V. Artefakte

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Defsoul ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten und betrat vielleicht eine viertel Stunde später hoheitlich die Kajüte, im Gefolge seinen bunten Prinzen.

Und ich war mir ziemlich sicher, dass er ein entführter Prinz war.

Ich hatte mich gegen das Kopfstück des Bettes zurück gelehnt und mich in das Buch über Katzen in der Wüste vertieft, das ich gefunden hatte, weswegen ich beinahe den Moment verpasste, als der Mann schlussendlich herein kam.

Aber der Laut seiner Stiefel auf dem knarzenden Holz war dann doch laut genug, um mich aufzuwecken und artig legte ich das Buch weg, um ihm erwartungsvoll entgegen zu sehen.

Ich war wirklich gespannt auf eine Erklärung.

Die beiden machten es sich bequem, Bambam an die Wand und der Kapitän gegen seinen Schreibtisch gelehnt, beide mit verschränkten Armen und ernsten Gesichtern wie als hätten sie keine schleimgrünen Segel vor der Tür.

"Na dann. Warum bin ich hier?", fragte ich endlich, hatte immerhin Pflanzen, um die ich mich kümmern musste und konnte mir ihre eigenartige Gruppe hier nicht für immer gönnen.

"Also-", begann Bambam seriös, nur um sofort von einem schmollenden Defsoul unterbrochen zu werden.

"Du hast es mir nicht geglaubt, dass ich Pirat bin, also habe ich dich entführt, um es dir heim zu zahlen!", rief er gekränkt aus, bevor er in ein hämisches Kichern verfiel.

Reserviert wandte ich den Blick zu Bambam, der bloß die Hand vor die Stirn schlug.

"Naja, das stimmt, aber nebenbei sollst du uns auch helfen einen Schatz zu suchen.", half der Junge immerhin schon ein bisschen weiter und ich starrte nachdenklich in seine hellen Augen, versuchte dahinter zu kommen, warum sie dabei ausgerechnet mich benötigten, der ohnehin nur sein lokales Moor kannte.

Na schön und den Friedhof.

Aber ich wusste nichts über wunderschöne Wilde oder edle Prinzen. Geschweige denn von Schätzen.

Bambam schlug seine Knöchel übereinander.

"Hast du jemals vom 'Auge des Sturms' gehört?", flüsterte er mir dann verschwörerisch zu und ratlos ließ ich meine Hände in meinen Schoß fallen.

"Wie in der Mittelpunkt eines Wirbelsturms, in dem absolute Stille herrscht? Klar." Von den Wirbelstürmen höchstpersönlich sogar.

"Es handelt sich bei unserem Ziel um einen gleichnamigen Ort, dem diese Kriterien mehr als gerecht werden. Es ist ein gewisser Punkt auf offener See, umgeben von einem mächtigen Sturm, der zahllose Schiffe in die Tiefe gerissen haben soll. Und unter diesem Punkt, ist eine Höhle. Und diese führt weit ins Erdinnere hinein, wo ein grandioser Schatz auf uns wartet. Der Schatz der Meerjungfrauen.", erzählte er malerisch und jagte mir dabei einen eiskalten Schauder nach dem anderen über den Rücken.

Wie konnte ich diesen Ort vergessen?

Etwas musste in meinem Blick aufgeflackert sein, denn Defsoul trat nun entschieden zu mir hinüber, um sich breitbeinig an dem Rand des Bettes zu platzieren.

"Vor einigen Jahren gab es einen männlichen Piraten, einen Hexer, der das Meer kontrollierte, hier auf See. Er lebte mit dem Namen Park Jinyoung. Er hasste und verabscheute das Meervolk, wollte aber unbedingt an diesen einen Schatz."

Ich senkte den Blick.

"Nun hatte dieser Mann einen Sohn, der schwer in eine Meerjungfrau verliebt war. Ihre tragische Geschichte wird sich bis heute noch erzählt. Park Jinyoung missbrauchte sein Kind und dessen Liebe, um an den Schatz zu gelangen. Er kontrollierte die Gewässer und schickte die Meerjungfrau hinab, um den Schatz zu bergen. Aber er machte seine Rechnung ohne die Winde. Sie zerissen sein Schiff und die gesamte Crew. Als die Meerjungfrau das hörte, verbarg sie voller Zorn und Trauer den Schatz in einer geheimen Kammer und verschloss sie mit einem Schlüssel, den einzig und allein ihr Sohn, ein Erbe des Meeres, nutzen könnte. Vorrausgesetzt er passierte die Winde und das Meer natürlich.", sinnierte er über die Geschichte, während ich nur still daneben saß und wartete.

"Die Meerjungfrau starb einige Jahre später aus Kummer daran ihren Seelenverwandten verloren zu haben. Sie gab also das Kind weg, gab ihm aber den exakt gleichen Namen, wie den ihres brutalen Stiefvaters. In der Hoffnung, dass ihr Kind alles besser machen und diesen Namen wieder rein waschen konnte. Als Erbe eines elementaren Hexers hat dieses Kind eine natürliche Verbindung zum Wasser. Es hat außerdem das Erbe einer Meerjungfrau... Und das Blut eines Piraten."

Und ich hasste das Meer mit meiner ganzen Seele.

Ich warf Defsoul einen bitteren Blick zu, den er verständnisvoll entgegen nahm.

Die Schatten im Raum waren dunkler geworden, bedrohlicher. Sie schienen nur darauf zu warten sich an meinen Ängsten zu nähren und zu ergötzen.

"Vergib mir, wenn ich dir zu nahe getreten bin. Aber siehst du, nachdem ich diese Geschichte hörte, fand ich es nur fair zu denken, dass dich dieser Fall interessieren könnte. Dein gesamtes Sein ist davon ausgelegt.", sagte der Captain leise und ich wollte einfach nicht, ich wollte heim, weg von diesem verfluchten Meer und dieser grausamen Geschichte. Ich wollte nichts zu tun haben mit meiner tragisch verliebten, leichtgläubigen und abstoßenden Familie.

Welche Meerjungfrau war schon so leichtsinnig sich in einen Piraten zu verlieben? Und diesem dann auch mit so etwas zu trauen? Warum dachte sie, sie tat mir einen Gefallen damit, wenn sie mir das hier aufbürdete? Es musste ihr klar gewesen sein, dass eine Horde Piraten hinter mir her wäre.

"Wie kamst du an diese Geschichte? Es gab immerhin keine Überlebenden.", versuchte ich mich also wieder zu fassen, mich aus den Wellen von Schmerz und Dunkelheit zu holen, die mich umgaben, mich bloßstellten.

"Deine Mutter nutzte ihre verbleibende Zeit, um die Familien ihrer Freunde aufzusuchen und sich zu entschuldigen. Sie war es immerhin, die ihnen in erster Linie von dem Schatz erzählt hat."

Ich erschauderte, als ich begriff, mir wohl eingestehen musste, dass dieser Piratenkapitän, dieser wilde und rätselhafte Mann, der blutete, wenn auf meiner Haut die Blumen blühten, mir gar nicht so unähnlich war.

"Bambam hier hat sich schon angeboten mir zu helfen. Du wirst natürlich fürstlich entlohnt werden, ich kann verstehen, dass das eine sehr harte Entscheidung für dich ist. Solltest du doch in Erwägung ziehen zu gehen, dann rechne bitte mit Widerstand von unseren Seiten. Auch wir haben unsere Gründe, weswegen wir diesen Schatz brauchen und ohne dich funktioniert es ganz offensichtlich nicht.", meinte Defsoul ruhig, fast kalt und ich wägte kurz meine Chancen ab.

Ich hörte die Winde hier nicht, was daran liegen könnte, dass sie sich Bambam beugten. Das Meer war ganz klar auf der Seite des Piraten, was mich wunderte, da er nicht so wirkte, als habe er eine besondere Bindung dazu. Dann waren da ein Haufen Abnormalitäten an Bord, bei denen ich es jetzt schon von einigen wusste, dass sie mich binnen Sekunden zerfleischen würden.

Meine Chancen standen relativ schlecht.

"Ich trage den Schlüssel nicht bei mir, wir werden ohnehin umkehren müssen.", murmelte ich also ungewiss, wollte mich wirklich aus all dem raus halten und meine Ruhe haben, aber andere würden kommen. Und diese waren womöglich nicht ganz so gastfreundlich.

"Mach dir darüber keine Gedanken. Er ist an einem sicheren Ort.", beruhigte Defsoul mich geheimnisvoll lächelnd, während Bambam nur abfällig schnaubte.

"Dein Hemd ist halb offen, Mann, jeder Blinde kann ihn sehen."

Damit waren die beiden auch schon weg, als Defsoul nun Bambam kreischend über das Deck jagte.

Ich erlaubte mir erleichtert ein kleines, teuflisches Grinsen.

Na endlich.

Die SeehexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt