"Steh auf! Katharina, steh auf! Du musst los, deine Prüfung beginnt in einer Stunde." Erschrocken fuhr ich nach oben. Chantal rüttelte grob an meinem Arm und sah mich entsetzt an. "Hör auf, in der Gegend rumzugucken! Du musst dich anziehen und zur Uni fahren." Ich setzte mich auf und schlüpfte in meinen Morgenmantel, um dann ins Badezimmer zu rennen. Innerhalb von 15 Minuten hatte ich mich geduscht, meine Haare zu einem Dutt gebunden, ein dezentes Make- up aufgelegt und mich soweit fertig gemacht, dass ich mich nur noch anziehen musste. Als ich hektisch aus dem Bad gestürzt kam, hielt mir Chantal bereits einen Teller mit Toasts hin. "Hier, iss erstmal, bevor du dich anziehst. Einen Tee habe ich dir auch gemacht. " Sie deutete auf die Tasse, die bereits auf dem Tisch stand. Ich bedankte mich und setzte mich zu ihr an den Küchentisch, um in Ruhe meine Toasts zu essen. "Wie aufgeregt bist du?" Chantal beobachtete mich dabei, wie ich in Akkordarbeit die drei Toasts mit Marmelade in mich hinein schlung und den Tee fast in einem Zug leerte. Obwohl es wohl eher eine rhetorische Frage war, antwortete ich trotzdem: "Es geht sogar. Ich dachte, es wäre schlimmer." ,brachte ich mit vollem Mund hervor. Mit einem Blick auf die Uhr, überlegte ich: "Ich hab jetzt noch 40 Minuten, um mich anzuziehen und zur Uni zu fahren. Hoffentlich ist der Verkehr gut." Ich stand auf und lief in mein Zimmer, Chantal folgte mir. In Eile zog ich meine Garderobe; eine weiße Bluse, einen einfarbigen dunklen Rock und einen weinroten Blazer, aus dem Schrank und zog sie hastig an. Beinah zerriss mir die Strumpfhose bei dem Versuch, sie mir schnell und grob über das Bein zu ziehen. Chantal lehnte im Türrahmen und beobachtete mich sichtlich amüsiert. "Willst du wirklich selbst fahren? So hektisch, wie du gerade bist und mit deiner Prüfungsangst, würde ich dich ungern alleine losschicken." "Hast du eine bessere Idee? Ich möchte auch ungern mit der Straßenbahn fahren, wenn die Verspätung hat, kann ich meinen Abschluss gleich vergessen." Ich holte meine schwarzen Ballerinas aus dem Schuhkarton und zog sie an. Chantal lächelte mich an und sagte: "Daran hab ich auch schon gedacht. Keine Sorge, ich hatte heute morgen genug Zeit, alles zu planen, damit du dich so lange wie möglich ausruhen kannst." Dabei klimmperte sie mit meinem Autoschlüssel. "Ich werde dich fahren und ich werde auch auf dich warten, bis du deine Verteidigung beendet hast." Ich überlegte. Sie hatte ja recht und im Moment waren sowohl die Möglichkeiten, zur Universität zu fahren, als auch die Zeit zum Überlegen einer Alternative knapp begrenzt. Ich willigte ein, schnappte mir noch meine Aufzeichnungen und rannte mit Chantal die Treppen des Wohnhauses hinunter. Wenige Minuten später hasteten wir durch das Universitätsgebäude, um den Raum meiner Präsentation zu erreichen. Dort angekommen, sah ich, dass bereits mein Tutor und die restlichen Prüfer im Gang vor der Tür standen und ungeduldig warteten. "Guten Tag. Entschuldigen Sie bitte vielmals, dass ich sie habe, warten lassen. Allerdings ließ der Verkehr kein schnelleres Ankommen zu." Ich blickte entschuldigend in die Runde und zu meiner Überraschung, nickten die Prüfer verständnisvoll und geleiteten mich hinein. Ich warf noch eine letzten Blick auf Chantal, die mir zulächelte und mir die Daumen drückte.
"... Sollten jetzt noch keine weiteren Fragen folgen, würde ich mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Ich würde dann die Verteidigung damit abschließen." Lächelnd empfing ich den Applaus der Prüfer und meines Tutoren. Ich hatte es also geschafft, jetzt wirklich geschafft. Die Prüfer verkündeten mir das Ergebnis, ich hatte bestanden, und das hervorragend. Ich stürzte aus dem Zimmer und fiel Chantal um den Hals. Die Freude über meinen Abschluss konnte so schnell nichts mehr trüben.
Auf dem Heimweg fuhren wir noch schnell bei einer Pizzaria vorei und holten wir für die WG etwas zu Essen. Gemeinsam saßen wir nun alle versammelt um den großen Tisch in der Küche und aßen von der Pizza. "Ihr hättet sie sehen sollen." Chantal scherzte über mich, "Wie sie den Prüfern die Zusammhänge erklärt hat und die Fragen beantwortet hat. Besser konnte man das gar nicht machen. Ich bin so stolz auf unsere Kleine." Chantal hob das Sektglas. "Auf deinen Abschluss." Sie prostete mir zu. "Und auf deinen neuen Lebensabschnitt." Ich stieß mit ihr an und freute mich, denn endlich war die Last von meinen Schultern abgefallen. Lachend nahm ich noch ein Stück Pizza und lehnte mich zurück; das hatte ich mir wirklich verdient. Ich liebte dieses Gefühl, wenn man für harte Arbeit und seinen Fleiß belohnt wurde, es fühlte sich so unglaublich gut an. "Wie sind jetzt eigentlich deine Pläne; wenn du schon welche hast?" fragte mich Jasmina. Ich lehnte mich wieder nach vorn und überlegte. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir noch keinen genauen Plan gemacht. Die neue Menge an Freizeit musste ich jetzt defintiv auskosten. "So genau hab ich darüber noch nicht nachgedacht. Ich wollte morgen und übermorgen nochmal hier bleiben und mit euch die Zeit verbringen verbringen. Dienstag werd ich aber zu meinen Eltern fliegen und dort auch erstmal ein paar Tage bleiben. Mit ihnen werde ich den weiteren Umzug planen. Es klingt zwar so, als ob ich sofort hier weg will und keine Sekunde länger warten will, aber das Semester ist bald vorbei. Und immerhin werde ich ab Dezember arbeiten gehen, also kann ich nicht ewig hier bleiben. Definitiv werden wir uns während des Umzugs und Mitte November wiedersehen und ich lad euch auch zu meiner Abschlussfeier ein. Wenn es mögich ist, werde ich euch auch bis Dezember öfters mal besuchen kommen." Ich blickte zuversichtlich in die gespannten Gesichter der Anderen. Sina nickte mir zu und sagte. " Das klingt nach einem sehr logischen Plan. Ich werd dich zwar unheimlich vermissen und möchte eigentlich nicht, dass du gehst, aber ich werd dich trotzdem dabei unterstützen." Lächelnd nickte ich ihr zu. Sie würden mir definitiv alle fehlen.
Später am Abend saß ich allein in der Küche; Sina war bereits in ihrem Zimmer und Jasmina telefonierte lautstark mit ihren Eltern. Ich selbst dachte nach, über den gestrigen Abend, über Roman und über meine Zukunft. Es stimmte mich schon traurig, dass ich Roman vermutlich nie wieder sehen würde. Mit ihm hatte ich mich sehr wohl gefühlt und den Abend wirklich genossen. Wie schade, dass diese Zeit nicht hätte länger andauern können. Ich schreckte auf, als sich Chantal neben mich setzte. "Du bist noch wach?" Ich nickte und schaute vorsichtshalber auf die Uhr, es war kurz nach um drei. Wie lange hatte ich denn einfach nur da gesessen und nachgedacht, ohne es zu merken? Die Zeit verging echt schnell, viel zu schnell. "Ist alles gut?" Sie sah mich besorgt an. "Ja... ja alles gut." log ich. Natürlich war nicht alles gut. Ich hatte zwar einen sehr guten Abschluss, aber was würde der mir bringen, wenn ich den Mann, in den ich mich offensichtlich verliebt hatte, nie wieder sehen würde. Ich brach bei dem Gedanken sofort in Tränen aus. Chantal legte mir unverzüglich den Arm um die Schulter und drückte mich an sich. "Was ist denn los? Was ist denn passiert?" Schniefend und immernoch mit Tränen im Gesicht begann ich den gestrigen Abend zu schildern: "Ich war doch gestern im Club und ich habe dort jemanden kennengelernt. Er heißt Roman. Er ist charmant, witzig und fürsorglich. Sein Lächeln bringt mich zum Strahlen und ich fühl mich bei ihm sehr wohl. Wir haben den ganzen Abend zusammen verbracht, doch dann hat Lars wieder alles ruiniert und dann..." "Moment mal," Chantal unterbrach mein hastiges Gestammel, "Lars? Wirklich dieser Lars? Das ist doch unmöglich, dass du gerade ihn triffst. Wie sollte er auch wissen, wo du bist?" Sie sah mich fragend an. "Doch, das war er. Er ist ein guter Freund von Roman. Lars hat ihn angerufen, als wir gerade vor dem Wohnheim standen, eigentlich wollte ich mit Roman noch ungestört reden oder die Nummern austauschen, aber Lars hat ihn zum Losmachen ermutigt." Ich begann wieder zu schluchzen. "Oh wie mies." Sie drückte mich an sich. "Nicht nur das. Jessie war ebenfalls in dem Club. Ich habe mich doch getäuscht; sie hat sich nicht zum Besseren geändert, sondern ist immer noch so hinterhältig. Sie hat versucht, sich an Roman ranzumachen und ihn so von mir wegzuziehen, und das mehrfach." Ich blickte zu Chantal auf und begann, zu überlegen. "Ich glaube, jetzt weiß ich, warum sie mich in der Oberschule nie leiden konnte. Ich stand immer auf die selben Jungs wie sie." Chantal zog fragend eine Augenbraue nach oben. Offensichtlich klang meine Theorie absolut schwachsinnig und unglaubwürdig. Ich versuchte mich, wieder zu beruhigen und fuhr fort, "Ernsthaft, ich stand auf Bastian, unseren Asiaten, und kurz nach dem sie es erfahren hatte, begann sie, die gefälschten Bilder und Chatverläufe, die mich als Rassisten outen sollten, zu veröffentlichen. Als ich mich danach mit Collin gut verstand, begann sie, mich anonym im Internet zu beleidigen, mir Drohungen zu schicken und mich niederzumachen. Als ich mit Rick zusammen war, tat sie nichts, außer mir vielleicht mal einen bösen Blick oder einen fiesen Kommentar zuzuwerfen. Warum kam da nichts Schlimmeres? Ganz einfach, weil sie nicht auf ihn stand. Erst, als ich begann, mich für Lars zu interessieren, kam von ihr wieder eine hinterhältige Aktion. Sie hat immer dafür gesorgt, dass Lars nur mit Mädchen in Gruppenarbeiten arbeiten sollte oder sich sonst nur mit jungen hübschen Frauen umgibt. Außerdem streute sie permanent Gerüchte über mich und so begann sie, Lars und mich zu entzweien. Allerdings waren wir bis kurz vor den Abiturprüfungen ein Paar, sodass sie keine Zeit hatte, sich bei ihm attraktiv zu machen und mit ihm zusammen zu kommen. Deswegen wollte sie auch gestern das Beisammensein mit Roman stören und uns auseinander bringen. Du meine Güte, sie ist echt perfide."
Chantal sah mich mit offenem Mund an. Ihr fehlten offensichtlich die Worte, mir würden wahrscheinlich ebenfalls die Worte fehlen, wenn mir jemand solche Anschuldigungen unterbreiten würde. Ich sah sie hoffnungsvoll an: "Das ergibt doch alles Sinn. Endlich versteh ich, was ich für sie war. Ich war nicht ihr Opfer, weil ich schlauer war oder bessere Noten hatte, nein, ich war ihre Rivalin. Deshalb all diese Schikanen und Drohungen. Was sagst du denn dazu?" "Du hörst dich an, wie eine Geisteskranke, die an den Haaren herbeigezoge Theorien, über eine andere Geisteskranke äußert. So verrückt es jetzt klingen mag, und ich glaube selbst nicht, dass ich das jetzt sage, aber ich glaube dir. An deiner Theorie könnte etwas Wahres dran sein." Ich grinste sie zufrieden an. "Schön, dass du mir glaubst, aber bitte, nenn mich nie wieder Geisteskranke."
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Love & Tears - Arazhul Fanfiction [Lovely_kathii]
FanfictionDas Studium ist fast vorbei und Katharina muss bald wieder zurück nach Hause. Sie freut sich schon sehr sehr; endlich hat sie es geschafft. Doch als sie plötzlich Roman, einem Youtuber mit gebrochenem Herzen, über den Weg läuft, scheint ihre Pechstr...