III. Entführt

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Ich wurde sanft geweckt, mit weichen Worten und einer warmen Hand an meiner Schulter, eine Empfindung, die ich nie zuvor derart erlebt hatte und von der ich auch nicht wusste, wie ich mit ihr umgehen sollte.

Also war ich ganz natürlich sofort wach und setzte mich konfus auf, war mir immerhin sehr wohl bewusst, dass ich nicht daheim war und jemand hier war, den ich nicht kannte. Ich stellte ebenfalls schnell das Fehlen der üblichen murmelnden Stimmen meiner Pflanzen am Morgen fest. Das und die stetige Bewegung des Raumes, das Schwanken, das sofort einen grässlichen Verdacht in mir aufkommen ließ.

Ich sah also alarmiert zu dem Mann an meiner Seite, der mit einem vorsichtigen Lächeln auf dem jungen, gebräunten Gesicht zu mir herunter sah. Seine kurzen Haare waren weiß, ein seltener Kontrast zu seinen klar asiatischen, dunklen Augen.

Wortlos sah ich zu ihm auf, wie er etwas nervös neben dem Bett stand, in dem ich ruhte und durchbohrte ihn so lange mit Blicken, bis er sich verlegen mit einer Hand den Nacken rieb.

"Ich... Hi.", grüßte er mich dann leise und tief, seine Stimme überraschend männlich dafür, dass er relativ klein und schmal war.

"Was tue ich hier?", verlangte ich rundheraus zu erfahren und nun lebte der Mann etwas auf, scheinbar hatte er zuvor eher mit einer solchen Frage gerechnet, als mit eisiger Stille.

"Du bist unser Gefangener.", grinste er mir vergnügt zu, nicht hämisch oder spöttisch, sondern eher wie ein Kind, das aufgeregt war einen neuen Spielkameraden zu haben.

Sprachlos starrte ich ihn an, griff dann die samtige, rote Decke unter meinen Fingern fester.

"Warum? Was habe ich getan?"

Der Mann schien seine erste Unsicherheit überwunden zu haben und setzte sich nun freundschaftlich an meine Seite, während ich noch verwundert still saß.

"Du brauchst dir keine Sorgen machen. Der Captain ist wirklich nett und alles, niemand wird einen Finger an dich legen. Wir brauchen dich nur für eine Schatzsuche.", erklärte er grinsend und legte dann seine Handflächen an seine Wangen, neigte etwas den Kopf und blinzelte mir aus großen Augen unschuldig zu.

"Du wirst mir doch keine Probleme machen und helfen, richtig?", fragte er kindlich und mir fiel die Kinnlade herunter, weil wir hier auf einem Schiff waren, einem Piratenschiff sogar, wie es hier aussah und dieser Typ hier wirkte sehr fehl am Platz.

"Ich habe es primär nicht vor ins Wasser zu springen?", brachte ich schwach eine Antwort heraus und er lächelte strahlend, bevor er wieder auf die Füße sprang und mir aufgeregt eine Hand entgegen hielt.

"Ich bin Jackson, der lokale Furry." Mit diesen Worten zwinkerte er mir frech zu und ich suchte schon wieder nach Worten, wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, also ergriff ich nur seine dargebotene Hand und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen.

Kurz schwankte ich mit den hölzernen Bohlen unter mir, stabiliserte mich unruhig an Jacksons stabilen Arm, dann fand ich meine Balance und warf einen finsteren Blick an die gewölbte Schiffswand, erst danach löste ich mich wieder von dem Mann an meiner Seite.

"Du wirst dich daran gewöhnen, keine Sorge." Jackson tätschelte mütterlich meine Schulter, dann wies er mir den Weg zur einzigen Tür im Raum.

"Hier entlang. Ich soll dich erstmal hier herum führen und alles erklären, damit du dich wohler fühlst."

Nein, wie rücksichtsvoll.

Jackson ging mir voraus und ich nutzte den Moment, um mich umzusehen, nichts besonders aufregendes zu entdecken, es sah ganz einfach aus, wie die typische Kapitänskajüte. Seekarten auf einem Schreibtisch, ein großes Bett, Vitrinen mit gestohlenen Wertgegenständen darin, alles war durcheinander und wild zusammen gewürfelt, ohne jeden Sinn von Ordnung. Wie man es sich eben vorstellte.

Die SeehexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt