X. Farbspektren

200 13 0
                                    

Nach Defsouls eigenartigem Besuch bei der alten Kräuterhexe wies er uns ohne weitere Erklärungen an wieder zum Schiff zurück zu kehren, ahnte nichts von der neuen Intimität, mit der Bambams Arm um meine Hüfte lag, während er mich stützte. Mein kleiner Akt der Boshaftigkeit schien auch den anderen beiden nicht aufgefallen zu sein, was vorerst ein gutes Zeichen war, es zeigte, dass ich mächtiger war als sie.

Bei unserer Rückkehr zum Schiff, irrten auf diesem bisher die vertrauten Lichter umher, nur waren es dieses Mal deutlich mehr und sie erhellten den unteren Rand der grünen Segel mit ihrem gespenstischen Leuchten. In Defsouls Beisein verschwanden sie, wurden zwischen den Fässern und Kisten an Deck unsichtbar und der Mann blieb schützend an Deck, bis wir alle untergekommen waren.

Jongsuk und Bambam halfen mir gemeinsam die Planke hinauf, das Holz ächzend, aber nicht unwillig mir zu helfen.

Oben angekommen, wollte ich eigentlich nach rechts ausschwenken, um mit Bambam und den anderen zu den Crewquartieren zurück zu kehren, aber Defsouls scharfe Stimme hielt uns auf.

"Einen Moment, die Herren. Jinyoung, du kommst mit mir. Dem Rest von euch wünsche ich eine gute Nacht.", sagte er leise, aber autoritär über das Lecken der Wellen am Schiffsbug und das leise Rauschen des Windes durch den Wald hinweg.

Ich warf dem Mond einen knappen Blick zu, er war beinahe voll und folgte dann etwas wackelig Defsoul über das Deck, hatte mich beinahe schon daran gewöhnt immer und überall von jemandem gestützt zu werden.

Das unüberwindbare Ziel - die steile Treppe zur Empore - rückte immer näher und ich dachte scharf darüber nach, ob ich eher mein Schauspielern kurz aufgeben sollte, während er nicht hin sah, oder jammern, dass ich nicht hoch kam. Defsoul vor mir sah sich jedenfalls nicht nach mir um und sprang die Treppen zwei Stufen auf ein Mal nehmend hinauf, verschwand durch seine Tür, ohne diese hinter sich zu schließen.

Ich beeilte mich ihm zu folgen, ließ die Show fallen, um ihm nachzukommen, bevor Nora mir den Rest gab.

Wenn er über die Geschwindigkeit, mit der ich die Treppe erklommen hatte überrascht war, so sagte Defsoul nichts, er deutete mir nur die Tür hinter mir zu schließen und zog sich dann seufzend seinen Waffengurt über die Schulter.

"Verzeih mir die Frage, aber hattest du nicht zuvor noch Blumen auf der Haut? Hat Youngjae sich verletzt?", gab ich mich unwissend und der Mann sah ratlos an sich herab, ließ eine Hand nicht minder ungläubig über seine glatte Brust gleiten.

"Scheinbar geht es wem auch immer wieder gut. Youngjae ist nicht mein Seelenverwandter.", bemerkte er knapp, was ich schon wusste und legte seine Waffen auf seinem Nachttisch ab, fuhr sich mit der anderen Hand nun durch sein zurückgestrichenes Haar.

Seine katzenhaften Augen trafen auf meine.

"Was weißt du über die Kunst, Jinyoung?", erkundigte er sich unvermittelt und auf der Hut lehnte ich mich an die Tür in meinem Rücken, versuchte ihn zu lesen.

"Nicht viel. Ich habe mein gesamtes Wissen aus Büchern.", gestand ich ihm also ehrlich, ließ dabei den Teil mit den Geistern und den Winden aus, man konnte schließlich nie wissen.

"Dem Menschen sind drei Grundfarben bekannt. Gelb, Rot und Blau. Mischt man Gelb und Rot miteinander, so erhält man Orange. Mischt man das Rot hingegen mit Blau, so wird es Violett.", sinnierte er lächelnd, während er seine Weste von seinen Schultern streifte und sie über seinen Stuhl drapierte.

Dann begann er langsam auf mich zu zu kommen, gekleidet nur in tief sitzende Hosen und seine Augen gleich einer alles verschlingenden Dunkelheit. "Weißt du, was passiert, wenn man Blau mit Gelb kombiniert, Jinyoung?", fragte er kühl, als er ungefähr einen Meter vor mir zum stehen kam und engstirnig starrte ich ihm ins gutaussehende Gesicht, mied den Anblick meines eisernen Schlüssels auf seiner nackten Haut.

"Es wird Grün.", sagte ich einfach nur und Defsoul starrte befangen in meine Augen, erkannte womöglich Bambam in ihnen, vielleicht auch nicht.

"Korrekt. Schwarz und Weiß hingegen sind keine Farben. Weiß ist das Fehlen von Farbe und Schwarz ist eine Schattierung." Er ließ von mir ab, um zu seinem Schrank hinüber zu gehen und ein frisches, weißes Hemd hervor zu ziehen.

"Worauf willst du hinaus?", erkundigte ich mich gesättigt von den Kunstfakten für den heutigen Tag und Defsoul grinste mich bloß schief an, bevor er mir das Hemd zuwarf.

"Ich frage mich immernoch, wie Yugyeom die verdammten Segel grün gekriegt hat. Was denkst du, hat er sie blau streichen wollen und versehentlich gelb darüber gekippt? Woher nimmt er eine solche Menge an grüner Farbe?" Er fuhr fort verwirrt in sich hinein zu reden, während ich nur aufatmete und dann begann meine Klamotten zu wechseln.

"So wie ich das sehe ist doch grün ohnehin eure Farbe, oder nicht? Ihr solltet doch wohl zufrieden damit sein."

Es irritierte mich das Geflüster der Winde nicht zu hören, oder das Wispern des Meeres. Alles, was ich vernahm, war wie Jackson zwei Stockwerke tiefer leise ein Schlaflied sang und es war so seltsam für mich, diese alles verschluckende Schwärze, die grauenerregende Stille, die mir eisige Schauder über den Rücken jagte. Der Friedhof war nie still gewesen, die Toten hatten immerzu miteinander geredet, ihre Gedanken geteilt, mit jedem der es wissen wollte, oder manchmal auch nicht wissen wollte.

Hier war es so... Leer.

Der Captain lachte leise in sich hinein, brach die unangenehme Stille damit und kletterte dann in sein geräumiges Bett, klopfte auf den freien Platz neben sich.

"Genau das hat Yugyeom mir auch gesagt. Dass es immerhin nicht Schweinchenrosa ist. Aber es verleitet dann doch etwas mein Image auf See."

Welches Image. Er hatte sich buchstäblich in Lebensgefahr begeben, nur um eine Eule aufzufangen, die täglich aus ihrem Dachgebälk fiel und in bester Ordnung war. Welches Image.

Seufzend hinkte ich zu ihm und kroch kompliziert auf den Platz an seiner Seite, fand mich mit meinem Schicksal ab.

"Mein Dorf war dennoch sehr bereit dich hinzurichten. So übel ist es nicht.", boostete ich etwas sein Ego und verschwand unter der Decke, während er noch das Licht löschte.

"Vielleicht ist es ja meine glückliche Farbe, ja.", murmelte er vom Gähnen unterbrochen und die Laken raschelten etwas, als er es sich bequem machte.

Vielleicht, ja.

Ich lauschte lange den vereinzelten Möwen, die draußen vorbei huschten, während der Kapitän an meiner Seite bereits schon eine Weile schlief und ersuchte Informationen von ihnen, wohin es ging, was wir vor hatten. Aber jede Möwe, die mir antwortete, verstummte von einem Moment auf den nächsten, ließ nichts mehr von sich hören.

Sie trauten mir nicht.

Die SeehexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt