11. Kapitel

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Hermines Sicht:

»Fabelhaft, Miss Granger! Fünf Punkte für Gryffindor.«

Mit einem Lächeln auf den Lippen nahm ich wieder auf meinem Stuhl Platz. Selbstzufrieden ließ ich meinen Blick durch die Klasse streifen. Die meisten Schüler saßen gelangweilt auf ihren Plätzen. Nur wenige lauschten Professor Binns wirklich interessanten Vortrag, bezüglich der Anfänge von Magie in der Geschichte der Menschheit.

Seamus warf Dean mit kleinen Papierkugeln ab, ein braunhaariger Ravenclaw, den ich nicht kannte, knutschte in der hinteren rechten Ecke des Klassenzimmers mit Susan Bones, ein blondes Mädchen, dem ich schon öfter im Korridor begegnet war unterhielt sich lautstark mit Lavender über die Geschehnisse beim Weihnachtsball und links von mir hatte Parvati ein Buch unter ihrer Bank hervor geholt und las.

Vorsichtig wagte ich nun, wie so oft in den letzten Tagen, einen Blick zu Ron.

Mein Herz machte einen Freudensprung, als ich sah, dass sein Blick auf mich gerichtet war.
Ich lächelte vorsichtig und er erwiderte.

Später, nach dem Professor Binns Monolog geendet, Seamus alle Papierkügelchen verschossen, der Ravenclaw und Susan sich von einander gelöst, Lavender ihr Gespräch eingestellt und Parvati ihr Buch in die Tasche fallen lassen hatte, verließ ich allein den Klassenraum, als ich eine Stimme hinter mir hörte.

»Hermine!«

Ich drehte mich um und vor mir stand Ron.

Die Flure leerten sich, bis wir beide alleine im Korridor standen.

Ron machte einen Schritt auf mich zu.
»Also...«
Seine Stimme zitterte.
»Ron?« fragte ich behutsam.
»Ich wollte... das heißt... ich... du...« stammelte er vor sich hin.

Dann holte er tief Luft und die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus.
»Es tut mir leid Hermine. Alles! Alles, was ich auf dem Ball zu dir gesagt habe. Du warst so glücklich. Und es war blöd von mir dir das zu verderben. Ich war nur so...«

Er stockte und ich schluckte. Egal, was er noch zu mir sagen würde, ich hatte ihm bereits verziehen. Er war Ron, mein allerbester Freund, und ihm konnte man einfach irgendwie nicht lange böse sein. Und, auch wenn ich es manchmal nicht zu geben wollte, seit Mitte des zweiten Schuljahr fühlte ich manchmal auch mehr als nur Freundschaft für ihn. Manchmal, in manchen Momenten. Und dieser Moment war ein solcher. Zum ersten Mal seit Langem sah ich ihn wieder mir anderen Augen.

Mir wurde klar, dass er, mit seinen mittlerweile fast fünfzehn Jahren, immer mehr seine Kindlichkeit verlor. Sein früher so rundes Gesicht wurde immer kantiger und markanter und auch seine Schultern waren breiter geworden. Plötzlich sah ich nicht mehr den kleinen elfjährigen Jungen vor mir, der mich vor ein paar Jahren vor dem Troll gerettet hatte.

»...Ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich war einfach eifersüchtig. Weil Malfoy dich einfach so auf den Ball eingeladen hat. Du hattest Recht, Hermine. Ich hatte nicht den Mut dazu, dir zu sagen, dass ich gerne mit dir hingegangen wäre. Es tut mir leid.«

Hitze stieg mir in die Wangen und ich spürte, wie ich errötete. Ich wusste, wie viel Mühe es Ron kosten musste, mir seine Reue mitzuteilen.

Er sprach weiter:
»Und deswegen wollte ich dich fragen, ob... ich meine... Vielleicht hast du ja Lust am Samstag mit mir nach Hogsmeade zu gehen und vielleicht einen Kaffee trinken zu gehen oder so?«

Ich lächelte. »Oh Ron! Natürlich habe ich Lust dazu! Das wäre... also wow. Natürlich.«

Nun war es an mir zu stottern. Am Samstag war der vierzehnte Februar. Valentinstag. Konnte es Zufall sein, dass Ron mich grade für solch einem Tag zum Kaffee trinken fragte?

Er erwiderte mein Lächeln und wollte sich schon umdrehten, um den Weg zum Mittagessen anzutreten, als ich ihn am Handgelenk fest hielt.

»Ron?« fragte ich leise.

Er blickte mich leicht irritiert, aber erwartungsvoll an.

»Ist das...« Ich schluckte, aus Angst, er würde verneinen. »Ist das ein Date?«

Rons Ohren färbten sich rosa. »Ich weiß nicht, wenn du willst dann nenn es ein Date.« Bei dem letzten Wort zitterte seine Stimme ein wenig. »Dann ist es eins.« sagte ich.

~~~

»Stop, stop, stop!« Ginny sah mich verdutzt an. »Warte... Du und Ron...«! Wie um ihre Worte zu bekräftigen, deutete sie zuerst auf mich und dann hinter sich, wo Ron zusammen mit Harry in der anderen Ecke des Gemeinschaftsraumes vor dem Kamin saß und vorbeigehende Gryffindors mit Essen bewarf. »Ihr habt ein Date?!«

Ich zuckte mit den Schultern und grinste. »Sieht ganz so aus.«

»Oh mein Gott!« Sie lehnte sich zurück und ließ sich in die Kissen des Sofas fallen, nur, um dann wieder aufzuspringen und beschwichtigend die Hände zu heben. »Also nicht, dass ich was dagegen hätte, von wegen er sei mein Bruder und so, aber...« Sie stöhnte. »Ich meine, das ist Ron! Schau ihn dir doch mal an!«

Wir drehten unsere Köpfe in die Richtung der Jungen: Ron balancierte grade einen Chickenwing auf seiner Nase. Ginny seufzte: »Siehst du? Das meine ich! Er ist so... so...« Sie rang nach Worten. »So Ron eben!«

Während sie sich schon wieder zurück gedreht hatte, begutachtete ich weiterhin ihren großen Bruder.

Egal, wie weit er sich äußerlich verändert hatte: Im Herzen war er immer noch ein Kind. So verrückt und unbeschwert. So glücklich. Und das war genau das, was mir so gut tat.

Als hätte er gemerkt, dass ich ihn an starrte, schaute er mich mit einem Mal an, als wäre mein Blick ein Magnet, von dem er angezogen wurde.

Er lief rot an und lächelte schüchtern.

Hinter mir hörte ich Ginny stöhnen.

~~~

»Danke Ron! Das war einfach wow!«

Es war Samstagabend. Für Februar war es erstaunlich warm. Der Schneesturm der letzten Tage hatte sich etwas verzogen, wie um Ron und mir diesem einen wunderbaren Abend zu gewähren. Der nachtblaue Himmel war wolkenlos und erste Sterne funkelten am Firmament.

Ron hatte mich in ein heruntergekommenes Lokal in hinteren Teil von Hogsmeade ausgeführt. Das Essen dort war zwar ungenießbar gewesen, aber was zählte, war doch der Wille. Dann hatten wir einen kleinen Spaziergang am Rande des Verbotenen Waldes entlang bis zum Ufer des Schwarzen Sees gemacht, wo wir ein wenig auf die eisklare gefrorene Oberfläche hinaus gestarrt und vor uns hingeträumt hatten. Nun standen wir nahe der Peitschenden Weide an der Mauer des Schlosses. Ich spürte den magischen Efeu, der mir in meinen Rücken stach, als der den Stein heraufkroch.

Die Sonne verschwand hinter den Baumwipfeln und färbte den Himmel blutrot.

»Danke, für den Tag, Ron. Das alles war, einfach unglaublich!«

Ron lachte. »Das Essen hab sogar ich kaum runtergekriegt. Und das soll was heißen!«

Ich lächelte. »Ach das! Das war doch gar nicht so schlimm! Ich liebe es!«

»Und ich liebe dich.«

Seine Worte kamen urplötzlich. Ich hatte kaum zu Ende gesprochen. Man konnte Ron ansehen, dass es keine Absicht war, sie laut aus zu sprechen.
Er sah fast ein bisschen unglücklich aus.

Und ich? Ich legte meine Hand in seinen Nacken und legte meine Lippen auf seine, küsste ihn. Und er erwiderte.

Silbersturmgrau ~Zwischen Liebe und Hass~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt