und sie fragend ansah. "Ja, Lars ist manchmal etwas komisch, aber deswegen musst du doch nicht weinen."
Katharina schüttelte den Kopf. Sie zweifelte zwar innerlich, Roman ihre Geschichte zu erzählen, aber sonst würde vielleicht mit Lars darüber reden und wer weiß, was er so erzählte.
Während Katharina versuchte sich zu beruhigen und sich die letzten Tränen aus dem Gesicht zu wichen, führte Roman sie zu einer nahestehenden Bank und die beiden setzten sich.
"Also..." Katharina atmete nocheinmal tief durch. Und begann die Geschichte zu erzählen.

"Vor ungefähr fünf Jahren, als ich gerade mein Abitur machte, war ich in einer Beziehung. Zu Anfang war ich echt sehr glücklich mit ihm und wir haben sehr viel zusammen unternommen. Aber je länger wir zusammen waren, desto unzufridener wurde ich mit der Beziehung und auch mit mir. Er war zudem sehr besitzergreifend und ich fühlte mich ziemlich erdrückt von ihm. Als dann eines Tagen eine neue Familie in unsere Nachbarschaft zog, lernte ich ihren Sohn kennen, der etwa ein Jahr älter war als ich. Wir haben uns am Anfang meistens zufällig getroffen, meistens habe ich mich aber mit Absicht dort aufgehalten, wo ich ihn hätte treffen können. Nach einigen zufälligen Begenungen lud er mich mal zum Essen ein und wir fuhren mit seinem Auto zum See. Ich leugnete es vor meinem Freund und auch vor meinen Freundinnen immer, er sei nur ein guter Freund, mit dem ich meine Freizeit verbrachte. Doch bei ihm fühlte ich mich frei, er erdrückte mich nicht und so verbrachten wir viele schöne Stunden zusammen. Doch bald bekam ich Schuldgefühle, die ich irgendwann nicht mehr leugnen konnte. Nach einem tiefgehenden Gespräch mit Lars, dem Jungen aus meiner Nachbarschaft, entschied ich mich, die Beziehung zu meinem damaligen Freund zu beenden. Ich dachte, jetzt würde es besser werden, doch das wurde es nicht, im Gegenteil; Lars, der ja nun mein fester Freund war, änderte sich drastig. Wir unternahmen kaum noch etwas zusammen, er sagte immer er müsse arbeiten oder lernen. Ich half ihm sogar täglich bei seinen Arbeiten, also eigentlich machte ich sie. Ich erinnere mich noch, wie ich nächtelang wachblieb und seine Aufgaben erledigte und sie ihm am nächten Tag zu übergeben. Ich bekam nichts dafür, kein Danke, kein Kuss, nichts. Leider litten meine Noten zudem unter der Beziehung, was  ich erst wahrnahm, als meine Lehrerin bei meinen Eltern auftauchte und ihnen von meinem Leistungsabfall erzählte. Erst da realisierte ich, wie schlcht es mir eigentich ging. Später erfuhr ich zu allem Übel auch noch, dass er gar nicht lernen musste, er traf sich mit anderen Mädchen, so wie er es mit mir getan hatte. Mir wurde also klar, dass mich mein Freund nur ausnutzte und mich mehrmals mit mehreren Frauen betrog. Es brach mir das Herz, als ich es herausgefunden habe, das Schlussmachen fiel mir so unglaublich schwer und es dauerte auch wieder einige Wochen, bis ich den Mut dazu gefunden hatte. Ich habe wegen Lars so lange gelitten, auch noch nach der Trennung. Er hat mir das Herz gebrochen, mehrmals. Offensichtlich hat dir Lars wohl nichts von seiner Vergangenheit erzählt. Es tut mir leid, was ich dir jetzt so über deinen besten Freund erzählt habe. Dennoch kann ich ihm nicht mehr in die Augen sehen. Ich war so froh, dass ich meine Noten retten und studieren gehen konnte, um einfach woanders neuzustarten."

Roman sah sie nur geschockt an, wahrscheinlich musste er das Gehörte erstmal verdauen, doch auch noch nach seiner minutenlangen Stille, brachte er nichts weiter als ein "Okay, das ist heftig." heraus. Katharina sah beschämt zu Boden. Am liebsten würde sie das Gesagte infach zurücknehmen, denn ihr wurde klar, dass sie Lars damit vor Roman schlecht geredet hatte. Bevor Roman sie weiter ausfragen konnte, versuchte sie, das Thema zu wechseln.
"Willst du wieder in den Club?" fragte sie zaghaft. Die Frage war nur dazu da, um die Angelegenheit nicht weiter auszubreiten, denn zurück in den Club wollte sie auch nicht mehr. Dort war zu laut, zu voll und überall Menschen, die betrunken waren oder knutschend in der Gegend herum standen. Vielleicht konnte sie ja Roman dazu überzeugen, mit zu ihr zu gehen. Dort waren sie ungestört und es gab einen Kamin und eine saubere Toilette. Außerdem musste man nichts bezahlen.
"Ich weiß nicht." Roman zögerte, bevor er antwortete. Er war ratlos und wusste selbst nicht, was er jetzt wollte. Sein Kopf riet ihm, zurück zum Club zu gehen und mit Lars zu reden. Denn das, was Katharina da gesagt hatte, traute er seinem allerbesten Kumpel nicht einmal im Traum zu. Aber sein Herz bettelte darum, weiter bei Katharina zu bleiben und sie näher kennenzulernen. Sie war besonders und die Chemie zwischen den Beiden stimmte.
'Auch wenn wir sie erst seit wenigen Stunden kennen, würde ich mit ihr gehen und sie besser kennenlernen. Außerdem braucht sie jetzt jemanden, der für die da ist und sie in den Arm nimmt. Bevor es ein weiteres Arschloch macht und ihr wieder das Herz bricht,  kannst du sie in den Arm nehmen und sie vor diesen Leuten beschützen. Sie braucht dich!' erklärte Romans Herz in seinem Inneren. 
'Nun, ich weiß ja nicht.' erwiderte Romans Gehirn, welches absolut keine Lust auf Geschmuse und Umarmungen hatte. 'Sie ist mir suspekt, außerdem solltest du an das letzte Mal denken. Du weißt genau,  was passiert ist, als du einer Frau so viel vertraut hast. Frauen sind gefährlich, Roman, also lass endlich die Finger von ihnen!'
Doch Roman dachte nicht im Geringsten daran, auf sein Gehirn zu hören. Er vertraute Katharina und selbst wenn es wieder schief gehen würde, würde es ihm nicht schlechter als vorher gehen.
"Also ich wäre dafür, dass..." er zögerte wieder. Jetzt konnte er noch einen Rückzieher machen. "dass du entscheiden sollst. Schließlich bin ich wegen dir hier draußen in der Kälte und frier mir alles ab."
"Ich will keine Sekunde länger in der Nähe dieses Clubs bleiben. Können wir bitte gehen. Bei mir könnten wir uns aufwärmen und ungestört reden." Roman nickte, schrieb eine SMS an Florian,  dass er wahrscheinlich nicht wieder in den Club gehen würde und lief mit Katharina die Straßen entlang. Die Nächte in Stuttgart waren, besonders im Herbst, kalt und die Stadt wirkte an einigen Ecken trüb und leblos. Ihm lief ein Schauer über den Rücken als er einige der toten und runtergekommenen Backsteinbaracken sah. Er selbst lief nur selten durch die Straßen seiner Heimatstadt und in dieser Ecke war er noch nie gewesen.

"Oh du zitierst ja." Er zögerte nicht lange und hängte der frierenden Katharina seine Jacke um.
"Wow danke." Katharina lächelte und fügte leise hinzu, sodass Roman sie nicht hören sollte: "Sowas hat noch nie ein Junge für mich gemacht."
Doch Roman verstand jedes Wort. Lächelnd liefen die beiden durch die Straßen von Stuttgart, bis sie vor dem Studentenwohnheim Nr 12 anhielten.

Love & Tears - Arazhul Fanfiction  [Lovely_kathii]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt