15. Kapitel

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Dracos Sicht:

Ich spürte ihren warmen Körper an meinem, als ich meine Arme um ihre Taille legte. Weich lagen ihre Lippen auf meinen und ich schloss die Augen, um mich diesem Kuss voll und ganz hinzu geben...

Moment! Plötzlich stockte ich. Genoss ich grade ernsthaft den Kuss von der Granger?

In Windeseile löste ich mich von ihr. Sie errötete und auch mir stieg für den Bruchteil einer Sekunde die Hitze in die Wangen.

Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich das Glitzern in ihren herbstbraunen Augen sah. Ich wusste, was das bedeutete. Dieses Glitzern und Funkeln. Doch der Stich, den es mir beim Gedanken an den kommenden Dienstag versetzte, wurde übertrumpft von diesem wunderbaren Gefühl von Genugtuung und Triumph. Ein Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus. Ich hatte gesiegt. Und wie ich gesiegt hatte!

Schnell räusperte ich mich und sah ihr noch einmal tief in die Augen. Herbstbraun. Wunderschön und doch unfassbar naiv. Ich hätte stundenlang in diese Augen starren können und doch immer hätte ich immer wieder von neuem etwas Faszinierendes gefunden. Granger war schön, das wurde mir in diesem Moment klar. Schon ein bisschen schade, ja nahezu reine Verschwendung, wenn man bedachte, dass sie gerade das lebende Beispiel dafür war, wie dumm und töricht Schla- Muggelgeborene doch waren!

Mit einem leicht spöttischen Lächeln verabschiedete mich höflich.
Als ich mich umdrehte, konnte ich im Augenwinkel erkennen, wie sich ein Lächeln auf Grangers Lippen bildete. Ein kleines Lächeln. Zögerlich und doch so verfallen.

Ich atmete tief ein und lief dann mit schnellen Schritten und einem fetten Grinsen im Gesicht auf den Gemeinschaftsraum der Slytherins zu.

Drinnen war mehr los, als ich erwartet hatte. Pansy und Blaise hatten es sich nebeneinander auf einem der samtenen Sofas bequem gemacht und unterhielten sich lautstark über Muggelkunde.

»Ich meine, wen interessieren schon Muggel!?« erklärte Pansy, zog die Stirn kraus und blickte zustimmungsheischend zu Marcus und Theo, die in der Ecke des Raumes saßen und sich mit zwei Zweitklässlerinnen unterhielten, die haltlos kicherten. Drei Siebtklässler hatten sich an ihre Hausaufgaben gemacht und noch mehrere weitere
Schüler hatten sich auf Sofas und Sessel verteilt.

Mit zügigen Schritten ging ich auf Pansy und Blaise zu und ließ mich auf einen Stuhl sinken. Kaum hatte ich mich gesetzt unterbrach Pansy ihren Monolog und sah mich freudig an. »Draco, wie schön, dass du wieder da bist! Ich habe dich beim Abendessen vermisst.«

Blaise dagegen blickte mich misstrauisch an. »Wo bist du gewesen?«

Ich musste grinsen und blickte gönnerhaft auf ihn herab.
Mit jede Menge falscher Bescheidenheit gab ich preis: »In Hogsmeade. Mit Granger.«

Blaise Kinnlade fiel herunter, kaum hatte ich zu Ende geredet.
»Wie bitte? Mit der Granger? Willst du damit sagen, dass...«
Doch er wurde je von Pansy unterbrochen, die irritiert fragte: »Was willst du denn mit der? Ich meine, Draco, sie ist ein Schlammblut!«

Bei letzterem Wort zuckte ich nervös zusammen und strich über meinen linken Wangenknochen.
Ich erinnerte mich noch allzu gut daran, was geschehen war, als ich es zuletzt in den Mund genommen hatte. Eine schmerzliche Erinnerung.

Und zum anderen machte es mich wahnsinnig, dass jemand Granger so nannte. Ich konnte nicht sagen, was genau es war, aber es versetzte mir einen Stich und machte mich unsagbar wütend. Mein Gesicht lief rot an und unter dem Tisch ballte ich meine Hände zu Fäusten.
Den Blick zu Boden gerichtet fauchte ich Pansy an: »Nenn sie nicht so!«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Mitschülerin überrascht die Augen aufriss. »Nimmst du sie jetzt in Schutz, Draco?« Ihre Stimme war laut. Ein wenig zu laut, denn einige andere Slytherins drehten sich zu uns um.

Pansy schien dies zwar nicht zu stören, doch ihre Tonlage war um einiges höher als sonst, als sie bemüht ruhig weiter sprach: »Aber jetzt erzähl doch erst mal Draco... Was bei Salazar hast du mit dem Schla-... mit Granger in Hogsmeade gemacht?«

So schnell wie meine Wut gekommen war, so verrauchte sie auch wieder. Ich lehnte mich zurück, verschränkte die Arme in meinem Nacken und bettete meinen Kopf darauf. Dann erklärte ich mit einem selbstgefälligen Grinsen: »Ich hatte noch eine Wette zu gewinnen. Vor ein paar Monaten haben Blaise und ich darum gewettet, dass ich es schaffe einem Kuss von Granger zu bekommen. Und siehe da...« Ich breitete die Arme aus. »Ich habe es geschafft!« Wenn überhaupt möglich blickten die beiden noch überraschter als zuvor. Einen Augenblick schwiegen sie, nur um dann beide auf einmal los zu reden.
»Aber du hast doch jetzt keine Gefühle für sie...?« fragte Pansy aufgeregt und besorgt zugleich.
Blaise schlug mir kumpelhaft auf die Schulter. »Merlin, Draco! Hätte nicht gedacht, dass du das packst. Du verdienst mehr, als nur einen Schokofrosch!«

Er grinste anerkennend und beugte sich dann zu mir vor. Seine Stimme war gedämpft, als er sprach:
»Aber jetzt hau schon raus: Wie bei Merlin und Morgana hast du das hinbekommen?«

Ich schnaubte. »So schwer war es gar nicht. Ein Wunder, dass Granger nicht in Hufflepuff gelandet ist, bei der Naivität. Es war ganz leicht, schon bei unserem ersten Treffen war sie mir hoffnungslos verfallen.«

Und so unterbreitete ich meinen Freunden die Geschehnisse des letzten halben Jahres. Vom ersten Hogsmeade-Ausflug, über den Mistelzweig auf dem Weihnachtsball bis hin zum Kuss vor wenigen Minuten.

Nur den Tag im Da-und-Fort-Raum, dem Raum der Wünsche, ließ ich aus. Dieses war ein privater Moment gewesen, zu intim, um ihn mit meinen Freunden zu teilen. Ein Malfoy weinte nicht. Nicht vor anderen und erst Recht nicht vor Gryffindors. Granger war eine Ausnahme gewesen. Eine Ausnahme, die ich mir nur schwer hatte gestatten können. Doch dieser Einblick in mein Fühlen war es wohl gewesen, der Granger dazu veranlasst hatten, zu tun, was eben geschehen war.

Pansy und Blaise hörten mir die ganze Zeit über aufmerksam zu. Erstere war sichtlich erleichtert, dass es sich bei dem Kuss nicht um beidseitige Zuneigung handelte und strich mir mit ihren langen Fingern durch das Haar, während sie hämisch grinste und lachte: »Ich würde nur zu gerne ihr Gesicht sehen, wenn sie erfährt, dass du nur mit ihr gespielt hast, Draco! Der hast du's gezeigt.«

Ich grinste und ließ zu, dass sie auf meinen Schoß kletterte und mir einen langen Kuss gab.
Dass ich mir dabei vorstellte, es wären nicht Pansys Lippen, sondern Grangers, ignorierte ich gekonnt.

Blaise dagegen blickte misstrauisch. »Woher soll ich wissen, dass du mir hier keine Lügen auftischst? Weißt du, Draco, Granger mag naiv sein, aber schwach ist sie keinesfalls. Kannst du auch beweisen, dass sie dir so verfallen ist, wie du sagst?«
sagte dies und griff sich einen Apfel aus der Obstschale auf dem Couchtisch.

Ich runzelte die Stirn. Verdammt, daran hatte ich nicht gedacht. Granger hatte mich geküsst, aber bezeugen konnte ich das nicht.
Doch dann hatte ich eine Idee.
»Am Dienstag, in Zaubertränke. Wart's nur ab.«

Und mit diesen Worten umschlang ich Pansys Taille mit meinen Armen, stand auf und zog meine Mitschülerin mit einem animalischen Grinsen Richtung Schlafsäle.

Silbersturmgrau ~Zwischen Liebe und Hass~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt